Story: Juri (Riko Narumi) ist in ihrer Klasse weder sonderlich beliebt noch verhasst. Während sie froh ist
nicht die Rolle desjenigen innezuhaben, der den ganzen Tag von den Mitschülern schikaniert wird, wünscht sie sich dennoch so
beliebt zu sein wie Hanada (Atsuko Maeda). Nachdem Juri allerdings nach einwöchiger Abwesenheit vom Unterricht in
die Klasse zurückkommt, muss sie feststellen, dass Hanada plötzlich von ihren Mitschülern tyrannisiert wird.
Für Juri ist das Leben auch nicht einfach. Sie wird nicht von der Schule angenommen, auf die ihre Eltern sie gerne
geschickt hätten, und außerdem streiten sich ihre Mutter und ihr Vater ständig. Schließlich lassen sich die beiden
Elternteile voneinander scheiden und Juri lebt fortan bei ihrer Mutter.
Es vergehen zwei Jahre bis Juri plötzlich wieder von Hanada hört. Diese soll an ihrer neuen Schule immer noch
schikaniert werden, und so schickt Juri ihr eine e-mail, in der sie sich als Freundin vorstellt. Hanada weiß nicht
was das Ganze soll und kann sich augenscheinlich auch nicht mehr an Juri erinnern, aber die Tipps von ihrer unerwarteten
Freundin erweisen sich als nützlich, und so kann Hanada einen gewissen Beliebtheitsgrad an ihrer neuen Schule aufbauen.
Allerdings scheinen Juri und Hanada das gleiche Problem zu haben: Sie setzen sich Masken auf und spielen Rollen, ohne
eigentlich zu wissen wer sie wirklich sind.
Kritik: Wenn man einen Film über Selbstfindung drehen will, dann läuft man leicht Gefahr, den Zuschauer mit
zu aufgesetzter Moralapostel-Verpackung zu langweilen. In "How to Become Myself" sieht das zum Glück anders aus,
da das Drama hier auf wesentlich subtilerer und ehrlicherer Ebene arbeitet, als wir es gewohnt sind. Das hat allerdings
auch ein paar Nachteile, denn so beweist sich der Film nicht wirklich als ein Unterhaltungswerk, sondern als ein tiefgreifendes
Drama, dem es an einem ansprechenden Tempo mangelt. Wer jedoch darüber hinwegsehen kann, der wird feststellen, dass
die Charaktere sehr glaubwürdig geworden sind, was nicht nur an der Romanvorlage des Films von Kaori Mado liegt,
sondern auch an zwei hervorragenden Darstellerinnen. Selbst wenn für den einen oder anderen der Film etwas schleppend
wirken mag, so wird man am Ende doch auf die Art und Weise entlohnt wie man es nur selten wird. Das ehrliche und
dennoch rührende Ende zeigt uns, dass "How to Become Myself" etwas besitzt, dass nicht jeder Film von sich behaupten
kann zu haben: Filmmagie.
Die Geschichte mag sich zwar um zwei Jugendliche drehen, dennoch sind die hier behandelten Themen universell. Klar,
als Teenager ist man besonders darum bedacht herauszufinden wer man eigentlich wirklich ist und wohin man will, aber
dieses Problem haben auch noch viele Erwachsene - wenn nicht sogar die meisten...
Wer sind wir eigentlich, müssen wir uns jedesmal fragen, wenn wir mit der Familie, den Freunden oder Fremden zusammen
sind. Jedem von ihnen zeigen wir ein anderes Herz von uns. Heißt das dann, dass wir gegenüber verschiedenen Personen
verschiedene Rollen annehmen? Unserem Chef gegenüber verhalten wir uns doch ganz anders, als unserer Mutter gegenüber.
Gibt es also kein einheitliches "Ich", sondern verschiedene Masken, die wir aufsetzen, damit wir besser mit der
Realität klar kommen? Eine interessante Frage, die in "How to Become Myself" auf ruhige und nachvollziehbare Art
beleuchtet wird. Hanada lässt sich von ihrer Freundin Juri Tipps geben, wie sie in ihrer Klasse beliebt wird, und so
wird sie das schließlich auch. Kann sie aber damit glücklich werden? Sehen ihre Klassenkameraden wirklich die echte
Hanada oder nur ein Trugbild? Zeigen wir grundlegend jedem immer nur ein Trugbild?
Regisseur Jun Ichikawa ("Tony Takitani") beschränkt sich aber nicht darauf sich auf Hanada zu konzentrieren, sondern die
eigentliche Protagonistin ist Juri, die schließlich erkennen muss, dass die Ratschläge, die sie ihrer neuen Freundin
gibt, genau jene sind, nach denen sie auch selbst lebt bzw. leben will. So gibt sie vor ein glückliches Mädchen zu
sein, nur um ihre Eltern irgendwie zusammenhalten zu können. Und obwohl das nicht funktioniert fühlt sie sich weiterhin
besser dabei sich ihren Eltern gegenüber fröhlich zu zeigen, auch wenn sie im Herzen tatsächlich todunglücklich darüber
ist, dass sich ihre Eltern getrennt haben.
Der Film behandelt außerdem das fast schon typische Leben eines Teenagers. Wie Juri auch selbst immer sagt ist ihre
Familie eigentlich eine ganz gewöhnliche, mit all den dazugehörigen Problemen. Und Juri ist eine ganz normale
Schülerin, die weder sonderlich auffällt, noch Feinde in der Klasse hat. Diese "Normalität" bzw. "Durchschnittlichkeit"
ist es jedoch, die es für uns so einfach macht uns mit den porträtierten Charakteren zu identifizieren.
"How to Become Myself" behandelt außerdem das allseits beliebte Thema der Schikanierung in der Schule. Irgendein
Opfer muss es immer geben, und wie schnell sich dieses Opfer ändern kann sehen wir am Beispiel von Hanada ganz
deutlich. Atsuko Maeda liefert als das schüchterne und unsicher gewordene Kind eine gute Darstellung ab, so dass wir
ihr ohne weiteres abnehmen, dass sie ihren Weg aus den Augen verloren hat. Ihre kleine Liebesgeschichte ist ebenfalls
recht nett anzusehen, und beschreitet dabei zum Glück alles andere als kitschige Pfade.
Riko Narumi ("1 litre of tears") stellt das Herz des Films dar. Es ist erstaunlich wieviele Emotionen sie gerade
gegen Ende vermitteln kann. Der Film arbeitet auf mehreren Ebenen, was vom Zuschauer verlangt, dass er gut aufpasst,
dennoch bleibt die Geschichte dabei in der Form minimalistisch, als dass wir uns nur an die Protagonisten halten
müssen um mit diesen fühlen und ihre Probleme in unserem Herz verstehen zu können.
Jun Ichikawa arbeitet des Weiteren mit einigen schönen Filmtricks. So implementiert er oft Split-Screens, um ein und die
selbe Szene aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können, oder er lässt die diversen Textnachrichten in
bunten Bildern auf dem Bildschirm erscheinen. Das alles kennen wir zwar schon aus diversen koreanischen Romantikkomödien,
hier besitzen die Nachrichten aber eher tieferen Charakter, so dass sie einen oft auch ein wenig an die Textnachrichten
aus "All about Lily Chou-Chou" erinnern.
Letztendlich erweist sich "How to Become Myself" etwas träge, ist nicht wirklich das, was man einen Unterhaltungsfilm
nennen würde, schafft es aber dennoch dank der ernsten und subtil eingearbeiteten Thematik das Publikum anzusprechen.
Wie gut dem Film das tatsächlich gelingt, wird uns vor allem am Ende bewusst, wenn wir mit einem zufriedenen Lächeln,
ein paar Antworten mehr und der Gewissheit, dass wir selbst noch weiter nach diesen suchen müssen, zurückgelassen
werden.