Story: Während des Zweiten Sino-Japanischen Kriegs wird Niu Er (Huang Bo), ein einfacher Bauer, von dem Dorfältesten mit einer wichtigen Aufgabe
betraut. Er soll eine holländische Kuh, die ein Geschenk der ausländischen Mächte ist, vor dem Einfall der Japaner und umherstreunender Räuber
beschützen. Das Besondere an der Kuh ist, dass sie viel mehr Milch gibt als die einheimischen Kühe, womit sie unerlässlich wird für die Pflege
der im Krieg Verwundeten. Denn Nahrung ist knapp und der Krieg wird auch vor Niu Ers Dorf nicht Halt machen. Doch der Bauer ist unwillig, diese
Verantwortung zu übernehmen. Erst als ihm dafür Jiu'er (Yan Ni), eine freche Witwe, auf die Niu Er schon lange ein Auge wirft, als Frau versprochen
wird, willigt er ein. Schließlich fallen die Japaner ein und als Niu Er wieder zu sich kommt, ist jeder in dem Dorf tot. Nur die Kuh hat überlebt, weil
sie von den besorgten Dorfbewohnern versteckt wurde. Niu Er will mit ihr fliehen, aber eine weitere japanische Einheit besetzt das Dorf und er muss sie
zurücklassen. Nachdem die Einheit weitergezogen ist und nur eine Hand voll Soldaten die Stellung hält, entschließt sich Niu Er, die Kuh, die nun
von den Japanern umpflegt wird, zu befreien...
Kritik: "Cow" muss einen einfach beeindrucken, weil man von einem Werk mit einem solchen Titel eben nicht viel erwartet. Dabei
ist die Prämisse äußerst geschickt gewählt. Es ist unnötig, in epischen Schlachten die Gräueltaten des Krieges auf die Leinwand zu bringen und dabei
noch mit der Moralkeule zu schwingen, wenn man all das viel subtiler und leiser bewerkstelligen kann. "Cow" schafft genau das und geht
deswegen weitaus tiefer als viele andere Kriegsfilme. Ein einfacher Mann und seine Liebe zu einer Kuh werden in einer grausamen Welt vor schwere
Prüfungen gestellt. Auffällig ist dabei, dass der starke Realismus des Films in einem interessanten Gegensatz zur eher phantastischen
Liebesgeschichte steht. Mit der Zeit verstehen wir nämlich, dass Niu Er in der Kuh seine verstorbene Frau sieht und darüberhinaus ist die
Kuh selbstverständlich auch symbolisch zu sehen, obwohl sie vom Drehbuch sogar einen eigenen Charakter spendiert bekommen hat und damit äußerst
lebendig wirkt. "Cow" ist ein einfühlsames Kriegsdrama mit dem gewissen Etwas.
Die beeindruckende Kinematographie des Films erzeugt sofort ein Gefühl der Begeisterung. In Grautönen gehalten und in HD-Schärfe kann man hier jedes
Detail der liebevoll gestalteten Sets bewundern, vor allem das Dorf überzeugt als Ruine eines grausamen Krieges, wobei die Farben der Grauskala
die Tristheit unterstreichen. Die panische Kameraführung am Anfang spiegelt nur Niu Ers Entsetzen und seine Desorientierung wider, im
weiteren Verlauf des Films werden die Geschehnisse dagegen mit ruhiger Hand eingefangen, von ein paar wenigen Actionszenen vielleicht einmal abgesehen.
Dabei bleibt vor allem die anfängliche Szene in Gedächtnis, in der wir die Dorfbewohner verbrannt und in verkrampfter Körperhaltung in einem Graben
zu sehen bekommen. Allerdings werden die Japaner nicht nur als blutrünstige Monster dargestellt, sondern es wird zum Glück ein etwas differenzierteres
Bild von ihnen gezeichnet. Im Endeffekt ist es der Krieg selbst, der sie zu Monstern werden lässt, aber eine Entschuldigung kann das eben für keine
ihrer Grausamkeiten sein.
"Cow" ist aber nicht nur ein Kriegsdrama, das sich ein Individuum in dem Chaos des Krieges herausgreift und seine Geschichte auf zu Tränen rührende
Weise erzählt, vielmehr ist der Film ein realistischer Blick auf die schwere Zeit des Zweiten Sino-Japanischen Kriegs gepaart mit einer oftmals
surrealistisch anmutenden Geschichte um die Liebe eines Mannes zu einer Kuh, in der die Seele seiner Frau stecken könnte. Dazu gestellt sich eine
unaufdringliche Portion schwarzen Humors, der das überaus originelle Gesamtbild des Films abrundet. Das Feingefühl von Regisseur Guan Hu vermag
es dabei zu jeder Zeit, diese instabil anmutende Mischung funktionieren zu lassen. In die laufende Geschichte des Films werden dabei immer wieder
Rückblenden eingearbeitet, die über Niu Ers Leben im Dorf berichten und seinen Charakter weiter ausarbeiten. Dabei erfahren wir auch von seinen
Gefühlen zu Jiu'er und den Umständen, unter denen er an die Kuh gekommen ist.
Die Erzählstruktur des Films ist glücklich gewählt und lässt nie Langeweile aufkommen. Es ist zudem klar offensichtlich, wann wir eine Rückblende
zu sehen bekommen und wann der Film die Gegenwart beleuchtet. Das ändert sich leider gegen Ende, wenn der Film etwas wirr zwischen den Zeitebenen
rumspringt und dabei auch der Schnitt etwas zu bemängeln ist. Außerdem wirkt ein eingeschobenes Propaganda-Video über die Herkunft der holländischen
Kuh etwas fehl am Platz. Ein bisschen propagandistisch ist der Film in einer Szene dann auch, als ein Vertreter der Volksbefreiungsarmee meint, dass
diese jetzt an der Macht seien und doch den Bauern nichts wegnehmen... Zu dem Thema darf man auch gerne mal in ein paar Geschichtsbücher schauen.
Davon abgesehen wirkt der Film gegen
Ende leider etwas holpriger als nötig, aber großen negativen Einfluss auf die Gesamtqualität von "Cow" hat das glücklicherweise nicht. Die meiste
Zeit vermittelt Regisseur Guan Hu nämlich das, was er sagen will, durch Niu Er, und die Situationen, in die er gerät, lassen ihn mit der Zeit immer
plastischer wirken.
Huang Bo ist nicht wirklich ein gutaussehender Geselle, er verkörpert den Bauern durch und durch, was sich auch in dessen einfachen Denken
niederschlägt, aber der Bauer hat das Herz am rechten Fleck und schafft es irgendwie immer wieder, den Japanern durch die Finger zu gleiten. Huang Bo
übertritt dabei häufig die Schwelle zum übertriebenen Schauspiel, aber merkwürdigerweise muss er das sogar, denn nur so kann er seinen Charakter
überzeugend darstellen. Da Huang den Film mehr oder weniger, von der Kuh einmal abgesehen, alleine trägt, muss man ihm großes Lob für seine
schauspielerische Leistung aussprechen. Er scheint einfach wie gemacht für die Rolle. Nicht jeder schafft es, durch seine Darstellung auch einen
Schauspielpartner in Form einer Kuh gut dastehen zu lassen!
"Cow" hatte kein riesiges Budget zur Verfügung, aber das sieht man ihm überhaupt nicht an. Endlich bekommt der Zuschauer einmal wieder ein
originelles Kriegsdrama, das sich um den Menschen dreht und dabei auch unterhaltsam sein kann. "Cow" ist damit einer jener Geheimtipps, die man
gesehen haben sollte.