Story: Obwohl es schon zwei Jahre her ist, dass Hiroko Watanabes (Miho Nakayama)
Verlobter Itsuki Fujii bei einer Bergsteiger-Tour ums Leben gekommen ist, trauert Hiroko immer noch. Bei einer
Gedenkfeier findet sie im Haus von Fujiis Mutter ein Jahrbuch, in dem sie seine damalige Adresse findet. Sie erfährt,
dass Fujiis Haus einer Straße weichen musste, schreibt aber dennoch einen Brief an jene Adresse. Ihre Hoffnungen
von ihrem verstorbenen Verlobten eine Antwort zu erhalten, scheinen sich zu erfüllen. Nach einigen Briefen zwischen
Hiroko und Itsuki nimmt sich Akiba (Etsushi Toyokawa), ein Freund Hirokos, der ihr helfen will über ihren Verlust
hinwegzukommen und außerdem eine Beziehung mit ihr eingehen will, der Angelegenheit an. Er möchte von Itsuki einen
Beweis seiner Identität. Es stellt sich heraus, dass es sich bei Hirokos Brieffreund tatsächlich um eine Frau
(ebenfalls gespielt von Miho Nakayama) handelt, die zufälligerweise den gleichen Namen trägt.
Zuerst ist Hiroko wütend, dass Akiba ihr die Illusion genommen hat, dass sie mit ihrem toten Verlobten kommuniziert,
doch dann erfährt sie, dass ihre neue Brieffreundin mit ihrem Namensverwandten Fujii drei Jahre lang auf die selbe
Schule ging. Itsuki gibt in ihren immer länger werdenden Briefen Hiroko einen Einblick in ihre Erinnerungen mit
Itsuki Fujii und wird sich dabei bewusst, dass auch sie Gefühle für Fujii hatte...
Kritik: "Love Letter" ist einer der wenigen Filme, bei denen man schon in den ersten Minuten weiß, dass einen
ein bezaubernder, ruhiger und verträumter Film erwartet. Die Szenerie des kleinen Örtchens Otaru, die vielen
wunderschönen Winterlandschaften und die beeindruckend eingefangenen Bilder, die von Regisseur Shunji Iwai in
Perfektion zusammenkomponiert wurden, entführen einen in eine moderne Märchenwelt.
Während sich "Failan" später einer ähnlichen Story bedienen sollte, in der die Liebe zweier Personen ausschließlich
über das Medium Brief stattfindet, geht Iwai einen anderen Weg. Hier dient der erste Brief eigentlich als
Abschied Hirokos von ihrem Verlobten, eine Art Schlussstrich, damit sie mit ihrem Leben endlich weiter machen kann.
Doch sie bekommt tatsächlich eine Antwort und nun dienen die Briefe zwischen ihr und ihrer neuen Brieffreundin dazu
alte Erinnerungen wieder wach zu rufen. Die Reise Hirokos in die Erinnerungen, die Itsuki mit ihrem Verlobten
verbindet, lassen Hiroko ihren verstorbenen Freund dabei besser kennenlernen und sorgen gleichzeitig dafür, dass sie
sich selbst vom Schmerz ihres Verlustes heilen kann.
Besonders interessant ist der Umstand, dass Miho Nakayama sowohl Hiroko Watanabe, als auch die weibliche Itsuki spielt.
Das sorgt zwar dafür, dass sich anfangs etwas Verwirrung breit macht, wenn zwischen den beiden erzähltechnisch hin-
und hergeschaltet wird, aber sobald wir auch mehr über die Lebensumstände und die Personen um die Hauptprotagonistinnen
erfahren haben, ist es relativ leicht den Überblick zu behalten.
"Love Letter" nimmt sich Zeit seine Geschichte zu erzählen. Wir erfahren nur langsam etwas über Hiroko und Itsuki. Außerdem
gesellen sich immer mehr neue Personen hinzu, die alle ihren bestimmten Platz in dem Gesamtwerk haben und von denen
jeder eine eigene Persönlichkeit besitzt.
Shunji Iwai springt mit Bedacht zwischen den beiden Hauptcharakteren hin und her. Anfangs liegt das Hauptaugenmerk noch
auf Hiroko und ihrer Trauer um den Verlust ihres Verlobten. Mit Hilfe der Briefe lässt sie ihre Liebe wieder
erwachen und sagt gleichzeitig auf Wiedersehen. Dabei hilft ihr auch ihr Freund Akiba, der in der Hinsicht ein
interessanter Charakter ist, als dass er Hiroko nicht uneigennützig dabei hilft, sondern ihr sogar sagt, dass sie
endlich loslassen muss, damit sie mit ihm eine Beziehung eingehen kann.
Ganz unbemerkt verlagert sich aber der Schwerpunkt der Geschichte dann auf Itsuki, die in ihren Briefen an Hiroko
merkt, dass sie wohl ebenfalls etwas für ihren Namensverwandten Itsuki empfand. Das Ende ist sehr gut gelungen, da
es für Itsuki eine Offenbarung bereit hält, die dem Zuschauer eigentlich schon die ganze Zeit über bekannt ist, aber
dennoch emotional sehr rührend ist.
Die Stärken von "Love Letter" sind eindeutig die wunderbaren Bilder, die großartig erzählte Story, die mit viel
Feingefühl ausgearbeiteten Charaktere und die tollen Darsteller. Shunji Iwai nimmt sich die Zeit sogar noch eine
Nebenstory einzubauen, die sich um die weibliche Itsuki, eine lebensgefährliche Erkältung und ihren Großvater dreht,
der damit zu kämpfen hat, dass Itsukis Vater, also sein Sohn, an einer ähnlichen Erkältung gestorben ist. Neben
jenem Großvater, der hervorragend gutmütig-senil von Katsuyuki Shinohara dargestellt wird, gibt es aber noch viel
mehr interessante Charaktere und Kleinigkeiten zu entdecken.
Obwohl nach der Hälfte des Films bei manch anderem Werk schon Schluss wäre, beginnt Iwai erst hier in die gemeinsame
Vergangenheit der beiden Itsukis vorzudringen. In Flashbacks wird uns gezeigt, welchen Spott die beiden wegen ihres
gemeinsamen Namens erfahren mussten, denn natürlich waren die zwei auch noch in der selben Klasse. In eben jenen
Flashbacks gibt dann auch einige ziemlich witzige Momente, aber auch der Rest des Films kann mit einigen
unterschwelligeren Gags für Abwechslung sorgen.
In Weitwinkelaufnahmen fängt Shunji Iwai die herrlich verträumte Szenerie der Natur ein. Meistens handelt es sich
um schöne Schneelandschaften, Gebirge, Sonnenaufgänge, eingeschneite Dörfer, aber auch sonnige Herbsttage kommen
nicht zu kurz und lassen den Film dank seiner Schönheit fast schon wie einen Traum anmuten. Nur die ab und zu
verwendeten Aufnahmen mit der Handkamera, die sich nahtlos ins Geschehen fügen, holen uns immer wieder in die
"Wirklichkeit". Den musikalischen Beitrag leistet Remedios mit seinem gelungenen Score, der manchmal unbemerkt
im Hintergrund das Geschehen untermalt und dann wieder in den emotionaleren Szenen etwas direkter für die passende
Atmosphäre sorgt.
"Love Letter" ist ein von Shunji Iwai mit viel Herz komponiertes Drama, das trotz aller Melancholie immer ein warmes
Gefühl im Zuschauer erzeugt. Die emotionaleren Szenen können zwar des öfteren zu Tränen rühren, es wird aber auf
unglaubwürdige Melodramatik verzichtet. Das macht den Film zu einem visuell beeindruckendem Erlebnis, der einen
immer ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.
Eine interessante Erzählstruktur, viele Details, die einem in Erinnerung bleiben werden und großartige Darsteller,
allen voran Miho Nakayama, die in ihrer Doppelrolle saubere Arbeit leistet, machen den Film zu einem kleinen Meisterwerk.
Mit seiner hervorragenden Regie schafft Iwai einen Film, der den Zuschauer sofort in seinen Bann zieht und dessen
dichte Atmosphäre diesen auch bis zum Ende nicht mehr los lässt. Jeder, der keine unwahrscheinlich tief sitzende
Abneigung gegen ruhige Dramen hat, muss "Love Letter" gesehen haben!