Story: Sho Kawajiri (Eita) ist ein perspektivenloser Teenager, der eines Tages von seinem Vater besucht wird,
welcher ihm mitteilt, dass er eine Tante hatte von der er ihm nie erzählt hatte und die nun verstorben ist. Das Vater bittet
seinen Sohn die Wohnung seiner Tante Matsuko (Miki Nakatani) auszuräumen, wobei Sho langsam immer mehr über die
Frau erfährt, die seine Tante war und vor einigen Tagen in einem Park ermordet wurde. War das Leben,
das Matsuko führte wirklich ohne
Bedeutung, so wie es sein Vater meint? Und warum hat sein Vater ihm nie etwas von ihr erzählt?
Matsuko war früher eine populäre Lehrerin, die nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihrer wundervollen
Stimme beliebt war. Eines Tages wird jedoch einer ihrer Schüler beschuldigt aus einem Laden Geld gestohlen zu haben.
Obwohl Matsuko mit dem Dieb spricht, will dieser nicht gestehen, und so sieht sich die Lehrerin gezwungen das Geld
selbst zurückzugeben um die Sache schnell zu bereinigen. Sie "leiht" sich etwas Geld von ihrer Mitbewohnerin und
erklärt dem Ladenbesitzer, dass sie die Diebin war. Das hat zur Folge, dass sie wegen zweifachen Diebstahls entlassen
wird. Danach geht für Matsuko das Leben den Bach runter. Ihr Vater hat immer die kranke Schwester von ihr bevorzugt und
Matsuko nie Aufmerksamkeit geschenkt, weshalb sie schließlich eines Tages von zu Hause flieht.
Matsuko führt ein turbulentes Leben und gerät immer wieder an die falschen Männer. Sie wird misshandelt, kommt mit
der Prostitution in Berührung und begeht sogar einen Mord. Dabei ist Matsuko doch eigentlich ein Mensch, der jeden
zufrieden und glücklich sehen will...
Kritik: Es ist schwierig, eine objektive Kritik über einen Film zu schreiben, der einen so sehr beeindruckt hat
wie "Memories of Matsuko". Die Tragikkomödie von Regisseur Tetsuya Nakashima ist eine Mischung aus "Forrest Gump",
"Die fabelhafte Welt der Amelie" und einem Music-Video/Musical. Dabei nimmt uns Nakashima auf eine Achterbahnfahrt
der Gefühle mit und erzählt uns die epische Geschichte der tragischen Heldin Matsuko in bonbonbunten und
märchenhaften Bildern, die ihresgleichen suchen. Doch nicht nur auf visueller Ebene ist "Memories of Matsuko" ein
Meilenstein. Der Film schafft es ein bitterböses Märchen in traumhaft farbigem Gewand zu sein und dabei gleichzeitig
den Zuschauer auch noch zum Lachen zu bringen. Wie viele Tragikkomödien können schon von sich behaupten diesen
schmalen Grat erfolgreich entlanggewandert zu sein? Nicht viele, doch diese hier gehört dazu und nimmt sogar die Krone
des Genres für sich in Anspruch.
Seit seinem herrlichen und abgedrehten "Kamikaze Girls" war mir klar, dass Nakashima ein Regisseur ist, der es verdient,
dass man die Augen nach seinen Filmen offen hält. Erfreut, wenn auch ein wenig spät, musste ich herausfinden, dass er
einen neuen Film hat. Die Erwartungen waren natürlich hoch, aber Nakashima hat sie bei Weitem übertroffen. Was er hier
an visuellem Einfallsreichtum an den Tag legt ist einfach beeindruckend. Der Film sieht wie ein buntes Märchen aus,
bei dem jedes Bild aus einem Bilderbuch entnommen wurde, und bei dem die Verantwortlichen für die Requisiten viel
Spaß dabei hatten alles mit einem unendlichen Vorrat an Farbeimern einzudecken. Der Regisseur beweist ein unglaubliches
Auge, selbst für die kleinsten Details und scheint jedes Bild mit unheimlicher Bedacht komponiert zu haben. Die Arbeit
und die Fantasie, die in diesem Werk stecken ist einfach atemberaubend. Dank der Art wie Nakashima seine Geschichte
erzählt darf der Regisseur sich auch in voller Bandbreite austoben. Von gezeichneten Vögeln, über künstliche
blumenbedeckte Wiesen, einer ausgefallenen Beleuchtung und diversen Kameratricks - wir finden hier alles vor.
"Memories of Matsuko" mutet oft wie ein schnell geschnittenes Musikvideo an, bietet wie gesagt einen Overkill an
Farben und sticht durch die verschiedensten Regietechniken heraus, die sich je nach Jahrzehnt in dem wir uns gerade
befinden zu ändern scheinen. Wie vielfältig der Film auch auf visueller Ebene ist zeigen besonders die verschiedenen
Musical-Einlagen, die alle für sich alleine gesehen schon ein kleines Meisterwerk bilden. Das reicht über eine
Musicaleinlage als wir etwas über Matsukos Beschäftigung als Fast-Prostituierte zu hören bekommen, die mit grellen
Farben und schnellen Schnitten aufwartet über ein fröhliches 60er Jahre Stück mit dem Titel "Happy Wednesday" bis zu
einem MTV-videoartigem R'n'B Stück im Gefängnis, das ebenfalls mit grandioser Choreographie und einer etwas düsteren
Farbgebung punktet. An dieser Stelle muss auch der großartige Soundtrack hervorgehoben werden, der einen sofort mit sich
nimmt und sich perfekt in dieses popkulturgeprägte Werk einfügt. Normalerweise halte ich nicht viel von Musicaln,
aber hier wird man fast schon zum Mitsingen ermuntert. Eine großartige Symbiose von Musical, Drama und Komödie.
Miki Nakatani, früher ebenfalls ein Popstar, darf übrigens selbst auch des öfteren ihre schöne Stimme unter Beweis
stellen.
"Memories of Matsuko" ist voll von Bildern, die einen vor Schönheit einfach umhauen. Dabei sind diese dann auch noch
nicht einfach nur schrill-bunt, sondern passen sich auch noch in die jeweilige Stimmung ein. Außerdem ist die
Verwendung von Licht einfach hervorragend in den Film eingearbeitet. Vieles wirkt auf eine gewollte und wunderschöne
Art künstlich, was dieses Werk zu einem wahren Kunstwerk macht.
Allerdings ist äußere Schönheit nicht alles wie uns z.B. auch schon Park Chan-wooks "I'm a Cyborg but that's ok"
bewiesen hat. Regisseur Nakashima achtet aber bei all seinen künstlerischen Spielerein darauf, dass diese auch
wirklich seinem Film und der Geschichte, die er erzählen will dienen. Was "Memories of Matsuko" deshalb so besonders
macht ist das große Herz, das es besitzt.
Die schrille Art wie der Regisseur Filme macht und einige abgedrehte Charaktere, sowie
einige sehr lustige Szenen machen diesen Film ganz klar zu einer Komödie, aber gleichzeitig beweist sich dieses Werk auch
als ein bitteres Drama über eine Frau, die nur gegeben und nie genommen hat, was sie letztendlich zerstört.
Der Regisseur weiß immer, wann er das Drama in den Vordergrund des Films stellen muss und macht dies auf eine erfrischend
sarkastische Art und Weise, die uns gleichzeitig zum Lachen und Weinen bringt. Es ist schwierig zu beschreiben, wie genau
es Nakashima geschafft hat Komödie und Drama so grandios miteinander zu verbinden wie es hier der Fall ist, aber
er hat es geschafft...
Die Geschichte selbst steht dabei immer im Vordergrund und wird uns anhand von etlichen Rückblenden in Matsukos
Vergangenheit gezeigt. Jedes Jahrzehnt fühlt sich dabei anders an und zeigt uns die verschiedenen Schicksalsschläge,
die Matsuko zu überwinden hat. Sho, der Neffe der Heldin, dient uns dabei als Bezugsperson, die mit uns immer mehr
über diese beeindruckende Frau herausfindet. Wir bekommen die verschiedenen Etappen von Matsukos Leben von den
verschiedensten Personen erzählt, weshalb es auch einige Überschneidungen gibt. Einige Szenen werden sogar 1:1 aus einer
anderen Perspektive gezeigt. Trotz diesem und einer Laufzeit von 130 Minuten wirkt der Film aber niemals
langweilig, was wegen des durchgehend halsbrecherischen Tempos auch schlichtweg unmöglich ist. Immer wenn es nötig ist,
schaltet der Film aber auch ein paar Gänge zurück um gewisse Szenen besser auf uns wirken zu lassen.
Überdies ist der Film vollgepackt mit interessanten Charakteren. Da wäre zum einen Matsukos einzige Freundin, Megumi,
die von Asuka Kurosawa ("A Snake of June") gespielt wird und selbst der Hauptdarstellerin an manchen Stellen Gefahr
läuft den Rang abzulaufen. Ryu, der Matsukos letzten Freund darstellt bekommt auch die Zeit seine Geschichte zu
erzählen, so dass der Film oft ein komplexes Gebilde aus Rückblendungen und Erzählungen ist, bei dem man allerdings
glücklicherweise niemals den Überblick verliert.
Von den ganzen bunten und abgedrehten Charakteren abgesehen, steht natürlich nur einer wirklich im Vordergrund, und
das ist Matsuko. Miki Nakatani gibt hier eine perfekte und unwahrscheinlich vielseitige Darstellung ab und hat mich
mit ihrer Leistung regelrecht umgehauen. Ihre Darstellungen in "Ring" und "Train Man" waren nicht wirklich
herausragend, weshalb mich ihr wahres Können absolut überrascht hat. Nicht nur, dass sie dank Frisur und Kleidung in
jedem Jahrzehnt anders aussieht, nein, sie schafft es auch tatsächlich jede kleine Änderung des Charakters plastisch
auf den Bildschirm zu bringen. Außerdem wirkt sie in vielen Szenen sehr sexy. Doch mit Sex und Sexappeal spielt der
Film ohnehin sehr gelungen.
Es ist leicht mit Matsuko zu leiden, da sie als Mensch im Innersten zu rein für diese Welt zu sein scheint.
Aus diesem Grund wird
sie nach und nach von ihrer Umwelt zerstört, bis sie schließlich sogar eine Prostituierte, Mörderin und die Frau eines
Yakuza wird. Matsuko gerät dabei immer an Männer, die sie misshandeln und fallen lassen. Aber selbst mit den Männern,
die sie hat ist Matsuko glücklich, denn nichts fürchtet sie mehr als einsam zu sein. Aus diesem Grund ändert sich
Matsuko in der bitteren Achterbahnfahrt, die ihr Leben darstellt ziemlich stark. In ihrem Inneren bleibt sie
aber immer das gleiche freundliche Mädchen, das jeden glücklich machen will und dabei so gut wie nichts für sich selbst
verlangt. Das macht es so einfach für uns mit dieser außergewöhnlichen Frau zu sympathisieren und mit ihr zu leiden.
Wie rein Matsuko tatsächlich ist zeigt sich gerade gegen Ende, als der westliche Glaube mit ins Spiel kommt und wir
erkennen müssen, dass Matsuko in ihren Eigenschaften, wenn nicht gottgleich, dann doch engelsgleich ist.
Das Ende bietet dann noch eine gehörige Portion Drama, liefert dieses aber mit einer großartigen Feinfühligkeit und
ohne jegliche Art von Kitsch. Nakashima lässt uns die Zeit, die wir brauchen um mit Matsuko zu leiden, verpasst dabei
aber nicht uns auch ein warmes Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Trotzdem sollte man vorgewarnt sein, denn es wird
unvermeidlich sein, dass man nach dieser Achterbahnfahrt der Gefühle nicht auf die ein oder andere Art in Tränen
ausbricht. "Memories of
Matsuko" kann selbst Tage danach immer noch starke Gefühle hervorrufen und ist ein Film den man nicht so schnell
vergessen wird. Ich kann mich jedenfalls an keinen Film erinnern, der mich so stark bewegt hat wie dieser.
Das bonbonbunte Märchen verzaubert nicht nur mit seiner grandiosen Optik, tollem Humor, einem großen Herz und
einem grandiosen musicalartigem Soundtrack, sondern verliert eben auch nie das Drama aus dem Auge, das hier ganz
klar der Dreh- und Angelpunkt der Story ist. Bilder, Musik, Story und die darstellerischen Leistungen verbinden sich
zu einem perfekten Ganzen, das mich nachhaltig beeindrucken konnte. Nakashima schafft es, dass man nach dem Abspann einfach
klatschen will, um seiner genialen Vision einer Tragikkomödie zu gratulieren, auch wenn eigentlich niemand sonst
im Raum ist. Ein fantastisches Märchen, das sich niemand entgehen lassen sollte!