Story: Ki-tae (Lee Je-hoon) ist ein High School Schüler, der sich in seiner Klasse einen Namen gemacht hat. Er führt eine Clique an, aber am
liebsten verbringt er seine Zeit damit, mit seinen beiden besten Freunden Hee-joon (Park Jeong-min) und Dong-yoon (Seo Joon-yeong) an einem
verlassenen Bahnhof Baseball zu spielen. Eines Tages glaubt Hee-joon jedoch, dass Ki-tae nur mit ihm befreundet ist, weil er andere gerne unter
Kontrolle hält. Als Hee-joon sich nicht mehr von Ki-tae alles sagen lässt, scheint sich seine Theorie zu bestätigen. Ki-tae wird gewaltätig und die
Freundschaft zwischen den beiden Jungen fängt an, auseinanderzubrechen. Als Dong-yoon seinen Freund Ki-tae mit der Situation konfrontiert, gerät auch
dieser auf die Liste des machthungrigen Anführers. Ki-tae verliert seine beiden besten Freunde und kurz darauf nimmt er sich das Leben. Nach seiner
Beerdigung sucht Ki-taes Vater (Jo Seong-ha) nach den Gründen für den Selbstmord und kontaktiert die Schüler. Diese erzählen nur widerwillig von den
Geschehnissen, die zum Tod des jungen Schülers führten. Denn sie werden von Schuldgefühlen und Trauer geplagt.
Kritik: Ein verwackelte Handkamera, das Bild gerät immer wieder aus dem Fokus, ist unscharf, die Gesichter werden in Nahaufnahmen eingefangen,
die Farben sind in einem isolierendem Grau gehalten und die Geschichte entfaltet sich in einem extrem langsamen Tempo. Kunst. Eindeutig. Muss einem
das gefallen? Nein. Und ich wäre der erste, der "Bleak Night" mit kritischen Bemerkungen überhäufen würde, wenn das Drama nicht so unwahrscheinlich
real mit den Gefühlen von Teenagern arbeiten würden, die lernen müssen, was Freundschaft bedeutet und dass diese nicht auf ewig Bestand haben muss.
Darüber hinaus vermag es der Regisseur, tiefe Einblicke in die Psyche seiner Charaktere zu geben. Ki-tae stellt dabei das Zentrum des Films dar und
wir lernen mit der Zeit die Gründe für sein stark dominantes Auftreten. Dieses liegt nämlich in seinen Ängsten begraben, von niemandem wahrgenommen
und geliebt zu werden, so wie es bei vielen Jugendlichen der Fall ist. Damit trifft "Bleak Night", beinahe schon als Milieu-Studie, genau ins Herz
eines breiten Publikums, denn ähnliche Erfahrungen wird wohl jeder schon einmal gemacht haben.
Die Darsteller des Films sind allesamt großartig, vor allem Lee Je-hoon gibt dem Film aber die nötige Tiefe. Sein Charakter erscheint zuerst
widersprüchlich, aber sein Bestreben alles und jeden um sich herum unter Kontrolle zu haben, resultiert daraus, dass er zuhause keine Aufmerksamkeit
bekommt und befürchtet, diese auch von seinen Mitmenschen nicht zu bekommen. Als seine wohlwollende Bevormundung von Hee-joon nicht mehr akzeptiert
wird, schlägt Ki-taes Stimmung in Missgunst und schließlich gewalttätiges Verhalten um. Widerspricht man ihm, so kann er nur mit aller Härte dagegen
vorgehen, sonst würde er seine Stellung als Ganganführer verlieren und damit ignoriert werden sowie schließlich in Vergessenheit geraten. Damit lässt
Regisseur Yoon Sung-hyun seinen Fokus auch über das Thema Mobbing an Schulen wandern und gibt einige glaubwürdige Hintergründe für ein solches
Verhalten, was dem Film noch mehr Authentizität verleiht.
Am Anfang ist es schwierig, zwischen den einzelnen Personen zu unterscheiden, aber mit der Zeit kristallisieren sich immer mehr Eigenschaften heraus
und die Charaktere gewinnen immer mehr an Farbe, bis sie von einer ungeheueren Intensität ausgezeichnet sind. Das macht es dann auch so einfach,
der Geschichte des Films, die auf subtile, etwas langatmige und verschachtelte Weise erzählt wird, zu folgen. Verschachtelt deshalb, weil wir anfangs
Ki-taes Vater zu sehen bekommen, der den Tod seines Sohnes aufklären will und deshalb dessen Freunde aufsucht. Diese erinnern sich an den Jungen in
diversen Rückblenden, die nicht immer sofort als solche zu erkennen sind. Dennoch ist es ohne große Schwierigkeiten möglich, dem Film zu folgen.
Nur gegen Ende muss man etwas aufpassen, da hier die Rückblenden mit der Gegenwart kollidieren und sogar in diese Hineinfließen. Die Grenzen der
Zeit werden aufgebrochen, was einen gelungenen Kunstgriff darstellt.
Eigentlich ist Ki-tae nicht wirklich hassenswert. Denn selbst als wir sein verabscheuungswürdiges Verhalten zu sehen bekommen, können wir nicht umhin
zu erkennen, dass er sich selbst überhaupt nicht in seiner Rolle gefällt. Irgendwie scheint er in diese hineingedrängt worden zu sein und selbst ein
Opfer darzustellen, das nicht in der Lage ist, sich aus seiner unglücklichen Situation zu befreien. Doch eigentlich kann er nur sich selbst die Schuld
zuweisen für alles, was schließlich kommt. Ki-tae fühlt sich machtlos und seine tatsächlichen Schwächen werden anfangs subtil transportiert, bis der
Zuschauer ein immer klareres Bild von ihnen bekommt. Das Drehbuch ist gelungen und zeigt uns die Personen in natürlichen Gesprächen, die ihre ganz
eigene Dynamik entwickeln und damit eine Intensität schaffen, wie wir sie nur selten zu sehen bekommen. Vor allem Lee Je-hoon kann auf oft sehr
subtile Art eine ganze Palette an komplexen Emotionen rüberbringen.
Die Atmosphäre von "Bleak Night" ist oft düster, weil einsam. Die riesigen Apartment-Hochhäuser einer fast ausgestorben anmutenden Betonwüste sowie
der verlassene Bahnhof, an dem sich die drei Freunde immer wieder treffen, tragen stark zu dieser Atmosphäre bei und die Kamera, die immer sehr nah
am Geschehen ist und die Gesichter der Charaktere in Nahaufnahmen einfängt, schafft eine emotionale Involviertheit des Zuschauers, wie man sie sonst
bei Filmen dieser Art nicht zu sehen bekommt. Dafür sind aber auch die natürlich anmutenden Dialoge verantwortlich, welche den Film nicht zu langweiligem
Arthouse-Kino verkommen lässt. Die Gefühle in "Bleak Night" sind stark, weil sie auf einer subtilen, aber manchmal auch direkten Ebene transportiert werden.
Damit fühlt sich der Film zu jeder Zeit natürlich an und kann einen für die Charaktere vereinnehmen. Wer sich von dem Drama klare Antworten erhofft,
wird am Ende aber vielleicht enttäuscht sein. Doch ist es gerade die Komplexität, mit der Regisseur Yoon seinem Filmthema Leben einhaucht, die
"Bleak Night" herausstechen und in den Köpfen der Zuschauer nachhallen lässt.