Story: Wie jeden Arbeitstag fährt Tom (Ekin Cheng), Manager einer Import/Export Firma, seine Angestellten
nach Hause. Unter ihnen ist der immer meckernde Oldtimer Karl (Felix Lok), die verwöhnte Jewel (Chucky Woo), der
subtil-emotionale John (Derek Tsang) und die zurückhaltende Pearl (Karena Lam). Auf der Fahrt geraten John und Jewel
in einen Streit, der andeutet, dass es zwischen den beiden Kollegen eine Liebesbeziehung geben mag. Doch als nur noch
der verheiratete Tom und Pearl im Auto sitzen wird klar, dass auch diese zwei mehr als nur eine professionelle
Beziehung verbindet. Anscheinend will Tom diese aber beenden, denn er empfiehlt Pearl eine Stelle bei einer anderen
Firma. Langsam entfalten sich die Ereignisse rund um Tom und Pearl, die zu diesem Abend geführt haben. Welche Art
von Beziehung haben die beiden Kollegen genau und inwieweit spielen die finanziellen Probleme der Firma in Toms
Entscheidung Pearl zu entlassen mit rein? Eine Reise in die Vergangenheit von Pearls tragischer Liebesbeziehung zu
Tom gibt Aufschluss.
Kritik: Es ist ungewöhnlich, aus Hong Kong einen Film zu sehen, der mit außergewöhnlicher Subtilität und etwas
unterkühltem Feingefühl die Beziehung zweier Arbeitskollegen beleuchtet, die nur angedeutet ein Liebesverhältnis
miteinander verbindet. Ein wenig fühlt sich "Claustrophobia", mit seinem sehr gemächlichen Tempo und seinem Anspruch an
den Zuschauer sich Gefühle und Fakten aus den auf den ersten Blick unbedeutenden Gesprächen selbst herauszufiltern, wie
ein Art-House Film an. Dementsprechend hat der Film trotz einiger beachtlicher Leistungen auch mit ein paar Problemen
zu kämpfen. Das Interesse für die Charaktere ist zwar irgendwie da, aber dennoch sorgen die zurückgehaltenen Emotionen
dafür, dass wir oft eine gewisse Distanz zu den Geschehnissen haben. Darüberhinaus kann der Film oft auch etwas
frustrierend sein, da man nicht genau weiß, wohin er am Ende eigentlich hinsteuern will. Dennoch ist es schön aus
Hong Kong einmal ein anspruchsvolles Drama zu sehen, das auch mit offensichtlicher Expertise hinter der Kamera
gemacht wurde.
Drehbuchschreiberin Ivy Ho, die schon zuvor mit subtilen Dramastories wie "July Rhapsody" und "Comrades: Almost a Love
Story" Erfolge feiern konnte, gibt hier ihr Regiedebut und zeigt dabei durchaus, dass sie weiß, wie sie ihre Vision
eines Dramas umsetzen will. Dabei fällt aber sofort die Indirektheit auf mit der uns Ho in die Gefühlswelt der
Protagonisten entführt. Irgendwie scheint der Zuschauer, wie die Personen des Dramas selbst, immer einer gewissen
Passivität unterworfen. Das kann oft frustrierend sein, treibt dann aber wieder dazu an, mehr zwischen den Zeilen zu
lesen. Und genau hier spielt sich eigentlich der ganze Film ab. Wir können nur indirekt auf die Gedanken und Emotionen
der Charaktere Rückschlüsse ziehen. In einigen Gesprächen erfahren wir auch mehr über die Lebensgeschichte der
Personen, die eben deren Persönlichkeit herausgebildet hat. Das können auf den ersten Blick unwichtige Gespräche
mit einem langjährigen Bekannten und Arzt oder einem Taxifahrer sein.
Interessant ist, dass "Claustrophobia" seine Geschichte nach der Einleitung schrittweise rückwärts erzählt. Wir arbeiten
uns von einer Woche bis zu einem Jahr in die Vergangenheit zurück und bekommen dabei so manche Kleinigkeit präsentiert,
die einem nur auffällt, wenn man mit wachem Verstand bei der Sache ist, was durchaus motivierend sein kann weiterhin
aufmerksam zu bleiben. Allerdings muss sich Ivy Ho die Frage gefallen lassen, warum sie ihren Film in dieser zeitlichen
Reihenfolge erzählt. Es wird damit nämlich keinem bestimmten Zweck gedient und soviel darf auch verraten werden ohne
den Film damit kaputtzumachen, dass es keine große Enthüllung oder auch nur ein paar Tränen am Ende gibt. Hos Drama ist sehr
reserviert, manchmal eben auch kühl, und man weiß nicht so recht, was man mit dieser Erzählstruktur anfangen soll, da
man irgendwie das Gefühl hat, dass sie aus Selbstverliebtheit des Regisseurs ihren Weg in den Film gefunden hat.
Schauspielerisch ist das Drama ebenfalls recht anspruchsvoll, da die Darsteller oft nur mit ein paar kleinen Gesten
und Blicken Emotionen zum Ausdruck bringen müssen. Karena Lam ("July Rhapsody", "Silk") schafft dies hervorragend und
trägt damit den Film sehr gekonnt auf ihren Schultern. Aber selbst Ekin Cheng (kurz zuvor kaum wiederzuerkennen in "Rule
Number One") gibt eine solide Leistung ab. Gerade unter den Nebendarstellern kann aber Felix Lok als schroffer alter
Hase begeistern und auch Andy Hui kann als Taxifahrer in einer der Schlüsselszenen des Films einen guten Beitrag leisten
um die komplexen Strukturen, die unter der kalten Oberfläche des Films verborgen sind, herauszustellen.
Manchmal muss man sich jedoch etwas über die langen Gespräche am gleichen Schauplatz wundern. Oft hat man das Gefühl,
dass nur unbedeutender Small-Talk betrieben wird, der nirgendwo hin führt, aber gerade jene Gespräche, die sich etwas
zu stark in die Länge ziehen, bergen einiges an Material, das es herauszuarbeiten gilt.
Die Bilder von "Claustrophobia" sind sehr schön anzusehen, vor allem die vielen ruhigen Autofahrten durch das nächtliche
Hong Kong sind hypnotisierend. Unterstützt wird Ivy Hos sichere Regie durch die wunderbare Kinematographie von
Lee Pin Bing ("Secret", "After this our Exile"), der den Bildern einfach etwas verträumt Schönes geben kann.
Schlussendlich ist es nicht leicht ein Urteil über "Claustrophobia" zu fällen. Der Film spielt handwerklich auf
gehobenem Niveau und will mit seiner Thematik und Präsentation auch nicht das breitgefächerte Publikum ansprechen,
sondern eines, das bereit ist sich auf eine solche Art von subtilem Drama auch einzulassen. Für jenes Publikum wird
Ivy Hos Regieerstlingswerk auch einiges zu bieten haben, die Kühle und Subtilität mögen andere Zuschauer aber zurecht
abschrecken, aber vor allem die Erzählstruktur lässt am Ende eine gewisse Frustration aufkommen, da man irgendwie etwas
zu plötzlich in den Abspann entlassen wird. Trotzdem ein Film, der einen Blick Wert ist.