Story: Im Jahr 1937 rückt Japan in die chinesische Hauptstadt Nanjing ein. Lu Jianxioing (Liu Ye) leistet mit weiteren chinesischen
Soldaten Widerstand, obwohl die Regenten des Landes längst geflüchtet sind. Gegen die besser ausgerüstete und organisierte japanische Armee haben sie
keine Chance. Die Stadt wird dem Erdboden gleichgemacht und zahlreiche gefangene Soldaten sowie Zivilisten werden exekutiert. Unter der Leitung
Idas (Ryu Kohata) muss auch der junge Soldat Kadokawa (Hideo Nakaizumi) an den Gräueltaten teilnehmen. Nur mit Hilfe des deutschen John Rabe (John
Paisley) gelingt es Tang (Fan Wei) eine Zufluchtszone für Flüchtlinge aufzubauen, in der die Chinesen vorerst sicher sind. Doch diese Sicherheit
trügt. Die japanische Armee vergewaltigt weiterhin chinesische Frauen und erpresst sogar Tang freiwillig Trostfrauen aus dem Flüchtlingslager zu
schicken. John Rabes Einfluss, der bisher das Lager vor Schlimmerem bewahrt hat, schwindet immer mehr. Nicht nur die Chinesen gehen langsam
an den unmenschlichen Taten der japanischen Armee zu Grunde, auch Kadokawa kämpft damit, nicht seinen Verstand zu verlieren.
Kritik: Wer sich ein wenig mit chinesischer Geschichte auskennt, wird bereits wissen, was einen bei diesem Film erwartet.
Das Nanjing-Massaker kostete innerhalb weniger Wochen über 200.000 Menschenleben. Soldaten wie Zivilisten wurden grausam exekutiert. Diese Narbe,
die auch als die "Vergewaltigung Nankings" bekannt ist, trägt China heute noch im kollektiven Gedächtnis. Das Grauen dieser Wochen wird aber erst
wirklich offenbar, wenn man es miterlebt hat oder es wenigstens in der heimischen Sicherheit der Couch auf dem Bildschirm sieht. Es ist schrecklich,
aufwühlend und Regisseur Lu Chuan geizt nicht mit optischen Reizen, welche die grausamen Bilder auf die Netzhaut brennen. Er geht dabei bildgewaltig
vor, verzichtet aber auf großartige Sentimentalität und macht damit noch betroffener.
Es wäre allerdings falsch "City of Life and Death" als dokumentarisch zu bezeichnen. Der Film bietet manchmal verwackelte Bilder (aber das ist keineswegs
störend), emotionale Szenen werden ohne zugehörige Musikuntermalung äußerst nüchtern eingefangen, das Chaos des Krieges ist zu jeder Zeit ersichtlich,
dennoch stellt Lu Chuan bestimmte Individuen in den Fokus seiner Geschichte und das ist eine kluge Entscheidung. Als Charaktere fehlt ihnen
vielleicht etwas die Tiefe, da sie hauptsächlich bestimmte Aspekte des Films tragen sollen, aber die beeindruckende Dichte des Films und das großartige
Schauspiel sorgen dafür, dass dieses kleine Manko keineswegs auffällt. Tatsächlich muss man sich sogar darüber wundern, wie unvoreingenommen der
Regisseur bei der Zeichnung seiner Charaktere vorgeht.
Es wäre einfach gewesen, Japan als gewissenlosen Feind darzustellen, der undenkbare Grausamkeiten am chinesischen Volk verübt hat. Lu macht es sich
aber nicht so simpel. Kadokawa stellt schließlich sogar den Charakter des Films dar, mit dem man sich am meisten identifizieren kann. Die Umstände
des Kriegs, das unüberschaubare Chaos auf dem Schlachtfeld und seine Unerfahrenheit lassen ihn Dinge tun, die er sich niemals verzeihen können wird.
Noch schrecklichere Taten sieht er jedoch seine Landsleute begehen. Natürlich zerbricht Kadokawa langsam daran, aber während man es bei ihm ganz
deutlich sieht, sterben andere Charaktere, wie z.B. Ida, innerlich auf subtile Weise, oder sind schon längst gestorben. Ida würde man eigentlich
als Monster bezeichnen, aber ohne dass es gesagt wird, wird uns irgendwann klar, dass auch er nur Befehle befolgt und tief in seinem Inneren der Dämon
des Krieges vielleicht noch nicht vollständig Besitz von ihm ergriffen hat.
Der Nazi John Rabe, auch bekannt als "Chinas Schindler", wird im Film ebenfalls porträtiert. Er versucht so viele Chinesen wie möglich zu retten und gerade
in seinem Assistenten Tang zeigt sich, wie leicht man bereit ist, sich an eine wage Hoffnung zu klammern, denn schlussendlich wird Rabe von den
Japanern umhergestoßen und besitzt kaum Macht. Die Japaner kehren unter dem einen oder anderen Vorwand in dem Flüchtlingslager ein und aus, wie es ihnen
gefällt, vergewaltigen die Frauen und töten willkürlich Verletzte und Kranke. Oder sie werfen ein Kind aus dem Fenster eines mehrstöckigen Hauses.
Den Grausamkeiten, gerade den Vergewaltigungen von zum Teil noch Kindern, wird viel Raum in "City of Life and Death" gegeben, aber Lu Chuan findet einen
sehr effektiven Weg, immer nur genau so viel zu zeigen, wie nötig ist. Gerade das macht diese Szenen noch realistischer und erschreckender.
Irgendwann ist man über das Ausmaß an Gräueltaten - Massenexekutionen, Enthauptungen, Menschen, die lebendig begraben werden, Frauen, die an den
Folgen ihrer Vergewaltigungen sterben - so schockiert, dass man gut daran tut, nicht darüber nachzudenken, dass es in Wirklichkeit noch schlimmer war.
Regisseur Lu Chuan schafft es wie bereits in seinem Film "Kekexili" seine Bilder für sich sprechen zu lassen. In diesen liegt eine stille Macht, die
vor allem auch dadurch zum Tragen kommt, dass Lu weniger Worte sondern mehr Taten in seinem Film sprechen lässt. Natürlich sorgen auch die schön
anzusehenden Schwarzweiß-Bilder und die glaubwürdigen Sets dafür, dass man sich sofort in das beklemmende Chaos eines Krieges hineingeworfen fühlt.
"City of Life and Death" stellt eine wichtige Geschichtsstunde dar, die Lu Chuan in einem großartig aufrüttelnden Antikriegsfilm verpackt.