Story: Kim Soo-hyeon (Lee Byung-hun) arbeitet für den Geheimdienst und erfährt, dass seine Freundin grausam ermordet wurde. Als gebrochener Mann
ist er nun nur noch auf Rache aus. Mit Hilfe des Vaters seiner verstorbenen Freundin kann Soo-hyeon ein paar Verdächtige ausfindig machen. Seine Methoden
sind nicht legal, aber er bekommt schließlich die Informationen, die er sucht und kann den Mörder seiner Freundin, Jang Gyeong-cheol (Choi Min-sik),
konfrontieren. Soo-hyeon reicht es jedoch nicht, ihn der Polizei zu übergeben, er will Rache. Nachdem er seiner ersten Wut Luft verschafft hat, lässt
er den Serienkiller Gyeong-cheol wieder gehen, allerdings nicht, ohne ihn vorher einen GPS-Sender schlucken zu lassen. Soo-hyeon folgt dem Killer
auf Schritt und Tritt und vollübt stückchenweise seine Rache. Allerdings setzt er den Killer immer wieder auf freien Fuß. Soo-hyeons Rachespiel
erweckt letztendlich das Interesse von Gyeong-cheol, der sich entschließt, dass Spiel wieder nach seinen Regeln laufen zu lassen. Eine tödliche
Jagd entbrennt zwischen den beiden, die Soo-hyeon in die Abgründe der menschlichen Psyche führt.
Kritik: "I saw the Devil" hat schon vor seinem Erscheinen Wellen geschlagen. Die hohe explizite Gewaltdarstellung hat einige koreanische
Kritiker vor Empörung aufschreien lassen, aber bei dem Regisseur des Films handelt es sich nicht einfach um irgendjemanden, sondern um Kim Ji-woon, ein
Mann, der sich von den meisten Kritikern großen Respekt verdient hat. Sei es im Horror-Genre mit seinem "A Tale of Two Sister", seinem Action-Thriller
"A Bittersweet Life" oder seinem Western (!) "The Good, the Bad and the Weird", Kim Ji-woon hat sich einen Namen gemacht und zeigt durchgehend, dass
er in jedem Genre einen außergewöhnlichen Film auf die Beine stellen kann, der die Messlatte noch einmal etwas höher für die Konkurrenz legt. Während Regisseure
wie Park Chan-wook nach ihren Meisterwerken "Oldboy" etc. mehr oder weniger nur noch enttäuschten, lässt sich Kim nicht beirren, behält seinen
speziellen, aber abwechslungsreichen Stil bei und schafft Filme, die faszinieren, verstören, unterhalten und vor allem in Erinnerung bleiben können.
"I saw the Devil" ist in der Erfolgsgeschichte des Regisseurs alles andere als ein Rückschritt und unterstreicht einmal mehr, dass Kim Ji-woon die
aktuelle Nummer 1 der koreanischen Filmemacher ist.
Die Story des Films hört sich nicht unbedingt originell an. Ja, für fühlen uns stark an Park Chan-wooks Rache-Trilogie erinnert, wobei speziell die
explizite Gewaltdarstellung und der Umstand, dass Choi Min-sik erneut einen kranken Serienmörder spielt, auf "Sympathy for Lady Vengeance" verweist.
Allerdings schafft es Kim wie schon in seinen vorigen Filmen, seinem Werk eine tiefsinnige Note zu verleihen, so etwas wie einen ruhigen Ton, der
durchgehend mitschwingt und zum Nachdenken anregt. Inwieweit zerstört Rache einen Menschen, wo verläuft die dünne Linie zwischen Gut und Böse, ab wann
wird man zum Monster und unter welchen Umständen ist der Zuschauer bereit Sympathien für den Protagonisten zu empfinden? Anscheinend unter gar nicht
wenigen. Tatsächlich ist es sogar so, dass das Ende etwas zu plötzlich kommt. Als Zuschauer hat man viel sadistischere Vorstellungen von dem, was
passieren sollte. Das ist besonders erschreckend und so ist die Frage berechtigt, ob uns Kim Ji-woon letztlich sogar in dieses Dilemma
bringen wollte? Und wie hat er das geschafft? Hat er uns mit der erschreckend ausführlichen Gewaltdarstellungen abstumpfen und dorthin führen wollen?
Am Ende wird klar, dass die Grenze zum Monster ebenfalls nicht leicht zu ziehen ist, gerade weil wir Soo-hyeon nicht als solches sehen, und das obwohl es
unter ganz objektiver Betrachtungsweise eigentlich sogar angebracht wäre.
Soo-hyeon ist nicht irgendjemand. Er ist ein sehr gut ausgebildeter Agent und so ist es eine Freude zu sehen, wie die Monster des Films in einem
direkten Kampf mit ihm überhaupt keine Chance haben. Dabei können wir jederzeit mit Soo-hyeon mitfiebern. Grund dafür ist, dass wir sein Leid nur allzu gut
nachvollziehen können und dass er einige
Personen direkt vor Gyeong-cheols Übergriffen retten kann. Andere wiederum kommen erst dadurch in Gefahr, dass er den Mörder nicht sofort bei der ersten
Gelegenheit niederstreckt, sondern seine Rache auskosten will. Ob diese Form der Selbstjustiz moralisch verwerflich ist oder nicht, ist aber
keine Frage, die der Film direkt aufwirft. Überhaupt funktioniert "I saw the Devil" deswegen so gut, weil er keine offensichtlichen Fragen in den Raum
stellt, sondern diese nur auf subtiler Ebene anklingen lässt.
Regisseur Kims Darstellerliebling Lee Byung-hun gibt ein ebenso überzeugendes Porträt ab wie Choi Min-sik. Allerdings darf kritisiert werden, dass
die beiden Charaktere den ganzen Film über erstaunlich zweidimensional bleiben. Wir wissen kaum etwas über ihre Persönlichkeiten oder ihr Leben und
sie entwickeln sich im Rahmen des Films auch in keinster Weise. Es ist sogar verwunderlich wie wenig dieser Umstand dem Film effektiv schadet.
Seine Stärke zieht "I saw the Devil" aus der Atmosphäre, die Kim Ji-woon so unnachahmlich kreiert. Die düstere und brutale Welt, die Kim zeichnet
wird auch immer wieder durch ein paar dezente komische Momente aufgebrochen, z.B. als Gyeong-cheol von einem Taxifahrer mitgenommen wird, der selbst
ein Räuber und Mörder ist. Die Welt, in der der Film spielt, ist voller Monster und die blutigen Gewaltausbrüche dieser können extrem verstörend sein.
Regisseur Kim macht vor nichts Halt. Ob in erschreckend realistischen Bildern Stahlrohre auf Schädel treffen, ein kleines Messer wahre Blutfontänen
hervorbringt oder zerstückelte Leichen auf dem Bildschirm zu sehen sind, als Zuschauer bekommt man oft ein mulmiges Gefühl im Magen. Und auch wenn
der Thriller keineswegs darauf aus ist, sein Publikum durch solche Gewaltszenen anzulocken, sondern diese in den Dienst seiner Geschichte und
Atmosphäre stellt, ist "I saw the Devil" auf keinen Fall etwas für zarte Gemüter! Wie sehr Kim mit dieser unzensierten Bilddarstellung arbeitet,
es gibt übrigens auch ein paar kleinere Sexszenen als Gegengewicht, zeigt
sich vielleicht noch am deutlichsten in einer eher unscheinbaren Szene. Als Gyeong-cheol nämlich etwas in seinem Kot sucht, verstößt Regisseur Kim
gegen eine goldene Filmregel und zeigt tatsächlich, wie der Killer in der Toilette wühlt...
Neben der atemraubenden Gewalt besticht "I saw the Devil" aber vor allem durch seine grandiose Regie. Manchmal fängt Kim seine Bilder mit leicht
verwackelter Kamera ein, an anderer Stelle springt die Kamera mit Soo-hyeon durch ein Fenster und wieder andernorts gibt es ruhige Standaufnahmen.
In jedem Fall ist aber Kim Ji-woons besonderer Stil zu erkennen. Dieser zeigt sich auch in ein paar wunderschönen Sets. Da wäre das
Gewächshaus, oder auch das Haus von Gyeong-cheols Freund, das mit seinen ausgefallenen Tapetenmustern und holzverkleideten Fluren an "A Tale of Two Sisters" oder
eben direkt an ein düsteres Märchen erinnert. Zu der dichten Atmosphäre trägt noch ein schöner Soundtrack bei, sodass die etwas zu lang geratenen
155 Minuten kaum negativ auffallen.
"I saw the Devil" ist packend und hypnotisierend. Das Level an Brutalität lässt den Zuschauer mehrfach unkontrolliert
aufstöhnen, steht aber im
Dienste des Films, sodass die von koreanischen Behörden geforderten Schnitte wahrscheinlich dem Film tatsächlich etwas von seiner heftigen
Durchschlagskraft genommen hätten. "I saw the Devil" schlägt als Thriller qualitativ "The Chaser" und reiht sich damit ziemlich nah hinter "Oldboy" ein.
Kim Ji-woon beweist mit diesem verstörenden Thriller, dass er einer altbekannten Rachegeschichte seine ganz eigene faszinierende Note verleihen
kann und dass er damit ein wirklich herausragender Regisseur ist. Beeindruckend!