Story: Ein Mädchen (Han Hyo-ju) sitzt in einem Park und scheint auf jemanden zu warten. Hinter sich hört sie zwei Männer, die darüber
streiten, ob sie eine bestimmte Person ist oder nicht. Letztendlich sprechen die beiden das Mädchen mit einem Namen an, den diese vorher noch nie
gehört hat. Die beiden Männer wollen aber trotz der Versicherungen des Mädchen nicht glauben, dass sie nicht die Person ist, die sie suchen.
Schließlich machen sie ihr in ihrer Verzweiflung ein Angebot. Seit einer Weile suchen sie schon die Tochter eines im sterben liegenden Mannes, können
sie aber nicht finden und fragen das Mädchen deshalb, ob sie nicht für einen Tag deren Identität annehmen könne. Der Vater sei sowieso ohnmächtig
und sie müsse nur einmal an seinem Totenbett sitzen und um Entschuldigung bitten, dass sie vor Jahren einfach verschwunden ist, ohne sich wieder
zu melden. Das Mädchen kommt mit und muss dann bei der Familie des Todkranken mit anhören, wie diese über alles mögliche streiten, auch darüber, ob
man sie für die verloren geglaubte Tochter halten kann. Doch welchen Grund hatte das Mädchen überhaupt, auf diese sehr ungewöhnliche Bitte
einzugehen?
Kritik: Art House-Filme sind oft darauf ausgelegt, ein bestimmtes Publikum, meistens Kritiker und Festivalgänger, zufrieden zu stellen.
Es gibt aber auch Filme, die in ihrer ganz eigenen Welt spielen und dennoch, oder gerade deshalb, tatsächlich Art House Kino darstellen. "Ad Lib Night"
ist so ein Fall. Mit einem sehr langsamen Tempo, minimalistischer Story und ruhigen Bildern tritt der Filme eine Reise in das Leben eines namenlosen
Mädchens und einer Familie an, die versucht mit dem nahen Tod eines Verwandten zurecht zu kommen. Einsamkeit und die tragischen Pfade,
die das Leben für einen nehmen kann, stehen in der Reise des Mädchens im Vordergrund. Regisseur Lee Yoon-ki fängt dabei die Geschehnisse mit
einer HD-Kamera ein, was den Zuschauer die niedrigen Produktionskosten nicht spüren lässt. Tatsächlich sind die Bilder in ihrer Natürlichkeit
sogar sehr schön anzusehen. In einer Drehzeit von gerade einmal 10 Tagen hat Lee ein schönes subtiles Drama geschaffen, das oft gar nicht mal eines
ist. Tränen wird man hier keine vergießen, aber bewegend ist "Ad Lib Night" wegen seiner Natürlichkeit trotz allem.
Regisseur Lee Yoon-ki bezauberte schon mit seinem "This Charming Girl" die Zuschauer und auch hier bleibt er seinem Stil treu. Das bedeutet, dass
seine Geschichten wohl kaum das breite kommerzielle Publikum ansprechen werden, aber das ist ja bei weitem keine Voraussetzung dafür, ob ein Film gut ist
oder nicht! Jahre später sollte Lee mit seinem "My Dear Enemy" aber eben auch zeigen, dass er durchaus in der Lage ist, mit seinen Geschichten ein breiteres
Publikum anzuvisieren, ohne dabei gänzlich auf seine Eigenarten des Filmemachens verzichten zu müssen. "Ad Lib Night" entführt in eine Welt, die
irgendwie durch eine süße Melancholie ausgezeichnet ist und auf eine nicht aufdringliche Art verträumt wirkt, ohne dabei jemals einen Schritt aus
der Realität zu machen. Lee hat also einen sehr prägnanten Stil, der ihn von dem vieler kühler Art House-Regisseure abhebt. Das soll aber keineswegs
bedeuten, dass seine Film nicht in dem gleichen schneckenartigen Tempo erzählt werden. Er schafft es nur, im Gegensatz zu anderen Regisseuren des
Genres, den Zuschauer dabei nicht einzuschläfern.
Die Story des Films, die eigentlich auf einem Roman von Azuko Taira basiert, ist sehr übersichtlich gehalten und wird eigentlich nicht aktiv auf dem
Bildschirm erzählt, sondern entfaltet sich mehr oder weniger von selbst. Ein Problem bringt das allerdings mit sich, so wirken die Dialoge
manchmal etwas unprofessionell. Das anfängliche unaufhörliche Befragen des Mädchens durch die beiden Männer, ob sie wirklich nicht die Person sei,
die sie suchen, zeigt
das besonders deutlich. Augenscheinlich hat der Regisseur die Darsteller nur mit ein paar Stichpunkten versorgt und diese dann einfach ihre
Szenen mit viel Improvisation spielen lassen. Das sorgt für eine sehr natürliche Atmosphäre und erweist sich besonders später, bei den
Gesprächen der Familienmitglieder, als nettes Stilmittel, zur gleichen Zeit führt das jedoch auch zu einigen Wiederholungen,
die nicht unbedingt hätten sein müssen.
"Ad Lib Night" dreht sich um die Charaktere. Von der Familie erfahren wir bald, das einige von ihnen nur aufgetaucht sind, weil sie an dem Erbe
des Todkranken interessiert sind und das führt natürlich zu allerlei Zwistigkeiten und Streitereien. Es sind unschöne Themen und Momente, dennoch
werden sie mit einer gewissen Leichtigkeit präsentiert, die daraus resultiert, dass hier kein starres Drehbuch die Charaktere in ihren Dialogen
einschränkt. Es wird viel getrunken, gegessen und über dieses und jenes gesprochen. Dabei lernen wir schnell die einzelnen Individuen kennen und
fühlen uns bezüglich ein paar von ihnen tatsächlich so, als wenn wir mit ihnen vertraut wären. Leider ziehen sich diese Gespräche im Mittelteil aber
etwas in die Länge und der Film scheint plötzlich keinen Fokus mehr zu haben. Das Mädchen kann diesen nur bedingt liefern, da sie mit ihrer verschlossenen
Art sowieso viel Interpretationsarbeit vom Zuschauer verlangt, damit man überhaupt etwas über sie erfährt. Glücklicherweise kann Regisseur Lee
seinen Film aber auch schnell wieder auf den richtigen Weg bringen.
Wer ist das Mädchen? Ist sie vielleicht doch die Tochter, die vor Jahren davongelaufen ist? Anfangs mag man sich da nicht so sicher sein, aber
der Film macht schnell klar, dass hier nicht die Antworten zu suchen sind. Welchen Grund hatte das Mädchen dann aber überhaupt mit den Männern
mitzugehen? Die Auflösung ist fast schon einfach und darin eben auch glaubwürdig. Dieser letzte "Twist", wenn man ihn denn so nennen darf, wird
auch überhaupt nicht als etwas Besonderes behandelt, vielmehr ist dem Mädchen gerade einfach danach, von ihrem Leben zu erzählen. Wenn uns der Film
dann schließlich in ein mehr oder weniger offenes Ende entlässt, verstehen wir die anfänglichen Handlungen der Charaktere schon viel besser, auch
wenn uns immer noch viele Antworten fehlen. "Ad Lib Night" schafft das, was nur wenige Art House-Dramen schaffen, und das scheint
auch das Talent von Lee Yoon-ki zu sein: Die Charaktere und ruhigen Bilder seiner Dramen nehmen die Hintertür ins Herz des Zuschauers und verbleiben
dort auch noch bis über den Abspann des Films hinaus.