Story: Die Prostituierte Jin-ah (Lee Ji-eun) kommt bei einer Familie unter, die eine kleine Herberge betreibt. Tatsächlich verdient die Familie
allerdings ihr Geld damit, Prostituierte für sich arbeiten zu lassen. Die Tochter der Familie, Hye-mi (Lee Hae-eun), verachtet das Geschäft ihrer
Familie und hat deshalb eine besondere Abneigung gegenüber Jin-ah. Die Prostituierte wird von dem Vater der Familie (Jang Hang-seon) vergewaltigt und
der Sohn, Hyun-woo (Ahn Jae-mo), verwanzt sogar das Zimmer Jin-ahs, um sie bei ihrer Arbeit zu belauschen. Schließlich will auch er die Dienste der
Prostituierten in Anspruch nehmen. Das neue Mädchen im Haus scheint eine besondere Anziehung auf die Männer zu haben, dabei sehnt sie sich
augenscheinlich nach nichts mehr, als Teil einer Familie zu werden. Aus diesem Grund ist es ihr besonders wichtig, Hye-mi näher kennenzulernen,
aber gerade als die Tochter endlich anfängt, ein paar Worte mir ihr zu wechseln, taucht ihr alter Zuhälter, der aus dem Gefängnis entlassen wurde,
wieder auf. Jin-ahs letzte Möglichkeit der Spirale aus Gewalt und Vergewaltigung zu entkommen, ist, eine Freundschaft zu Hye-mi aufzubauen.
Kritik: Es gibt viel, was man über Kim Ki-Duk sagen kann, aber mit Sicherheit nicht, dass er nichts zu erzählen hat. Zumindest nicht in seinen
Anfängen. Später haben sich viele seiner Themen wiederholt, aber in seinem dritten Film "Birdcage Inn" weht noch der Wind des Originellen. Dabei stellt
das Drama auch eine Art Brücke dar. Während "Crocodile" und "Wild Animals" noch etwas amateurhaft wirkten, sehen wir hier schon die technische
Weiterentwicklung von Kims Stil, der schließlich in seinem folgenden "The Isle" noch weiter ausgebaut wurde und damit seine Filme einem etwas breiteren
Publikum zugänglich machte. Es ist nicht immer leicht, mit den Charakteren seiner Filme eine normale Zuschauer-Filmcharakter-Beziehung aufzubauen, da
sich die Individuen seiner Werke oftmals etwas merkwürdig benehmen oder zumindest etwas verdreht im Kopf zu sein scheinen, doch dahinter verbirgt sich
immer eine innere Verletzung, die es zu erkennen gilt. Das ist es auch, was den Reiz der Filme Kim Ki-Duks ausmacht.
Jin-ah ist ein Mädchen, das einen gewissen Reiz auf die Männer ausübt. Es ist, als wenn sie ungewollt einen Zauberspruch über diese spricht, und diese
nicht anders können, als mit ihr die Nacht verbringen zu wollen. Regisseur und Drehbuchschreiber Kim stellt die unterschiedlichsten Personen vor, die
im Endeffekt alle über kurz oder lang die Dienste des Freudenmädchens in Anspruch nehmen. Einige bezahlen, andere vergewaltigen sie nur, doch letztendlich
ist das Jin-ah gleich, sie kann sich aus dieser gewalttätigen Welt nicht befreien. Warum sie das nicht kann und wie sie überhaupt zu dieser Profession
gelangt ist, wird nur angedeutet. Wahrscheinlich hatte sie sich in ihren früheren Freier verliebt und hat seitdem nie wieder die Möglichkeit gefunden,
ein anderes Leben zu führen. Oder sie weiß schlichtweg nicht wie. Es ist allerdings offensichtlich, dass sie sich nichts sehnlicher wünscht, als Teil
einer Familie zu sein, und dafür die Freundschaft von Hye-mi erlangen will. Ein Mädchen, das sie verachtet und nicht das geringste Interesse daran hat,
die Person hinter der Prostituierten zu erkennen.
Die Gewalt an Frauen, in diesem Fall Jin-ah, steht häufig im Fokus der Filme Kim Ki-Duks. Dabei wirft er ein, dass Männer wegen ihrer Triebe eben nicht
anders können, als für das zu bezahlen, was sie vielleicht auf andere Weise nicht bekommen. Für viele Frauen mag das ein Grund sein,
empört mit den Augen zu rollen und dies als die typische Entschuldigung von Männern abzutun, doch man braucht nur mal einen Blick in die Tierwelt zu werfen und
schon sehen wir, dass hier manchmal die Rollen vertauscht sind. Den modernen Menschen gibt es seit 160000 oder 6000 Jahren, je nach dem nach welchen
Kriterien man geht. Doch unsere gesellschaftlichen moralischen Normen und Gesetze haben wir seit weitaus kürzerer Zeit, unsere Biologie konnte sich also
noch gar nicht an unsere neue Lebensweise anpassen. Das sind unbequeme Wahrheiten, aber jemand muss sie ansprechen und Kim Ki-Duk ist dieser
Mann. Das Faszinierende ist, dass man die in seinen Filmen vorkommenden oftmals kranken Charaktere am Ende bis zu einem bestimmten Grade doch irgendwie
verstehen kann.
Es ist eine traurige Welt, in der Jin-ah lebt und trotzdem hat sie sich nicht vollständig in ihr Schicksal ergeben. Es gibt noch gewisse Grenzen für sie
und natürlich gibt es gerade dort dann einige Übergriffe. Allerdings stehen ihr immer wieder einige Männer zur Seite, selbst der Vater der Familie, in die
sie hineinkommt und der sie anfangs vergewaltigt hat, beschützt sie, wenn es darauf ankommt. Eigentlich ist er sogar ein recht liebenswerter Mann, der
nur wenig spricht, weshalb einige seiner wenigen Worte, die er Jin-ah zum Trost spendet, besonderes Gewicht bekommen: Wir sind alle Sünder.
Sünder gibt es demnach auch etliche in "Birdcage Inn" und das ist es gerade, was Hye-mi so aufregt. Selbst ihr Freund scheint nicht anders zu sein.
Aber es stellt sich heraus, dass der einzige Mann, der ein gutes Herz und Tugend in sich trägt, am Ende gerade von der Frau hintergangen wird, die
so fleißig mit der Moralkeule schwingt. Ja, es ist eine grausame Welt, in der die Guten einfach untergehen müssen. Es lohnt sich nicht, kein Sünder zu sein.
Doch seine Aussage verpackt Kim auch in einigen Symbolen und Metaphern. Der Schnee, der mitten im Sommer fällt, symbolisiert natürlich die Reinheit und
gibt dem Film gleichzeitig etwas Traumbehaftetes. Der Goldfisch dagegen scheint für Jin-ah selbst zu stehen. Er wird nicht immer freundlich behandelt,
Jin-ah vollübt selbst einige Male Gewalt an ihm, und dennoch übersteht er alle Angriffe. Später kann er sogar in Salzwasser überleben!
Etwas nervtötend ist dagegen manchmal die Musikuntermalung, die direkt aus einer Telefonwarteschleife genommen worden scheint. Daneben ist es aber
gerade die Faszination, welche die Charaktere und die Geschichte ausüben, die den Film trotz des langsamen Tempos so sehenswert machen. Einige abstruse
Szenen bringen sogar etwas Humor in den Film und der Wunsch nach einer Familie bringt auch Wärme in die ansonsten kühle Welt von "Birdcage Inn".
Ein Drama, das befremdet, fasziniert und polarisiert - ein echter Kim Ki-Duk eben!