Story: Cho-won (Cho Seung-woo) ist Autist. Seine Mutter (Kim Mi-suk) hat sich nach anfänglichen Fehlern in seiner
Erziehung aufopferungsvoll um ihn gekümmert, was allerdings zur Folge hatte, dass ihr Ehemann (Ahn Nae-sang) ausgezogen
ist und sie ihren zweiten Sohn (Baek Seong-hyeon) sträflichst vernachlässigt hat.
Sie bringt den nun 19-Jährigen mit dem Rennen in Berührung. Cho-won, der eine außerordentliche Liebe für die Natur und
Tiere entwickelt hat scheint sich nur beim Rennen wiklich frei zu fühlen und sich anderen öffnen zu können. Seine
Mutter lässt ihn bei einem Marathon mitlaufen und er wird sogar tatsächlich Dritter. Nun hat sie große Ziele für
Cho-won und sie engagiert einen Trainer für ihn, der früher selbst ein namhafter Marathonläufer war. Mittlerweile ist
Jung-wook (Lee Gi-yeong), der Trainer, allerdings nur noch ein Schatten seiner selbst, der wegen Trunkenheit am Steuer
Sozialarbeit
in einer Behindertenschule leisten muss. Er ist nicht sonderlich motiviert, doch nach einiger Zeit mit Cho-won
erkennt er dessen Potenzial und die beiden freunden sich sogar an.
Cho-wons Mutter kommen allerdings Zweifel, ob das Marathon-Rennen wirklich etwas für ihren Sohn ist oder ob er nicht einfach das
macht, was sie von ihm möchte. Sie verwirft ihre Träume von Cho-won als Marathonläufer wieder, doch ihr Sohn entwickelt
langsam seine eigenen Wünsche...
Kritik: "Marathon" ist ein bewegendes und außergewöhnlich gut gelungenes Drama, das trotz seiner oftmals
manipulativen Art mehr als überzeugen kann. Ab und zu verliert sich Regieneuling Jeong Yoon-Chul mit seinen Bildern
zwar in einigen Klischees, dafür gibt es aber auch viele Momente, denen eine ungewöhnliche Magie innewohnt.
Gleichzeitig zeigt man uns, dass der Hauptcharakter keinesfalls an Autismus leidet, denn "leiden" würde auf eine
Krankheit zutreffen, nicht aber auf diese Art der Behinderung. Cho-won nimmt vielmehr die Welt einfach anders wahr.
Auch wenn natürlich viele Emotionen mit einspielen, da er seiner Umwelt durchaus zur Last fällt, so zeichnet Regisseur
Jeong doch durchwegs ein äußerst positives Bild, das nicht anders als herzerwärmend und nahegehend beschrieben werden
kann.
Autismus wird unter den Menschen immer bekannter, doch gibt es immer noch viele Missverständnisse. Vielen durch den
Film "Rain Man" vorgestellt, glauben die meisten, dass diese Behinderung immer mit unwahrscheinlicher Rechenbegabung
oder ähnlichem einhergeht. Dem ist nicht immer so, auch wenn viele Autisten tatsächlich anderweitig äußerst begabt sein
können. Auch in "Marathon" wird auf belustigende Weise eine Anspielung auf dieses Vorurteil gemacht. Als der
Coach bemerkt, dass Cho-won wortgetreu eine Tierdokumentation nacherzählen kann, stellt er ihm eine Matheaufgabe. Nun,
da hat er nicht sehr viel Erfolg...
Tatsächlich erfahren wir auf interessante Weise sehr viel über Autisten. So halten sie sich z.B. gerne an altbekannte
Muster, d.h. sie haben gerne ihren Stammplatz in der Kantine, sie sind schwierig für etwas zu motivieren und verstehen
manche Dinge in ihrer fast kindlichen Naivität einfach anders als sie gemeint sind. Doch der größte Unterschied von
ihnen gegenüber Nicht-Autisten ist, dass sie nicht in der Lage zu sein scheinen zwischenmenschliche Beziehungen
aufzubauen oder echte Emotionen zu zeigen. Wie sollte es anders sein, in diesem Drama belehrt man uns bzgl. des
letzten Punkts natürlich eines besseren.
Die schauspielerische Leistung von Cho Seung-woo ("The Classic", "Who are you") ist wirklich beeindruckend. Er scheint
immer ein wenig geistig abwesend zu sein, erweckt aber mit seiner lebhaften Art schnell Sympathien. Besonders stark
muss hervorgehoben werden, dass sich Cho niemals versucht in den Vordergrund zu spielen oder der Star des Films sein
zu wollen. Er ist einfach wer er ist und das macht seine Darstellung eben so glaubwürdig.
Ebenfalls noch zu erwähnen ist Kim Mi-suk, die Cho-wons Mutter darstellt. Sie ist hin- und hergerissen und weiß
oft einfach nicht, ob das was sie macht auch wirklich das Richtige ist. Hat Cho-won tatsächlich Spaß am Marathon-Laufen
oder ist das einfach etwas, das sie ihm eingeredet hat. Sicher kann man sich da bei Cho-won nicht sein und ihre
Fürsorge für ihren Sohn entwickelt sich oftmals zur Obsession. Kein Wunder, will sie doch einen Fehler wiedergutmachen,
den sie vor etlichen Jahren als junge Mutter beging.
Die Beziehung zwischen Cho-won und seiner Mutter ist interessant und man zeigt uns, dass sich die Beteuerungen der
Mutter, dass ihr Sohn wie jeder andere sei am Schluss eben doch als falsch herausstellen. Cho-won ist anders, wie sie
erkennen muss, doch macht ihn das eben noch lange nicht zu einem schlechteren Menschen.
Die Obsession der Mutter sich um ihren Sohn kümmern zu müssen und der Fakt, dass sie ihre Wünsche auf ihn projiziert,
haben natürlich die
Familie auseinandergebracht. Der Vater ist fast immer weg und kommt selten zu Besuch und der jüngere Bruder Cho-wons
wird von seiner Mutter vernachlässigt. Schade, dass der Film gerade hier zu wenig von den interfamiliären Problemen
zeigt. Das Ganze wird einfach nur angeschnitten, im Vordergrund bleibt aber das Sportdrama um Cho-won.
Sportdrama? Ja, genau so fühlt sich "Marathon" manchmal an, was auch einer der großen Kritikpunkte ist. Da hätten wir
den unmotivierten Coach, der sich dann aber mit seinem Schüler anfreundet und ihn zu Höchstleistungen bringt, sowie
das vorhersehbare Ende als plötzlich ein Twist dafür sorgt, dass Cho-wons Mutter nun doch nicht will, dass ihr Sohn an
dem Marathon teilnimmt und dieser schließlich dennoch aus eigenem Willen dort auftaucht. Alles ziemlich vorhersehbbar
und einfach zu stereotyp für den Film, denn hier hatte man eigentlich besseres erwartet.
Sehr gut gelungen ist der Humor, denn mehr als einmal darf man hier richtig gut lachen, z.B. als der Coach Cho-won
seine Pflaumen wegisst und dieser dann verzweifelt nach ihnen sucht, seinen Lehrer schließlich verdächtigt und fortan
mit seiner Sporttasche seine Runden dreht. Meistens beruht der Humor aber auf den eulenspiegelartigen Verhaltensweisen
Cho-wons. Er versteht die Dinge so wie sie gesagt werden und wenn einmal die Dinge nicht so laufen wie er es sich
gedacht hat oder es ihm aufgetragen wurde, dann benimmt er sich fast wie ein Computer, der eine Error-meldung anzeigt.
Tatsächlich scheinen Cho-won die meisten Gefühle fremd zu sein, doch seine Liebe zur Natur und zum Rennen scheinen
ein Ausnahme darzustellen. Auch wenn viele Szenen ein wenig kitschig anmuten sollten, was auch teilweise wegen der
typischen zu Tränen rühren wollenden Klaviermusik so ist, so gibt es doch genügend Momente, die eine außergewöhnliche
Magie besitzen. Wenn Cho-won mit den Fingern das Gras beim Rennen streift oder am Ende durch die Menschenmengen
schreitet, dann ist dies für ihn die Brücke zu anderen Menschen. Hier kann er fühlen, frei sein und zwischenmenschliche
Gefühle aufbauen. Dabei gewährt uns der Regiseur am Ende auch einen Blick in Cho-wons Kopf und zeigt uns wie er die
Dinge sieht. Es sind diese Momente, die "Marathon" zu etwas besonderem machen.
Regisseur Jeong Yoon-chul verbindet hier auf recht gelungene Weise ein Sportdrama mit einem Drama über einen Autisten.
Er stellt uns auf ehrliche und manchmal äußerst witzige Weise die Welt dieser außergewöhnlichen Menschen vor und schafft
es dabei niemals ins Melodramatische abzugleiten. Auch wenn es der Film schafft in manchen Belangen tatsächlich besser
als "Rain Man" zu sein, so wirkt die Sportstory mitsamt seinen Klischees doch manchmal etwas abgedroschen. Außer Cho-won
und seiner Mutter bleiben die Charaktere etwas unausgearbeitet und wie schon erwähnt hat man das Gefühl als wenn die
Gefühlswelt des Zuschauers zu oft manipuliert wird. Immerhin führt man uns aber nicht zu einem tränenreichen, sondern
herzerwärmenden Ende hin. Ein empfehlenswertes Drama, das nur knapp eine höhere Wertung verpasst hat.