Story: Ching (Gillian Chung) ist die Ex-Freundin des Feuerwehrmanns Ken (Daniel Wu). Eines Tages sucht sie die
Hilfe von Kens neuer Freundin Shirley (Tao Hong) auf. Sie ist verzweifelt, da Ken Nacktbilder von ihr ins Internet
gestellt hat. Daraufhin hat Ching ihren Job als Lehrerin verloren und möchte nun verhindern, dass Ken weitere Bilder
von ihr ins Netz stellt. Shirley glaubt ihr anfangs nicht, doch bekommt sie genügend Beweise geliefert, dass sie
anfängt Ching zu helfen. Das bedeutet erst einmal, dass die beiden Frauen an Kens Computer heranmüssen um die Bilder
zu löschen. Allerdings erweist es sich als schwierig sich heimlich in Kens Wohnung zu schleichen, und das obwohl
Ching eigentlich einen Schlüssel hat. Jedoch bereitet ihnen Kens Mutter Probleme.
Überdies scheint es, dass selbst wenn sie ein Problem lösen gleich das nächste Hindernis auf sie wartet, das
es zu überwinden gilt.
Was eigentlich nicht sein dürfte geschieht: Ching und Shirley werden Freundinnen. Dabei finden sie heraus, dass
Ken bei ihnen nicht nur den selben Anmachspruch verwendet hat, sondern dass er auch in anderer Hinsicht ein
falsches Spiel mit ihnen getrieben hat. Aber warum war Shirley von Anfang an bereit Ching zu helfen? Befürchtet sie
zu Recht, dass Ken sie ebenfalls verlassen wird?
Kritik: Edmond Pang Ho-Cheung ist einer der vielverprechendsten Filmemacher aus Hong Kong. Anfangs hat er sich
mehr auf schwarze Komödien konzentriert ("You shoot, I shoot", "Men suddenly in Black"), doch mittlerweile fasst er
immer mehr Fuß im Drama-Fach. Auch wenn ihn viele mit Wong Kar-Wai vergleichen, Pang geht seine eigenen
Wege und so ist "Beyond our Ken" ein willkommen zynisches und tiefgehendes Drama über Beziehung, Freundschaft, Vertrauen,
Trauer, Rache, und wird dabei äußerst glaubhaft und mit einem dezenten unterschwelligen Schuss an schwarzem Humor
präsentiert.
Wie in bisher all seinen Filmen hat auch hier Pang wieder selber am Drehbuch geschrieben. Wer "Isabella", den er zwei
Jahre später drehen sollte, gesehen hat wird gewisse Parallelen im Stil finden können. Wir werden recht abrupt in den
Film geworfen und bekommen immer wieder in Flashbacks Vergangenes erzählt, so dass sich manche Szenen wiederholen
mögen, aber dabei immer aus einem anderen Blickwinkel gezeigt werden. Der Kontext, in dem die Szenen dann stehen ist
immer ein komplett anderer als der in dem wir sie zuvor gesehen haben, was nicht nur verhindert, dass Langeweile aufkommt,
sondern eben auch für das eine oder andere starke Aha-Erlebnis sorgt. Ein tolles Stilmittel, das immer wieder
hevorragend funktioniert.
Des Weiteren mag sich die Geschichte zwar nicht unglaublich originell anhören, aber viele sehr schöne gelungene Twists
bereichern den Film ungemein. Die Stärke der Story, wie wir dann selbst schnell erfahren, liegt außerdem in der
Ausarbeitung der verschieden Charaktere und ihrer Motivationen. Pang schafft hier keine schwarz-weiß Welt, sondern
versorgt uns mit verschiedenen Graupaletten, was "Beyond our Ken" im Gesamten eben so glaubwürdig macht.
Regisseur Pang scheint außerdem ein unglaubliches Gespür dafür zu haben, das Maximalste aus seinen Schauspielern
herauszuholen. Gillian Chung, die bisher eher als nervige 2. Hälfte des Canto-Popduos "The Twins" (die erste Hälfte,
Charlene Choi, ist eigentlich noch viel nerviger...) im Rampenlicht stand und in diversen HK-Filmen eher nicht für ihre
schauspielerische Integrität bekannt war, macht hier eine fast schon beeindruckende Wandlung durch. Sie kann tatsächlich
als verletzliche junge Frau überzeugen, deren Motivation immer ein wenig im Dunkeln bleiben und die neben ihrem
mädchenartigem Charakter doch eben auch sehr erwachsen wirkt. Ja, hier kann man Gillian Chung ohne große Bedenken als
Schauspielerin bezeichnen!
Festland-Chinesin Tao Hong gibt ebenso eine gelungene Darbietung eines an sich sehr komplexen Charakters ab. Nichts
und niemand ist hier wie er am Anfang scheint. Wir können zwar schnell mit den beiden Protagonistinnen sympathisieren,
aber immer wieder gibt es Szenen, die uns an ihren Motivationen zweifeln lassen oder uns zumindest in Erinnerung
rufen, dass ihre Freundschaft nicht unbedingt von Dauer sein muss, da sie sich ja eigentlich auf zwei verschiedenen
Seiten befinden.
Man macht es sich nicht leicht mit der gut-und-böse-Zeichnung. Selbst Daniel Wu, der zwar nie wirklich
die Chance hat vollkommen dreidimensional zu wirken, schafft es aber dennoch eine gewisse Ambiguität zu schaffen.
Natürlich bleibt er der "Bösewicht", aber mit der Zeit zeigt sich, dass Pang eben kein Werk mit der Botschaft "Männer
sind doch alle gleich" schaffen wollte, sondern dass Ken eben auch seine zum Teil nachvollziehbaren Gründe für seine
Taten hat.
"Beyond our Ken" lebt von der ungewöhnlichen Freundschaft der beiden Frauen und so ist es kein Wunder, dass es gerade
bei der Liebesthematik zu einigen dramatischen und emotionalen Szenen kommt. Eine der aufwühlendsten und härtesten
Szenen des Films ist jene, in der sich Ching und Shirley in Kens Wohnung geschlichen haben und von diesem plötzlich
überrascht werden. Ching kann sich im Schrank verstecken und muss mit ansehen wie Shirley und ihr Ex-Freund nur wenige
Meter vor ihr die Nacht miteinander verbringen. Eine Szene, die mich in seiner Krassheit wirklich überrascht hat und
die mich irgendwie an "Moonlight Whispers" erinnert hat, auch wenn hier der Kontext ein anderer ist.
Auffallend ist, dass der Film im Handkamera-Stil aufgenommen ist. Das gibt dem ganzen eine gewisse Dynamik, zum Glück
verzichtet der Regisseur aber darauf diesen Umstand zu stark in den Vordergrund zu stellen. Zuweilen bleibt die
Kamera auch mal recht still und nimmt die Darsteller auch manchmal aus einer gewissen Entfernung auf, während die
Kamera zum Teil von Gegenständen im Vordergrund verdeckt wird. Das gibt dem Zuschauer das Gefühl des heimlichen
Beobachters, Pang verzichtet aber darauf allzu künstlerisch wirken zu wollen. Das sieht man auch an der guten
Bildqualität und den satten Farben.
Außerdem sehr gelungen ist die Musikuntermalung. Hier scheint wohl jemand ein Mozart-Fan zu sein, denn von dessen
Kleiner Nachtmusik, bis über zum Flute Quartet und schlussendlich seinem Requiem ist hier einiges vertreten. Gerade
letzteres kann in der schon angesprochenen Szene sehr zum emotionalen Gehalt beitragen.
Es mag jene geben, die sich daran stören, dass manchmal, außer einigen Dialogen, nur wenig auf dem Bildschirm passiert.
Für jene gibt es aber einige schöne eingestreute etwas heitere Szenen, wie jene in der Ching vor einem Polizisten
davonrennt oder als es ein nettes kleines Versteckspiel in einem Supermarkt gibt.
Einzig schade ist, dass der Film etwas übereilt endet. Wenn uns der Abspann nicht allzu plötzlich aus dem Film gerissen
hätte, so hätte uns gerade das Ende nochmal so richtig umhauen können. Nun, das kann es auch so noch, aber ein wenig
geht bei der Hast einfach verloren. Es gibt nämlich noch eine richtig schön gelungene Auflösung, die endlich die
wahren Motivationen der Personen enthüllt und uns komplett überraschen kann. Gerade das Auge für kleine Details in der
Story sorgt für Begeisterung und so kann der aufmerksame Zuschauer viel tiefer in den Film eintauchen, als man es
zuerst für möglich gehalten hätte. Pang gibt nämlich nicht auf alles antworten, auch wenn er in vielerlei Dingen
recht genau bleibt, und überlässt es dem Zuschauer sich so manche Frage selbst zu beantworten.
Edmond Pang scheint auf dem richtigen Weg einer der ganz Großen des Hong Kong Kinos und des Drama Genres im Allgemeinen
zu werden. Seine Storys sind mitreißend und tiefgründig, und seine Erzähltechnik ist auch sehr schön.
"Beyond our Ken" ist ein sehr guter Film über Liebe, Freundschaft, Rache und all die Dinge, die eben genausogut Böses
wie Gutes beinhalten können. Eine gewisse Dualität kann man Pangs Charakteren eben nicht aberkennen und das macht die Personen
nur umso menschlicher. Nicht nur HK-Fans sollten hier unbedingt einen Blick riskieren!