Story: Merry (Ella Koon) ist an Leukämie erkrankt und hat keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern. Völlig alleine in San Francisco lebend hat sie
nur den Internetbekannten Allen (Lawrence Chou), mit dem sie reden kann. Allerdings bricht dieser plötzlich den Kontakt zu ihr ab und so beschließt
das Mädchen, zurück nach Hong Kong zu gehen. Dort kommt sie bei dem Bestatter Lam (Teddy Robin) unter und macht anschließend Allen ausfindig. Sie
erzählt, dass sie die Freundin seiner Internetbekannten sei und überreicht ihm einen Brief, doch er scheint kein Interesse mehr an ihr zu haben.
Allen hat ganz andere Probleme, denn er will die Apotheke seiner Familie verkaufen, wird daran jedoch von seiner Tante Eva (Nora Miao) gehindert,
die extra aus San Francisco gekommen ist, um ihren Neffen daran zu hindern, diese Dummheit zu begehen und die außerdem den Laden wieder in neuem Glanz
erstrahlen lassen will. Merry hat unterdessen noch nicht aufgegeben, das Herz von Allen zu erobern und sucht deswegen bei Lam Rat, indem sie sich von ihm
das Kochen beibringen lässt. Lam hängt mit seinen Gedanken aber immer noch an einer Frau, die 1938 nach San Francisco gegangen ist und der er wegen
des ausbrechenden Kriegs nicht folgen konnte. Das Schicksal der Menschen scheint allerdings auf eigenartige Weise miteinander verbunden zu sein, wie
sie nach und nach erfahren müssen.
Kritik: "Merry-Go-Round" ist ein netter Versuch anspruchsvollen Festivalkinos, leider versagt der Film aber auf zu vielen Gebieten. Letztlich
die größte Hürde stellt das Drehbuch dar, das so extrem vollgepackt ist, dass man ohne Weiteres mehrere Filme mit dem Stoff hätte drehen können.
Dann erfordert der Film natürlich auch einiges an gutem Willen, nämlich dass der Zuschauer bereit ist, die extremen Zufälle, die die Charaktere aneinander binden,
zu akzeptieren. Darüber hinaus vermag es der Film aber auch nicht, das Publikum emotional in Anspruch zu nehmen. Die Charaktere sind eigentlich
ziemlich interessant, aber ihre Motivationen bleiben oft im Dunkeln und der Film stolpert im Gesamten zu sehr durch ein unstrukturiertes Drehbuch,
so dass man häufig das Gefühl hat, man wusste nicht, wo man als nächstes mit der Geschichte hin wollte. Vieles bleibt außerdem zu vage angerissen, so dass
das Gefühl innerer Wärme, welches der Film durch seine wunderschönen Bilder zu vermitteln versucht, einfach ausbleibt.
Am besten lässt sich an einem Beispiel zeigen, wie fahrlässig man beim Schreiben des Drehbuchs vorgegangen ist. Die Geschichte von der jungen Eva,
die ebenfalls von Ella Koon gespielt wird, wird immer wieder in Rückblenden in den Film gebracht und spielt im Jahre 1938. Da der Rest des Films in der
Gegenwart spielt und wir diese tatsächlich im Jahr 2010 ansiedeln müssen, der Laptop von Merry beweist dies, muss Eva mindestens 90 Jahre alt sein, wenn
nicht sogar 100! Sie sieht aber nicht älter als 60 aus. Wie man so etwas Offensichtliches übersehen kann, ist mir schleierhaft.
Problematischer ist jedoch, dass wir immer wieder in die Geschichten der einzelnen Charaktere einsteigen und wieder aussteigen müssen. Zu keinem von
ihnen können wir richtige Sympathien entwickeln, da die Zeichnungen der Charaktere gezwungenermaßen etwas blass bleiben müssen. Hätte man die Geschichte
etwas gekürzt, wäre dafür mehr Raum gewesen und das hätte "Merry-Go-Round" als Drama wesentlich effektiver gemacht.
Merry oder Nam, wie sie sich in Hong Kong nennt, um nicht von Allen sofort als seine Internetbekanntschaft erkannt zu werden, hat noch am ehesten
das Zeug dazu, etwas wie der Sympathieträger des Films zu werden. Aber auch bei ihr tun sich einige Probleme auf. Am Anfang wird sie als Drogensüchtige
eingeführt, die von absoluter Einsamkeit verschlungen wird. Wo ist aber ihre Drogensucht, als sie ihn Hong Kong ist? Und kann sie sich wirklich so
sehr an Allen als Hoffnungsanker hängen, dass von ihrem inneren Leid kaum noch etwas zu sehen ist? Hier stimmt etwas nicht. Im Gegensatz dazu können
sich offensichtliche Merkwürdigkeiten wie der Umstand, dass Lam das Mädchen einstellt und nicht wieder feuert, obwohl sie anscheinend nie wirklich
arbeitet, später aufklären, spätestens als wir sehen, dass die junge Eva von der gleichen Darstellerin gespielt wird, ist uns als Zuschauer
einiges klar, was vielleicht vom Regisseur gedacht war, noch länger im Nebel zu bleiben.
Es ist auffällig, dass der Film einige ernste und dramatische Themen anreißt, diese aber in einem lockeren und warmen Ton behandelt. Vielleicht
ist der Grund dafür, dass der Wohltätigkeitsverein Tung Wah Group für Krankenhäuser den Film produziert hat. Abschiede und Schmerzen werden hier
außen vor gelassen und das Leid durch einen sonnendurchfluteten Filter betrachtet. Das bringt uns auch direkt zum beeindruckenden Look des Films.
Jason Kwan, der schon an "Love in a Puff" arbeitete, ist für die Kinematographie zuständig und bringt wunderschöne Bilder auf die Leinwand, vor allem
mit Licht und Farben weiß er hervorragend umzugehen. Damit stellen die verträumt sonnigen Bilder das Highlight des Films dar und auch einige
Kamerafahrten und Einstellungen von Regisseur Clement Cheng Sze-Kit ("Gallants") und Yan Yan Mak ("Butterfly") sind ein Fest für die Augen, wobei
sich leider hier das Problem ergibt, dass sich der Stil oftmals nicht der Substanz unterordnet und es schöner gewesen wäre, wenn das Drehbuch etwas
ausgereifter gewesen wäre.
Ein Mangel auf ähnlicher Ebene stellt der Soundtrack dar. Die Indie-Band Ketchup hat einen angenehmen Acoustic-Gitarren-Soundtrack beigesteuert, der
durch englische Balladen hervorsticht und das warme, nostalgische Gefühl, das der Film erzeugen will, noch weiter unterstreicht. Allerdings kommt
die Musik viel zu stark zum Einsatz, so dass sie sogar vom eigentlichen Film ablenkt und irgendwann vom Zuschauer mit einem genervten Aufstöhnen
quittiert wird. Und das obwohl sich die Musik selbst schön anhört. Das zeigt einmal mehr, wie wenig die einzelnen Teile in "Merry-Go-Round" zusammenpassen.
Auch auf schaupielerischer Ebene hätte man mehr herausholen können. Nur Teddy Robin als Bestatter und Ella Koon in ihrer Doppelrolle können wirklich
überzeugen, der Rest bleibt zu hölzern, auch wenn hier wohl wieder hauptsächlich die Schuld im Drehbuch zu suchen ist. Das Ende des Films wird dann
für viele ebenfalls eine Enttäuschung darstellen, zumal gerade die immer mal wieder eingeworfenen pseudo-philosophischen voice-overs dem Zuschauer
vermitteln wollen, wie man sich zu fühlen hat. Doch gerade die Nähe zu den Charakteren und ihren Dramen kann der Film nicht herstellen. Ein netter
Versuch eines nostalgischen Dramas, das vor allem mit seinen Bildern punkten kann, aber auf menschlicher Ebene, hauptsächlich wegen eines überladenen
und wirren Drehbuchs, zu distanziert bleibt.