Story: Matsumoto (Hidetoshi Nishijima) wird von seinen Eltern gezwungen die Tochter eines Firmenchefs zu
heiraten. Seine wahre Liebe, Sawako (Miho Kanno), verkraftet dies nicht und versucht sich selbst das Leben zu nehmen.
Als Matsumoto das erfährt lässt er die Braut und die anwesende Hochzeitsgesellschaft stehen und eilt zu Sawako.
Seine Freundin ist aber nur noch ein Schatten ihrer Selbst und erkennt weder Matsumoto noch sonst irgendjemanden.
Von Schuldgefühlen und Liebe getrieben begibt sich Matsumoto mit seiner Freundin auf eine Reise ins Ungewisse um
bei ihr wieder alte Erinnerungen hervorzurufen.
Auf ihrer Reise begegnen sie Menschen, die eine ebenfalls tragische Liebesgeschichte zu erzählen haben. Der
Yakuza-Boss Hiro (Tatsuya Mihashi) erinnert sich an eine alte Liebe, die ihm versprochen hatte jeden Samstag auf ihn
im Park zu warten. Zu seiner Überraschung muss Hiro bei einem Parkbesuch feststellen, dass Ryoko (Chieko Matsubara)
nach Jahrzenten, die vergangen sind immer noch ihr versprechen hält. Doch Hiro hat heutzutage Feinde, die nach seinem
Leben trachten, und so bleibt diese Liebe eine leere Hoffnung.
Außerdem ist da noch Nukui (Tsutomu Takeshige), der das Pop-Idol Haruna Yamaguchi (Kyoko Fukada) vergöttert, die eines
Tages in einen Autounfall verwickelt wird, bei dem sie ein Auge verliert. Um seine Angebetete trotzdem treffen zu
können bringt Nukui ein großes Opfer...
Kritik: Viele sehen Takeshi Kitano als einen der besten Regisseure Japans. Fakt ist auf jeden Fall, dass
Kitano seinen ganz eigenen wiedererkennbaren Stil hat. Lange Momentaufnahmen mit etlichen Close-ups, eine statische
Kameraführung und minimalistische Dialoge gehören zu seinem Standardrepertoire. Das ist in "Dolls" nicht anders.
Allerdings unterscheidet sich dieses Drama stark von seinen anderen Werken wie "Hana-Bi" oder "Brother" darin, dass
es hier so gut wie keine plötzlichen Kitano-typischen Gewaltausbrüche gibt. Abgesehen von einer kleinen Nebenstory
um einen Yakuza-Boss verzichtet seine Geschichte auch darauf seinen Fokus wie sonst auf die japanische Mafia
zu legen. "Dolls" ist in dieser Hinsicht ein besonderer Film Kitanos, der tragische Liebe, Schuld und
Wiedergutmachung als zentrale Themen beinhaltet.
Leider muss sich das Drama aber oft den typischen Regie-technischen Schwächen Kitanos geschlagen geben, die hier
besonders stark zum Vorschein kommen.
"Dolls" versucht, und stellenweise gelingt es ihm auch, ein etwas anderer Film zu sein, als das was wir von Kitano
schon kennen. Worüber man aber einfach nicht mehr hinwegsehen kann ist die Art wie Kitano seine Charaktere vorstellt und
Regie führt. Immer wieder haben wir Personen, die in plötzlichen Nahaufnahmen in die Kamera starren, wobei sich
Kitano alle Zeit der Welt nimmt um diese Personen auf diese Art vorzustellen. Abwechslung bieten dann immer wieder
lange Aufnahmen aus der Entfernung, die eine gewisse Distanz zum Geschehen schaffen. Kitanos ruhige und statische
Art des Filmdrehens wird mittlerweile einfach zu langweilig, da er sich augenscheinlich nichts Neues einfallen lassen will.
Hier treibt er es dann allerdings auf die Spitze, denn da er nicht nur für die Regie und das Drehbuch, sondern auch
für das Editing verantwortlich war, hatte er komplette künstlerische Freiheit. Das drückt sich dann in scheinbar
endlosen Momentaufnahmen aus, die schon bald richtig ermüdend werden. Man sucht zwar unweigerlich nach versteckten
Symbolen oder einer Bedeutung in den Bildern, aber was die Bedeutung angeht, so wird man kaum fündig werden. Die
Symbole, die Kitano verwendet sind relativ offensichtlich in seinen Film eingearbeitet, was allerdings nicht
bedeutet, dass sie leicht zu deuten wären.
Das wirklich einschläfernde Tempo stellt damit die größte Schwäche von "Dolls" dar. Kitano scheint sehr auf die
Atmosphäre seines Film setzen zu wollen, und diese ist auch wirklich sehr gelungen. Er macht es einem aber ehrlich
schwer nicht einzuschlafen. Ich bin mittlerweile fast schon ein Freund von gemächlichen Dramen, aber Kitano
überstrapaziert hier eindeutig die Geduld des Zuschauers. Da ich kein Kaffee-Trinker bin, musste ich mich mit viel
koffeinhaltiger Cola über Wasser halten um den Film vollständig bis zum Schluss, ohne ein Einnicken, überstehen zu
können. Für den Blutzuckerspiegel kann sowas auf Dauer bestimmt nicht gut sein...
Überdies sieht "Dolls" oftmals zu stark nach überstilisierter Kunst aus. Wir bekommen hier etliche Symbole
präsentiert, die es zu deuten gilt, was allerdings mangels Hilfsmittel oder Denkanstößen in die richtige Richtung
wirklich schwer ist. Besonders die Traumsequenz von Sawako, eine künstlerische Spielerei, derer sich Kitano oft
bedient, ist voll von versteckter Bedeutung, mutet aber eben auch einfach nur befremdlich an. "Dolls" ist vollgepackt
mit bedeutungsschwangeren Symbolen, diese zu entschlüsseln ist aber manchmal so schwer, dass man sich fragt, ob
Kitano sich tatsächlich etwas bei diesen gedacht hat, oder sie einfach der Kunst halber in sein Werk eingearbeitet hat.
Oder aber der Verfasser dieser Zeilen ist einfach nicht hinreichend geistig ausgerüstet...
Mit einem sehr, sehr gemächlichen Tempo begleiten wir Matsumoto und Sawako auf ihrer ziellosen Reise um an deren Ende
vielleicht die Erinnerung und die Liebe wiederzufinden. Obwohl Takeshi Kitano es wirklich versucht, wird ihm aber
anscheinend irgendwann bewusst, dass er den Film nicht nur mit den beiden Hauptprotagonisten füllen kann, wie sie mit
einem roten Seil aneinandergekettet durch die verschiedensten Landschaften taumeln.
Deshalb baut Kitano noch zwei andere Geschichten ein, die von extremer Liebe handeln. Hier liegt dann auch das
Problem, denn diese zwei Geschichten verbindet abgesehen vom tragischen Liebesmotiv nichts mit der Hauptstory. Kein
Wunder also, dass sie sich etwas unzusammenhängend in den Film hineingeworfen anfühlen.
Ebenfalls enttäuschend sind die schauspielerischen Leistungen der Darsteller. Zu hölzern und kühl wirkt ihr
Schauspiel. Nur Miho Kanno kann ihrem Charakter manchmal eine subtile, tragische Dramatik verleihen. Tatsuya Mihashi
dagegen ist der Einzige, der es schafft seinem Charakter etwas ähnliches wie Tiefe zu verleihen.
Es gibt aber natürlich auch einige positive Seiten. Besonders die Cinematographie in der zweiten Hälfte besticht
durch fantastisch satte Farben, die den Wanderungen der beiden Hauptdarsteller durch die unterschiedlich
jahreszeitlich geprägten Naturschauplätze eine unleugbare Romantik und Schönheit verleiht. Rot scheint hier
als Farbe ein Hauptmotiv für Leben, Liebe und Tod darzustellen. Cinematograph Katsumi Yanagishima, der auch schon
für die Bilder in etlichen anderen Kitano-Werken verantwortlich ist, leistet hier traumhafte arbeitet und sorgt
zusammen mit dem immer mal wieder einsetzendem atmosphärischen Soundtrack von Joe Hisaishi dafür, dass die
eintönigen und ermüdenden Wanderungen der Hauptdarsteller schließlich doch sehr angenehm und versöhnlich wirken.
Das Ende ist an sich allerdings dann doch irgendwie vorhersehbar. Besonders, dass der Kunstgriff mit dem Seil um
Sawako und Matsumoto noch eine makabere Rolle spielen soll, war für mich schon vorher ersichtlich. Woraufhin das Ende
hinsteuert hat überdies schon das Bunraku Puppenspiel in der Einleitung hingedeutet.
Wirklich enttäuschend an "Dolls" sind die Charaktere, die allesamt kaum ausgearbeitet wirken und trotz etlicher
schön eingearbeiteter Flashbacks, von denen der Film voll ist, keine Tiefe bekommen. Das sorgt dafür, dass wir uns
emotional nicht eingebunden fühlen und uns das Schicksal der Protagonisten egal bleibt.
Es bleibt Takeshi Kitano hoch anzurechnen, dass er hier fast komplett auf die für ihn typische Gewalt verzichtet und
immer dann, wenn es eben doch zu dieser kommt, diese einfach ausblendet. "Dolls" ist mit Sicherheit ein Drama, das
uns die weichere Seite Kitanos zeigt, doch es versagt bei den Charakteren und mit dem einschläfernden Tempo. Darüber
hinaus fühlt sich der Film oft zu sehr wie ein überstilisiertes Kunstwerk an.
Wenn man dieses Review so liest könnte man meinen, dass "Dolls" ein schlechter Film ist, oder dass es sich beim
Verfasser sogar um einen Kitano-Hasser handelt. Keines von beidem ist der Fall. Ich respektiere Kitano für seine
Arbeit, würde mir aber bloß wünschen, dass er bei seiner Regie vielleicht auch mal eine leicht andere Richtung
einschlagen würde. "Dolls" mag zwar mit seiner schönen Cinematographie punkten und stellenweise können einen die
bedeutungschwangeren Bilder, wenn man über sie reflektiert, auch tatsächlich berühren, doch das ermüdende Tempo,
eine zu episodenhaft wirkende Story und unausgearbeitete Charaktere machen dies zu einem der schlechteren Filme
Kitanos.