Story: Cop 223 (Takeshi Kaneshiro) wurde von seiner Freundin verlassen. Diese Wahrheit kann er allerdings
nicht akzeptieren
und beschließt deshalb bis zu seinem 25. Geburtstag auf sie zu warten. Doch auch an diesem Tag meldet sie sich nicht.
Sein gebrochenes Herz ertränkt Cop 223 in einer Bar in Alkohol. Er beschließt die erste Frau anzusprechen, die den
Raum betritt. Bei dieser handelt es sich um eine Drogenkurierin (Brigitte Lin), die im Moment ihre ganz eigenen Probleme
hat, denn ihre Ware wurde gestohlen. Auch wenn Cop 223 und die Frau kaum etwas gemeinsam haben, so können sie sich
gegenseitig in ihrer Trauer beistehen ohne viele Worte miteinander wechseln zu müssen.
Faye (Faye Wong) arbeitet in einem Imbissstand und verliebt sich heimlich in Cop 663 (Tony Leung). Dieser wiederum
wurde gerade von seiner Freundin sitzen gelassen und hat mit Liebeskummer zu kämpfen. Faye wiederum ist unfähig ihre
Gefühle in Worte zu fassen, und so wird ihre Liebe fast schon zu einer Obsession als sie regelmäßig heimlich die Wohnung des
Polizisten putzt und aufräumt. Auf eine besondere Art und Weise kommen sich Faye und der Polizist schließlich
näher...
Kritik: Wong Kar-Wai ist einer der wenigen chinesischen Regisseure, dessen Name auch in unseren Landen bekannt
ist. Das hat er hauptsächlich "Chungking Express" zu verdanken. Schon vorher hat er in seinem Heimatland mit "As Tears
go by" und "Days of being Wild" auf sich aufmerksam gemacht, aber erst mit seinem dritten Film konnte er internationale
Aufmerksamkeit erregen. Vollkommen zu Recht, das steht außer Frage, allerdings mag der Film nicht wirklich in die Klasse
eines Meisterwerks fallen, auch wenn ihn viele Kritiker dort einordnen. Der Grund dafür ist recht einfach, denn
Wong Kar-Wai beweist hier noch nicht das Gespür für tiefgehende Dramen oder emotional mitnehmende Momente. "Chungking
Express" ist wesentlich leichtherziger als man das vielleicht erwartet hätte, und auch wenn der Regisseur Themen wie
enttäuschte oder unerwiderte Liebe mit der nötigen aussagekräftigen Note versieht um etwas Besonderes aus dem Film zu
machen, so fehlt dem Werk doch irgendwie eine starke Aussage. Das soll aber nicht bedeuten, dass "Chungking
Express" kein ehrlicher und herzenswarmer Romantikfilm ist. Im Gegenteil, Wong Kar-Wai gelingt hier ein tiefgehender
Liebesfilm mit künstlerischem Anspruch.
Was immer wieder klar ins Auge springt ist Wongs Bemühung mit seinen Bildern, den Farben, den schnellen Eindrücken,
der Musik, den Drehorten etc. ein gewisses Gefühl hervorzurufen. Schon in der ersten Verfolgungsszene, die durch
verschwommene Bilder besticht, sehen wir, dass der Regisseur mit Hilfe von Kamera-und Cinematographie-Ass Christopher
Doyle ("Hero", "In the Mood for Love") Eindrücke verschaffen will, die das Lebensgefühl seiner Heimatstadt auf den
Punkt bringen. Wir sehen unterschiedliche Menschen verschiedener Nationalitäten, was sich auch immer wieder in der
Musik des Films niederschlägt, und wir glauben sogar irgendwann die verschiedenartigen Gerüche in dieser lebensreichen
Welt wahrnehmen zu können. Hier lässt sich immer wieder erkennen, dass Wong Kar-Wai in Richtung Art-House geht, dies
aber auf eine Weise, die durchaus mit der filmischen New-Wave der 90er und der Popkultur zu vereinen ist.
Wong benutzt auch immer wieder Spielerein wie Fast- und Slowmotion, wobei die Szenen, in denen Cop 663 sich in Zeitlupe
bewegt, während sich alles um ihn herum in Fast-motion abspielt, besonders in Erinnerung bleiben können. Auf diese
Weise schafft es Wong das sich ständig in Bewegung befindende Leben in außergewöhnlicher Weise auf den Bildschirm
zu bringen.
Etwas ungewöhnlich ist die Zweiteilung des Films. Regisseur Wong versucht dabei keinesfalls die beiden Hälften zu einem
Ganzen zu verbinden, sondern lässt sie sich lediglich anhand der Themen der unerfüllten Liebe und dem Fakt, dass es
sich bei beiden männlichen Protagonisten um Polizisten handelt, überschneiden. Etwas Schade ist das schon, da man das
Gefühl hat, dass hier Gelegenheiten verschenkt wurden. Glücklicherweise schafft Wong Kar-Wai das Kunststück, dass sich
die beiden Geschichten nicht komplett auseinandergerissen anfühlen. Aber sie zusammenzuführen hätte dem Film wahrscheinlich
noch mehr Gewicht verleihen können. Vorausgesetzt es ist richtig gemacht und gibt dem Film dadurch eine gewisse
nicht-künstliche dramatische Färbung. Aber das Drama ist ohnehin etwas, das man hier vergebens suchen wird. Der Film
erweist sich als ungewöhnlich positiv, auch wenn man am Anfang noch nicht viel davon zu sehen bekommt. Tatsächlich
können aber beide Geschichten durch einen hoffnungsvollen und lebens-/liebesbejahenden
Unterton hervorstechen. Irgendwie hat man hier aber etwas anderes erwartet und so erweist sich dieser Umstand auch als eine kleine
Enttäuschung.
Die erste Geschichte des Films ist kürzer als die zweite und so hat man bei dieser eben auch den Eindruck, dass die
Charaktere hier etwas zu grob gezeichnet sind. Takeshi Kaneshiro ("House of Flying Daggers", "Returner") kann seiner
Person eine gewisse kindliche Naivität verleihen und überzeugt dabei trotzdem oder gerade deshalb als von der Liebe
verlassener Cop, der nicht loslassen kann. Brigitte Lin ("Ashes of Time", "New Dragon Gate Inn") dagegen kann ihrem
Charakter nur wenige Ecken und Kanten geben, da er auch auf dem Papier einfach zu unausgearbeitet ist.
Anders sieht das glücklicherweise bei Tony Leung ("Infernal Affairs", "Hero") und Faye Wong ("Chinese Odyssey 2002")
aus. Leung spielt einen Cop, der immer wieder mit seinen Haushaltsgegenständen redet und bei diesen Rat sucht. Diese
Art der "abgedrehten" Momente kommen recht häufig vor und machen auch einen großen Teil des Humors aus, so z.B.
wenn Leung seine Seife fragt, warum sie so viel abgenommen hat. Gleichzeitig bekommen wir dabei aber auch
metapherartig einiges von Cop 663s Liebeskummer und dem Schmerz der unerfüllten Liebe näher gebracht.
Immer wieder betätigen sich die einzelnen Charaktere auch als Erzähler, was dem Werk schlussendlich auch etwas mehr
Tiefe gibt. Wundern muss man sich aber schon über einige Handlungen der Charaktere. Leungs Charakter glaubt, dass
seine Wohnung seinen inneren Gemütszustand reflektiert und wundert sich deshalb anfangs noch nicht mal darüber, dass
sich seine Einrichtung verändert. Faye dagegen mutet fast schon wie ein Stalker an und versucht die Aufmerksamkeit
des Polizisten auf ihre ganz eigene Weise zu gewinnen. Als die Gefühle des Cops für Faye dann aber tatsächlich stärker
werden, distanziert sich Faye. Sicherlich will Wong Kar-Wai hier auch zeigen wie flüchtig die Liebe manchmal sein kann,
ohne dass diese dadurch ihrer Magie beraubt werden würde, am Ende scheint er jedoch einen Kompromissweg einzuschlagen. Für einige
Zuschauer bedeutet das, dass sie nicht zu sehen bekommen werden, wonach sie hier vielleicht gesucht haben, andere
wiederum werden sich des warmen Gefühls ums Herz am Ende des Films erfreuen.
Faye Wong ist der eigentliche Star von "Chungking Express" und ihr vielschichtiger Charakter bereichert den Film
um einiges. Wong Kar-Wai dagegen taucht nicht so tief in die Thematik des Films wie erhofft, kann dafür aber mit
einer liebreizenden Geschichte und ungewöhnlich viel Humor wieder Boden gut machen. Am Ende bleibt trotz leichter
Enttäuschung trotzdem ein Film, der die vielen Lobesworte wert ist und in jede Filmsammlung gehört.