Story: Es ist der letzte Tag vor den Ferien, als Lehrerin Yuko Moriguchi (Takako Matsu) ihrer 7. Klasse mitteilt, dass dies ihr letzter
Tag an der Schule ist. Die desinteressierten Schüler kümmern sich kaum darum, doch dann beginnt Moriguchi die Gründe dafür zu nennen. Sie erzählt
von ihrer kleinen Tochter, die auf dem Gelände des Schulhofs in einem Swimming Pool umgekommen ist. Die Polizei geht von einem tragischen Unfall aus,
doch Moriguchi weiß es besser. Zwei ihrer Schüler haben ihre Tochter ermordet. Die Lehrerin kann dies sogar beweisen, doch da das Gesetz die Schüler ohnehin
für strafunmündig erklären würde, hätten sie keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten. Daher teilt die Lehrerin der Klasse mit, um welche zwei
Personen es sich handelt und eröffnet außerdem, dass sie etwas Blut ihres AIDS-kranken Mannes in die Milch dieser beiden Schüler gegeben hat.
Moriguchis Racheplan geht im nächsten Schuljahr auf. Einer der Schüler erscheint gar nicht mehr zum Unterricht und wird wahnsinnig, während der andere
von seinen Mitschülern Tag für Tag tyrannisiert wird. Allerdings bleibt die Frage, warum die beiden Schüler ein kleines Kind umgebracht haben. Nacheinander
legt jeder der Beteiligten ein Geständnis ab, das die genauen Umstände des Mordes sowie die Motive beleuchtet und in die Abgründe
der menschlichen Seele führt...
Kritik: Tetsuya Nakashima ist einer der originellsten und beeindruckendsten Regisseure des japanischen Films. Sein "Kamikaze Girls" und
vor allem sein Meisterwerk "Memories of Matsuko" haben seinen Ruf als Regisseur, der in künstlerisch ausgefallenen Bildern anspruchsvolle Geschichten
zu erzählen weiß, noch weiter gefestigt. In "Confessions" löst er sich allerdings größtenteils von den humoristischen Elementen seiner Filme und schafft ein sehr
melancholisches Werk, das zuweilen ungemein düster ist und Themen wie emotionale Leere, das Schikanieren von Mitschülern und eine Gesetzeslage behandelt,
die Schülern unter 14 Jahren erlaubt, Straftaten zu begehen, ohne größere Konsequenzen befürchten zu müssen. Eine willkürlich gezogene Grenze, die
den Individuen im Film erlaubt in einer Phase größter Verwirrung zu handeln, wie es ihnen beliebt. Die Lehrerin der Schüler sucht deshalb nach einem
Weg, Rache an den Mördern ihrer kleinen Tochter zu nehmen und dafür schmiedet sie einen ausgeklügelten Plan. Mit seinen ungewohnt dunklen Bildern
schafft es Nakashima eine einzigartige Stimmung zu schaffen, welche die Geschichte bis zum Ende hervorragend trägt.
Die Geschichte des Films basiert auf einem Roman von Minato Kanae, doch Regisseur Nakashima lässt nicht einfach die Geschichte die ganze Arbeit
leisten, sondern hauptsächlich seine Bilder. Das technische Können Nakashimas ist bis auf ein solches Niveau vorgedrungen, dass er es auch einzig mit
seinen Bildern vermag, eine bestimmte Atmosphäre auf den Punkt genau einzufangen. Die gestochen scharfen Bilder, die alle durch ein dunkles Blau
und Grau hervorstechen, werden dabei häufig in Zeitlupe eingefangen, offensichtlich mit einer High-Speed Kamera, während einige unaufdringliche, aber
sehr gut gelungene Computereffekte Aufnahmen ermöglichen, die normalerweise schwierig zu machen gewesen wären. Begleitet werden die Bilder von
einem ständig präsenten melancholischen Klangteppich dank des Soundtracks von Radiohead oder Boris, der die Atmosphäre noch weiter verdichten kann.
Wenn man Nakashima einen Vorwurf machen kann, dann dass er seine Bilder und Zeitlupenaufnahmen zu bewusst und häufig einsetzt, hätte er aber darauf
verzichtet, hätte er niemals eine so einschnürende Stimmung in seinem Film kreieren können.
Nakashimas Bilder stellen Abbilder des Innenlebens der Protagonisten dar. Einsamkeit ist der Grund für all das Schlechte, das in dem Film
porträtiert wird. Eine Einsamkeit, die so stark ist, dass die Protagonisten von einem emotionalen Vakuum erfüllt werden. Die Dinge die sie tun,
machen sie eigentlich nur, um zu fühlen, dass sie noch am Leben sind. Sie wollen die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen und damit eigentlich nur etwas
Liebe. Doch in der leistungsorientierten Gesellschaft zählt nur, was für Noten man hat. Aber selbst das reicht nicht aus, wie der Klassenbeste im
Film herausfinden muss. Selbst eine Erfindung von ihm, mit der er in die Zeitung kommt, wird überschattet. Von einem Verbrechen, das es auf
die Titelseite schafft. Ein kleines Mädchen, das ohne einen ersichtlichen Grund seine Eltern vergiftet hat. Nakashima sucht nach Gründen in Taten,
die augenscheinlich durch nichts motiviert scheinen und gibt ehrliche Antworten. Damit wird "Confessions" zu einem stark gesellschaftskritischen
Werk, das zu beantworten sucht, warum Mörder, wie jenes Mädchen, das seine Eltern umgebracht hat, plötzlich als Helden von Gleichaltrigen gefeiert werden.
Das Chaos, das wir am Anfang in der Klasse zu sehen bekommen, greift schon einigem voraus. Moriguchi gibt ein Bekenntnis ab, aber anfangs interessiert
es niemanden in der Klasse. Das Chaos, der Egoismus und die selbstzerstörerischen Kräfte, die die Gesellschaft der Erwachsenen auszeichnet, haben
bereits bei den Jugendlichen Einzug gehalten. Von der ehemals ambitionierten Lehrerin ist nur noch ein verbitterter Schatten übrig geblieben, der nach Rache
sinnt. Die Erzählperspektive des Films wechselt dabei auf gelungene Weise zwischen den einzelnen Personen und mehrere Rückblenden klären über
die Hintergründe auf. Dabei schafft es der Regisseur, die Charaktere mit einer gewissen Kühle und Distanz zu porträtieren, sodass der Zuschauer
in Hinblick auf die Schuldzuweisung selbst urteilen kann. Takako Matsu gibt als Lehrerin eine gelungene Darstellung ab, aber selbst mit ihr als
offensichtlich eigentliche Leidtragende kann man nicht einfach sympathisieren. Noch weniger trifft das selbstverständlich auf die anderen Schüler
zu, die sich an den Schwachen vergreifen, um sich selbst nicht als Opfer der Gesellschaft sehen zu müssen. Hier gebiert Böses in einem ewigen Kreislauf
erneut Böses.
Die visuelle Kraft von "Confessions" ist wieder einmal atemberaubend. Tetsuya Nakashimas Gefühl für Licht und Schatten, die ausgefallenen Kameraeinstellungen
sowie die exzessive Musikuntermalung, die oft erkennen lassen, dass der Regisseur früher zwar keine Musikvideos, aber TV-Spots gedreht hat, stehen
alle im Dienst der Geschichte und rufen eine enorme Melancholie hervor, die einen nicht wundern lässt, dass einer der Charaktere im Film Werther
heißt. Der Regisseur lässt es sich aber nicht nehmen an ein paar Stellen durch bitterbösen schwarzen Humor die Stimmung etwas aufzugrauen, denn
hell wird hier nichts wirklich. Nakashimas sozialkritisches Werk fühlt sich wie ein Schlag in die Magengrube an und entführt durch seine berauschenden
Bilder in eine andere Welt, eine Welt der Einsamkeit, Melancholie und tiefen Abgründe des Verlangens. Eine Welt, die erstaunlich viele Überschneidungen
mit unserer aufweist. Auch wenn die enorme Melancholie des Films und der Umstand, dass wir mit keinem der Charaktere wirklich mitleiden können, oder
doch mit allen gleich viel, und dementsprechend die Tränen am Ende dieses Dramas ausbleiben, problematisch wirken können, funktioniert "Confessions"
letztendlich auf einer subtilen und viel nachhaltigeren Ebene. Ein weiteres kleines Meisterwerk von Tetsuya Nakashima!