Story: Jeden Sonntag sitzen die drei Geschwister Jia-Chien (Wu Chien-Lien), die bei einer Fluggesellschaft
arbeitet, Jia-Jen (Yang Kuei-Mei), eine Lehrerin, und Jia-Ning (Wang Yu-Wen), die noch das College besucht, bei
ihrem Vater Chu (Lung Sihung) am Esstisch und führen dort mehr oder weniger das Familienleben. Außer an diesem Tag
haben die vier nicht viel miteinander zu tun, doch sogar der Sonntag ist in letzter Zeit von einer kühlen Atmosphäre
geprägt und dient nur noch dazu wichtige Ankündigungen zu machen.
Chu ist ein begabter Küchenchef, der allerdings mit der Zeit immer mehr seinen Geschmackssinn verliert. Seine Frau
ist vor 16 Jahren gestorben und seitdem hat er seine Töchter alleine aufgezogen. Mittlerweile ist aber nicht mehr
klar, ob er sich noch um sie kümmert oder diese um ihn.
Jia-Jen, seine älteste Tochter, fühlt sich besonders stark für ihren Vater verantwortlich, weshalb sie große Opfer
gebracht hat und bis heute noch keinen Freund hat. Aber auch die anderen beiden Schwestern suchen noch nach der wahren
Liebe. Jia-Ning verliebt sich in den (Ex-)Freund ihrer besten Freundin, und Jia-Chien ist so beschäftigt mit ihrer
Arbeit, dass ihr keine Zeit für eine richtige Beziehung bleibt. Doch der Tag an dem Chus Töchter ausziehen werden
rückt immer näher, und so wird Chu wohl bald alleine leben müssen. Oder wird er vielleicht die geschwätzige
Mrs. Liang (Gua Ah Lei) als Frau nehmen?
Kritik: Bevor Taiwans Vorzeigeregisseur Ang Lee mit seinem Werk "Tiger and Dragon" internationalen Erfolg
feierte, war er unter Kritikern auch außerhalb seiner Heimat besonders für seine Familiendramen über Liebe,
Verpflichtungen und die Wirrungen des Lebens bekannt. "Eat Drink Man Woman" ist sein bekanntestes Werk, und das nicht
zu Unrecht. Der Film stellt die Suche nach dem Rezept der Liebe dar und bietet dabei so viel Einsicht in die
taiwanesische Kultur, wie es die letzten 5 taiwanesischen Filme, die ich zuvor gesehen habe, zusammengenommen nicht
geschafft haben. Von der Suche nach Liebe abgesehen, der jeder der Protagonisten auf seine eigene Art und Weise nachgeht,
stellt der Film aber auch das Essen in den Vordergrund. Dieses steht dann aber auch oft metaphorisch für die Liebe und
so ist es auch nicht ohne Grund, dass Chu mit der Zeit seinen Geschmackssinn verliert.
Wenn man sich die Plot-Zusammenfassung durchliest hat man das Gefühl, dass einen hier eine waschechte Soap-Opera
in Spielfilm-Länge erwartet. Das ist aber zum Glück nicht der Fall, da die Schauspieler alle großartige Arbeit leisten und
ihre Emotionen immer glaubhaft und ohne übertriebenes Schauspiel auf den Bildschirm bringen. Natürlich gibt es hier und
da plötzliche Enthüllungen, die allzu unerwartet kommen und somit tatsächlich an ein TV-Drama erinnern, aber die sehr
schöne Regie Lees und die Glaubwürdigkeit, mit der er uns in das Leben dieser Individuen einführt sucht seinesgleichen.
Der Film und die Story leben von ihren Charakteren und wenn diese nicht so vielschichtig und drei-dimensional wirken
würden, wie es hier der Fall ist, hätte "Eat Drink Man Woman" ganz leicht ein uninteressantes Drama werden können, in
dem so gut wie nichts passiert. Glücklicherweise fiebern wir aber immer mit den Personen mit, so dass trotz des
langsamen Tempos immer eine gewisse Spannung spürbar ist, die durch das Schauspiel und die Emotionen der Darsteller
getragen wird.
Das Gefüge, das hier eine Familie darstellt ist irgendwie nur allzu vertraut. Jeder wird in der einen oder anderen
Person Charaktereigenschaften eines Verwandten wiederfinden, weshalb es so leicht ist sich mit den Personen zu
identifizieren. Jia-Chien ist die seriöse Geschäftsfrau, die keine Zeit für ihre Familie hat und dieser auch so
schnell wie möglich entfliehen will. Ihr Verhältnis zu ihrem Vater Chu ist das schwierigste der Geschwister, da sie
als Kind selbst gerne Koch werden wollte, ihr Vater ihr dies trotz ihres Talents aber verboten hat. Natürlich wollte
er für seine Tochter nur ein besseres Leben als das seine und hat sie deswegen an die Uni geschickt, doch ihrer
Beziehung zum Vater hat das nicht gut getan. Wenn auch nur minimal, so steht ihre Geschichte am ehesten im
Vordergrund.
Jia-Jen fühlt sich als älteste Tochter für die Familie und ihren Vater verantwortlich, weshalb sie für ihre Geschwister
mehr eine Mutter als eine Schwester darstellt. Ihr kühler Charakter taut jedoch endlich auf als sie an der Schule
den neuen Volleyball-Lehrer kennenlernt. Ihre Flucht zum christlichen Glauben hatte ihr bisher immer die Kraft
gegeben weiterzumachen, aber nun scheint sie endlich bereit zu sein die Verantwortung, die sie sich selbst auferlegt hat
abzulegen.
Einzig Jia-Ning, die jüngste Tochter kommt etwas zu kurz. Sie hat zwar eine nette Geschichte mit dem Ex-Freund ihrer
Freundin, leider hat sie aber zu wenig mit den anderen Familienmitgliedern zu tun und bekommt auch nur wenig Zeit
auf dem Bildschirm zugesprochen.
Der Film bietet aber noch etliche andere lebhafte und farbenfrohe Charaktere. Da wäre z.B. Mrs. Liang, die anscheinend
kein Punkt und kein Komma findet, wenn sie erstmal am Reden ist (und wir kennen doch alle jemanden in unserer Familie,
der genau in dieses Bild passt) oder Jin-Rong, welche übrigens von Regisseurin/Schauspielerin
Sylvia Chang gespielt wird, die eine kleine Tochter hat, zu dem Chu ein Vater-Tochter-Verhältnis aufbaut. Selbst die
diversen Männer von Jia-Chien wirken alle wie aus dem wahren Leben gegriffen.
Natürlich bietet der Film nur ein gemächliches Tempo, wird aber dank der vielen emotionalen Szenen, bei denen man
glücklicherweise niemals übertreibt, und dem Fakt, dass das Leben der Protagonisten immer im Wandel ist, niemals
langweilig. Was uns "Eat Drink Man Woman" auf jeden Fall veranschaulicht ist, dass man nie weiß was das Leben
für einen bereithält.
Die schönen Bilder von Ang Lee lassen klar erkennen, dass wir hier kein typisches Drama haben. Lee weiß, worauf er
zu achten hat und gerade die Anfangssequenz bei der wir Chu beim Kochen beobachten ist voll von Filmmagie. Lee macht
außerdem nie den Fehler die Kameraführung allzu starr zu akzentuieren, sondern haucht seinem Film gerade durch einige
sehr schöne und dynamische Kamerafahrten Leben ein.
"Eat Drink Man Woman" arbeitet viel mit der Atmosphäre und diese wirkt niemals so depressiv, wie man es von anderen
Dramen kennt. Tatsächlich bietet der Film erstaunlich viele humoristische Szenen, was uns eben wieder zeigt, dass das
Leben ein sehr vielfältiges Gericht ist. Einige der "Twists" wirken zwar etwas hastig, doch die Beziehung zwischen
Chu und seinen Töchtern bleibt immer nachvollziehbar, komplex und ehrlich.
Ang Lee hat hier ein sehr erfrischendes Familiendrama geschaffen, das eindeutig zeigt warum er einer der ganzen
Großen ist. "Eat Drink Man Woman" ist ein Mitschnitt aus dem wahren Leben, und ist deshalb mitnehmend
und rührend ohne zu depressiv zu wirken. Bei einem guten Rezept kommt es auf die richtige Mischung der Zutaten an, und
das scheint Ang Lee zu wissen.