Story: Momoko (Kyoko Fukada) ist eine Einzelgängerin, die in ihrer eigenen Welt lebt. Faziniert von der
französischen
Kunststilrichtung Rokoko, trägt sie merkwürdige Kleider, die wie eine Mischung aus dem wirkt, was Damen im 19. Jahrhundert
in Europa getragen haben und man Babys heute anzieht. Sie lebt lieber mit ihrem Vater, ein ehemaliger Möchtegern-Yakuza,
der sich auf die Fälschung von Markenartikeln spezialisiert hat, auf dem Land, als zusammen mit ihrer Mutter, die die
Familie wegen ihres Gynäkologen verlassen hat.
So lebt Momoko zufrieden und ohne Freunde in den Tag hinein. Eines Tages
jedoch, als sie wieder mal Geld für neue Kleider braucht, verkauft sie einem wilden und querulanten Mädchen, das
Mitglied in einer Frauenmotorradgang ist, ein paar Versace-Fälschungen ihres Vaters. Seit dem Tage sieht sie das
Mädchen Ichiko (Anna Tsuchiya) häufiger, welche sie in allerlei merkwürdige Situationen hineinzieht. Schon bald
scheint sich zwischen den Beiden so etwas wie eine Freundschaft zu entwickeln.
Kritik: Einen Film wie "Kamikaze Girls" hat man noch nicht gesehen. Schon der Anfang, bei dem unsere Hauptprotagonistin
Momoko von einem Kleinlaster angefahren wird und uns noch kurz vor ihrem vermeintlich tödlichen Aufschlag ihre
Lebensgeschichte beginnt zu erzählen, lässt uns erahnen, dass der Film auch im weiteren Verlauf jegliche erzählerischen
und visuellen Grenzen sprengen wird.
Aus der Sicht von Momoko, einem Teenie, das in ihrer eigenen bonbonfarbenen Welt lebt
und sich nur für ihre Kleider interessiert, wird der ganze Film in erfrischend farbigen Bildern und mit einem ganz
besonderem Augenzwinkern erzählt. So wendet sich Momoko z.B. der Kamera zu um uns eine lange und langweilige Geschichte
in schnellen und quirligen Bildern zu erzählen oder dem Zuschauer wird gleich ein kleiner Einschub in Form eines Mini-Animes
präsentiert. Es sind die Kleinigkeiten, die den Film so besonders machen und ihm seine Lebhaftigkeit geben. Jede kleinste
Requisite scheint mit Bedacht gewählt zu sein und man entführt uns mit Erstaunen in "Die fabelhafte Welt der Momoko".
Regisseur Tetsuya Nakashima hat sich zuvor mit TV-Spots einen Namen gemacht und das sieht man "Kamikaze
Girls" auch an - schnelle Schnitte, ausgefallene Kameraeinstellungen und eigentlich findet man hier so ziemlich jedes
Stilmittel, dem man sich bedienen kann. Die Bilder sind stellenweise wunderschön und erinnern manchmal in ihrer Farbigkeit
an Märchen wie "Alice im Wunderland". Nakashima hat sich diesem Stil jedoch nicht nur bedient um seinen Film visuell
einmalig zu gestalten, sondern nutzt seinen Stil außerdem um den Konsumrausch und die japanische Kultur im Allgemeinen
gehörig auf die Schippe zu nehmen. Das fängt schon bei Momoko und ihrem Lolita-Look an, den es so auch nur in Japan geben
kann, und geht bei den Versace-Fälschungen weiter. Da die beiden Hauptprotagonisten Teil dieser Pop-Kultur sind, sich
aber eigentlich beide auf ihre eigene Art und Weise von dieser losgesagt haben, kommt es immer wieder zu Situationen, die
einen vor Lachen nicht mehr zu Atem kommen lassen. Selten hat man einen Film erlebt, der einen durch seine Situationskomik
so sehr amüsiert. Selbst beim zehnten Headbutt, den Ichiko ihrer Freundin Momoko ab und zu verpasst, muss man immer noch
lachen.
Während der Plot eigentlich recht simpel ist, ein beinahe typischer Buddy-Movie, sind es gerade die hervorragend
gezeichneten Charaktere und die Sicherheit mit der Nakashima das Geschehen auf seine ganz eigene Art und Weise
einfängt, die den Film weit über den Durchschnitt erheben. Obwohl der Film stellenweise Momente hat, in denen man
nicht weiß in welche Richtung er eigentlich gehen will, ist man trotzdem durchgehend gepackt vom Geschehen und freut sich
schon auf die nächste abstruse Situation, in die unsere beiden Mädchen geraten werden.
Kyoko Fukada liefert eine hervorragende Darstellung der Momoko ab und schafft es wirklich den Zuschauer zu verzaubern.
Das liegt nicht nur an ihrem guten Aussehen oder ihrem Aufzug und Benehmen, das meistens so süß ist, das man innerlich
beinahe zerfließt, sondern sie schafft auch noch das Unmögliche mit ihrer Darstellung nicht im Kitsch zu versinken und
dabei auch noch ein Band an erwachsenere Zuschauer zu knüpfen.
Ebenso weiß Anna Tsuchiya mit ihrer Darstellung des punkigen, aufsässigen Biker-Mädchens zu begeistern. Doch neben
den beiden Hauptprotagonisten, deren Beziehung sich zueinander im Laufe des Films auf glaubhafte und liebenswürdige
Art entwickelt, wissen auch die Nebencharaktere und deren Nebenerzählstränge zu fesseln. Gerade die Abgedrehtheit
mancher Charaktere trägt zu so manchem Lacher bei und lässt einen manchmal vermuten, dass diese Personen frisch
einem Anime entsprungen seien.
Unter der überdrehten Oberfläche hat "Kamikaze Girls" jedoch sogar eine Message. Diese ist nicht nur eine Ode an die
Freundschaft, sondern ein Hoch auf die Individualität und den Mut sich außerhalb stereotyper Gruppen zu bewegen.
Nakashima mag zwar in seiner Erzählweise seine Eigenheiten haben und ab und an scheint der Plot sogar so sehr
verloren zu gehen, dass nur noch die beiden Protagonisten das Geschehen voranbringen, doch gerade das macht
den Reiz des Films aus.
"Kamikaze Girls" ist mit seiner überdrehten Art und seinem dementsprechenden Humor bestimmt nicht jedermanns Sache,
doch ein Blick lohnt sich allemal. Visuell und künstlerisch gesehen ist der Film eigentlich schon fast ein Meilenstein
geworden und dennoch schafft er es auch einfach nur zu unterhalten. Für mich ganz klar ein Geheimtip und bestimmt schon
bald ein Kult-Klassiker!