Story: Während einer Autofahrt streitet sich Eun-soo (Cheon Jeong-myeong) mit seiner Freundin am Telefon.
Er verliert die Kontrolle über seinen Wagen, so dass dieser sich mehrfach überschlägt. Als Eun-soo wieder zu sich
kommt wandert er desorientiert durch einen Wald auf der Suche nach Hilfe, da sein Handy keinen Empfang mehr hat.
Er trifft das Mädchen Young-hee (Sim Eun-kyung), die ihn zu ihrem Haus tief im Wald führt. Dort trifft er
auch die Eltern des Kindes und ihre zwei Geschwister. Allerdings scheint irgendetwas nicht mit der Familie und dem
Haus zu stimmen. Die farbenfrohe Einrichtung, die immer glücklich scheinende Familie und der Fakt, dass das Telefon
im Haus nicht funktioniert, stimmen Eun-soo misstrauisch. Gezwungenermaßen muss er an diesem Ort übernachten, doch
es soll nicht die einzige Nacht dort sein, da er trotz Wegbeschreibung nicht aus dem Wald herausfindet und immer wieder
bei dem märchenhaften Haus ankommt. Schließlich wacht Eun-soo eines Tages auf und findet einen Brief der Eltern, in dem
steht, dass er sich für ein paar Tage um die Kinder kümmern soll. Sind die Eltern aber wirklich einfach gegangen,
oder ist etwas anderes mit ihnen passiert? Die Kinder benehmen sich nämlich recht merkwürdig und so macht sich Eun-soo
daran ein schreckliches Geheimnis zu lüften...
Kritik: Märchen sind für viele das, was man kleinen Kindern als Gute-Nacht-Geschichte vorliest. Bonbunte Welten,
in denen am Ende für den Protagonisten immer ein Happy End vorgesehen ist. Kein Wunder also, dass sich Verfilmungen
bekannter Märchen immer ein wenig wie Filme für Kinder anfühlen. Wer allerdings einmal die ursprünglichen Versionen
der Brüder-Grimm Märchen gelesen hat, weiß, dass diese äußerst düster und nihilistisch sein können. Traurigerweise
gibt es nur wenige Filme, die sich daran versucht haben den wahren Kern dieser Geschichten auf den Bildschirm zu
bringen. Das dies aber funktioniert hat Guillermo del Toro jedoch mit seinem "Pan's Labyrinth" recht eindrucksvoll bewiesen.
"Hansel and Gretel" geht in eine ähnliche Richtung, ist aber viel bunter, dabei visuell jedoch mindestens genauso
ansprechend. Die beeindruckenden Bilder sind alleine schon Grund genug sich Lim Pil-Sungs zweiten Film nach "Antarctic
Journal" anzusehen. Die Geschichte selbst mag nicht sonderlich innovativ oder packend sein, dafür schafft es Lim aber
den Zuschauer mit seinen Bildern und der dichten Atmosphäre zu fesseln.
Schon die ersten Bilder im Wald, als Eun-soo das Mädchen Young-hee trifft, geben einen guten Überblick darüber, was wir
kinematographisch zu erwarten haben. Young-hees Laterne taucht den dichten und verträumten Wald in ein warmes Licht,
das sowohl ein angenehmes Wohlbehagen als auch ein leicht bedrückendes Gefühl hervorruft. Als wir dann das
Haus mitten im Wald auf einer grünen Lichtung sehen, glauben wir uns tatsächlich in einem Märchen zu befinden.
Doch hier hört die umwerfende Optik noch lange nicht auf. Im Haus ist alles in unwahrscheinlich helle und starke
Farben getaucht, als wenn man ein Kinderparadies betreten würde. Zum Frühstück gibt es kleine Küchelchen oder Kekse,
und die Kinder laufen in derart niedlichen Kleidern rum, das man den Eindruck bekommt man würde einen Einblick in
das perfekte, aber künstliche Leben einer Familie bekommen, wie es sie nicht geben kann. Aber warum ist
hier alles so bunt und friedlich? Natürlich handelt es sich um einen Frieden, dem man nicht trauen darf, und die ganzen
Farben sollen nur all das Dunkle verschleiern, das ganz offensichtlich unter der Oberfläche schlummert.
Es ist unmöglich oft genug zu betonen, wie sehr man in "Hansel und Gretel" auf Details geachtet hat. Nichts wird hier
dem Zufall überlassen und jedes Set sieht so aus, als wenn man monatelang daran gearbeitet hätte. Wenn man liest, wer
alles an dem Film mitgewirkt hat, verwundert das auch nicht. Kim Ji-yong, der schon an "A Bittersweet Life" gearbeitet
hat, ist für die Kinematografie verantwortlich und schafft zusammen mit Produktionsdesigner Ryu Seong-hie ("Oldboy",
"The Host", "Memories of Murder") wahrlich Erstaunliches. Auch die visuellen Effekte sind sehr überzeugend. Des
Weiteren gibt es einige Kameraeinstellungen und -bewegungen, die die technische Rafinesse und Überlegenheit des Films
noch deutlicher unterstreichen.
Eine düstere Dachstube, die sich in ein Labyrinth verwandelt, eine Tür mitten auf einer Lichtung im Wald, was auch
immer man anführen will, die Mühe, die in "Hansel und Gretel" steckt ist in jedem Bild ersichtlich. Und sie hat sich
gelohnt, denn die Atmosphäre des Films erweist sich als eine ungemein große Stärke.
Diese Stärke ist aber auch leider notwendig, denn storytechnisch hat der Film nicht sehr viel zu bieten. Sicherlich
ist die Geschichte des Films nicht schlecht, aber man hat sie auf die eine oder andere Weise so schon in vielen anderen
Horrorfilmen gesehen. Dass es um Kindesmisshandlung und sogar eine pseudo-religiöse Sekte geht, mag zwar dem Film ein wenig
mehr Tiefe geben, zumal so die Moral oder Botschaft, die ja schließlich jedes Märchen übermitteln muss, besser zum
Tragen kommt, aber die Geschichte steht doch immer zu stark im Hintergrund und erweist sich als zu mittelmäßig,
als dass der Zuschauer wirklich von ihr gefangen genommen werden könnte. Dazu kommt noch, dass sich das Ende unnötig
hinzieht und trotz der Emotionen, die es im Publikum hervorrufen kann, doch irgendwie einen zu faden Beigeschmack hat.
Unglücklicherweise kann gerade Hauptdarsteller Cheon Jeong-myeong ("Les Formidables") nicht wirklich überzeugen. Der
Zuschauer sieht den Film mehr oder weniger durch seine Augen, eine wirkliche Persönlichkeit hat er allerdings nicht.
Ein typisches Problem des Horrorfilms.
Wichtig ist aber zu betonen, dass "Hansel and Gretel" im eigentlichen Sinn kein Horrorfilm ist. Es handelt sich
vielmehr um einen Fantasy-Thriller mit etwas Drama. Nicht einen richtigen Schreckmoment gibt es, nur ein paar Szenen, die
versuchen die Spannung weiter aufzubauen. Worum es eigentlich im Film geht, sind Kinder, die an der Schwelle zum Erwachsenwerden
stehen und in dieser schwierigen Phase der Veränderung von Erwachsenen enttäuscht oder misshandelt werden. Es ist das
Verhältnis, dass Kinder zu Erwachsenen haben, das hier im Vordergrund steht. Die Jungdarsteller sind dabei ganz klar
die Stars des Films, gerade wegen ihrer überragenden Leistungen. Sim Eun-kyeong ("The Legend" aka "The Four Gods")
beeindruckt als anmutiges und unschuldiges Mädchen, das jedoch eine dunkle Vergangenheit erahnen lässt, und Jin Ji-hee
kann als süßes, aber doch irgendwie manchmal gefährlich wirkendes Mädchens überzeugen. Es ist immer wieder erstaunlich
zu sehen wie viele talentierte Jungdarsteller Korea zu bieten hat.
"Hansel and Gretel" ist ein Film, der storytechnisch nichts Außergewöhnliches ist und leider auch auf ein paar anderen Gebieten
enttäuscht. Das alles verblasst aber gegen die atemberaubenden Bilder und die dichte Atmosphäre. Wenn man bereit ist
sich von dieser gefangennehmen zu lassen, dann wird man von Lims Werk mehr als ausreichend belohnt werden. Alle
anderen sollten einfach nur die Bilder genießen.