Story: Ip Man (Donnie Yen) ist der am höchsten angesehene Kampfkünstler in Fo Shan. Er ist reich, aber bescheiden
und wird immer wieder von neuen Talenten herausgefordert, unter ihnen auch Jin (Louis Fan). Seine Frau (Xiong Dailin)
sieht das gar nicht gerne und sein Freund Zhou (Simon Yam) würde ihn lieber zu einem Geschäftsmann machen. Doch die
sorgenfreien Tage sind vorbei als Japan 1937 ins Land einmarschiert und Angst und Schrecken verbreitet. Ip Man muss
nun in armen Verhältnissen leben und geht sogar Kohle schleppen, um für seine Familie etwas zu Essen zu verdienen. Bei
dieser Gelegenheit trifft er den ehemaligen Polizisten Li (Gordon Lam) wieder, der nun als Übersetzer für den
japanischen General Miura (Hiroyuki Ikeuchi) arbeitet. Miura sucht nach fähigen Kampfkünstlern mit denen er sich
messen kann und nachdem einer von Ip Mans Freunden bei einem der Kämpfe ums Leben kommt und Zhou in seiner Baumwollfabrik k
Probleme mit den Japanern bekommt, nimmt Ip Man den Kampf gegen die japanische Besatzungsmacht auf...
Kritik: Ip Man... Wer ist das? Ein weiterer Volksheld Chinas? Ein zweiter Wong Fei-Hung? Die Fragen lassen sich
wahrscheinlich am leichtesten beantworten, wenn man weiß, dass Ip Man der Mann war, der einen nicht unbedeutenden
Schüler mit dem Namen Bruce Lee hatte. Ihn lehrte er die oft fälschlicherweise als Frauen-Kung-Fu verschrieene Kampfkunst
Wing Chun. Doch wer war dieser Mann? "Ip Man" ist ein Quasi-Biopic, der uns einen Einblick in das Leben dieses
Kampfkünstlers während der Nanjing-Dekade in den Dreißigern und dem folgenden Sino-Japanischen Krieg gibt. "Quasi"
deshalb, weil der Film einige wichtige historische Fakten außer Acht lässt und für die Dramaturgie des Films einfach
ein paar neue erfindet. Es muss also mit Vorsicht genossen werden, was wir hier zu sehen bekommen. Was Regisseur
Wilson Yip aber auf jeden Fall abliefert, ist ein kommerzieller, qualitativ gehobener und sehr unterhaltsamer
Martial-Arts Streifen, der Donnie Yen wieder einmal in Höchstform zeigt.
Die Parallelen zu "Fearless" sind in "Ip Man" nicht zu übersehen. Die China/Hong Kong Produktion umreißt ebenfalls das
Leben eines Mannes, der sich gegen die Japaner durchsetzt und den chinesischen Nationalstolz hochhält. Der ganze
Pathos mag dabei in "Ip Man" manchmal zu viel des Guten sein und die Japaner bekommen auch ordentlich ihr Fett ab,
aber man muss dabei natürlich auch in Betracht ziehen, dass die Chinesen durch den Einfall der Japaner dasselbe ertragen
mussten, was so viele Menschen durch die Nazis erleiden mussten. Der Nationalstolz der Chinesen rührt also vor allem
daher, dass sie zu der Zeit keinen hatten und stellenweise wie Tiere behandelt wurden. "Ip Man" kann sich natürlich
nicht die Zeit nehmen alle Hintergründe in ihrer Gänze zu präsentieren und so müssen wir uns mit einem bösen General,
sowie seinem noch schlimmeren Handlanger als Repräsentanten der bösen Japaner zufrieden geben.
Die erste halbe Stunde des Films ist recht heiter und zeigt uns das Leben Ip Mans in seinem großen Anwesen und die
gute Reputation, die er in Fo Shan, der Stadt der Kampfkünstler, genießt. Danach bricht allerdings der 2. Weltkrieg aus
und die Farben des Films werden grauer und düsterer. Die Stimmung passt sich dem natürlich an und wird dramatischer.
Ehemalige Kampfkunstmeister Kohle schleppen sehen zu müssen oder zu sehen wie diese sich vor einem General erniedrigen, um
einen Sack Reis zu bekommen, zeigen uns wie hart die Zeiten waren. General Miura ist dabei aber interessanterweise
kein typischer japanischer Bösewicht, diese Rolle erfüllt sein schießfreudiger Handlanger, stattdessen ist er jemand, der
sich für die Kampfkunst begeistert und dementsprechend auch ein gewisses Ehrgefühl besitzt. Außerdem gibt es noch
Louis Fan, der als Räuber eine weitere kleine Nebenrolle ausfüllen darf. Schließlich müssen ja irgendwo die Leute
herkommen, die Donnie Yen mit blitzschnellen Bewegungen auf den Boden schickt.
Das bringt uns dann zu den Kämpfen, die von niemand anderem als Sammo Hung choreographiert wurden und das wahre
Highlight des Films darstellen. Donnie Yen ist überdies jemand, der weiß wie man gut auf dem Bildschirm aussieht,
schließlich übt er seit Jahrzehnten nichts Anderes. Erstaunlicherweise nimmt er diesmal aber sein enormes Ego zurück
und versucht sich darin etwas bescheidener zu sein. Aber das alles ist auch gar nicht wirklich von Belang, wichtig sind
nur die Kämpfe und die sind umwerfend. Wing Chun ist eine faszinierende Kampfkunst mit ihren schnellen Schlägen, in
denen Angriff und Defensive zugleich stecken, und Donnie Yen kann vor allem die Schnelligkeit dieser Kunst auf
beeindruckende Weise zur Schau stellen. Dabei vereinen sich in den Kämpfen Eleganz und Brutalität auf eine wunderbar
harmonische Weise, sodass einem nicht nur das Adrenalin durch die Adern gepumpt wird, sondern man gleichzeitig auch
aus dem Staunen nicht mehr raus kommt. Donnie Yen bekommt in Form von Louis Fan und Hiroyuki Ikeuchi auch angemessene
Gegner, wahres Highlight ist aber sein Kampf gegen zehn Japaner gleichzeitig, in denen er zeigt wie schnell und effektiv
Wing Chun tatsächlich ist. Schade ist nur, dass niemand Ip Man wirklich gewachsen zu sein scheint. Wer sich ihm
entgegenstellt ist schon so gut wie besiegt. Eine nette Abwechslung zur sonstigen Vorgehensweise in Martial Arts Streifen, aber
spannungstechnisch eine fragwürdige Entscheidung.
Fans können also beruhigt sein, denn man bekommt genau das wofür man bezahlt hat. Da stört es auch nicht, dass sich der
Film trotz des Heranziehens von Ip Mans ältestem Sohn als Berater nur bedingt an das wahre Leben Ips hält. Schön ist
dagegen zu sehen, dass jeder einzelne Kampf in welcher Form auch immer (emotional) motiviert ist und man nicht einfach Kämpfe
des Faktes wegen, dass Donnie Yen die Hauptrolle hat und man eben die Geschichte Ip Mans erzählt, in den Film
geworfen hat. Charakterarbeit darf man hier aber
auf schauspielerischer Ebene nicht erwarten. Die Darstellungen erfüllen alle ihren Zweck, Donnie Yen spielt
überraschend reserviert, Louis Fan dagegen sehr comic-haft, Simon Yam und der Rest bekommen dagegen nicht viel zu tun.
Nur Gordon Lam ("Election", "Exiled") kann eine überraschend komplexe Rolle darbieten. Als ehemaliger Polizist
versucht er unter der Besatzung für seine Familie zu sorgen ohne dabei ein Verräter an seinem eigenen Volk zu werden.
"Ip Man" schreit nach Qualität. Regisseur Wilson Yip dreht nach "SPL", "Dragon Tiger Gate" und "Flash Point" zum
vierten Mal in Folge mit Donnie Yen und die zwei erweisen sich mittlerweile als ein eingespieltes Team. Edmond Wong
liefert ein solides Drehbuch ab, bei dem man sich nur gewünscht hätte, dass die Charaktere etwas besser ausgearbeitet
worden wären und Kenji Kawaii zeichnet sich für den Soundtrack verantwortlich. Die Bilder wirken poliert, die
Kinematografie kann sich also wirklich sehen lassen und orientiert sich auch hier wieder an "Fearless". Letzterer ist
im Endeffekt ohne Zweifel der bessere Film, trotzdem ist "Ip Man" ein gelungenes Martial Arts Biopic, das wegen seiner
Kämpfe begeistern kann. Ein zweiter Teil ist schon in Planung und wird sich hoffentlich auch ein bisschen mehr auf
den Menschen Ip Man konzentrieren. Kampfkunstfans werden hier aber auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen.