Story: Akiko (Masami Nagasawa) hat keinen Job und lebt getrennt von ihrem Ehemann, der ihr für den gemeinsamen Sohn Shuhei (Sho Gunji) Unterhalt zahlt. Allerdings braucht Akiko ständig Geld, da sie ein Glücksspielproblem hat. Von ihren Eltern und ihrer Schwester bekommt sie kein Geld mehr, selbst als sie Shuhei um welches bitten lässt. Daher verführt sie den Nichtsnutz Ryo (Sadao Abe), von dem sie sich erhofft, dass er sie finanziell unterstützen kann. Gleichzeitig will sie einfach auch etwas Spaß haben, sodass sie Shuhei mehrere Tage alleine zuhause lässt. Der kleine Junge ist aber schon gewohnt, sich um sich selbst zu kümmern. Als sie wieder da ist, versucht sie mit Ryo durch Erpressung eines Bekannten etwas Geld zusammenzubekommen. Allerdings laufen die Dinge bei ihrem Opfer nicht ganz so, wie erhofft, und so müssen Akiko, Ryo und Shuhei fliehen und untertauchen. Schließlich stellt sich heraus, dass Akiko wieder schwanger ist. Sie will das Kind behalten. Ryo ist aber nicht bereit, Vater zu spielen und sucht das Weite. Fünf Jahre später wandern Akiko, Shuhei (Daiken Okudaira) und die kleine Fuyuka (Halo Asada) als Obdachlose durch die Straßen. Sie leben von einem Tag in den nächsten und wissen nie, wann sie ihre nächste Mahlzeit bekommen. Da wird die Sozialarbeiterin Aya (Kaho) auf sie aufmerksam und nimmt sich ihrer an. Shuhei, der nie die Grundschule beendet hat, lernt endlich richtig lesen und schreiben, aber seine Mutter hat nicht vor, dieses Leben fortzuführen. Für Shuhei wäre der perfekte Zeitpunkt seine Schwester an die Hand zu nehmen und sich von der Mutter loszusagen, falls er ein besseres Leben möchte.
Kritik: "Mother" basiert auf einem wahren Fall und beleuchtet eine kaputte Familie, in der eine Mutter auf subtile Weise ihre Kinder misshandelt, wobei die kleinen Kinder sich dessen nicht einmal bewusst sind. Ein Drama, das keinesfalls für schwache Nerven ist, denn Realismus steht an oberster Stelle. Dank sauberer Arbeit der Darsteller bekommt der Zuschauer einen sehr genauen Blick auf die inneren Vorgänge in einer Beziehung zwischen Mutter und Kinder, die nur in einer Katastrophe enden kann. Obwohl Shuhei mehrfach gezeigt bekommt, dass es dort draußen auch ein anderes Leben gibt, ist er sich unschlüssig, ob er das überhaupt für sich will. Jedes Mal, wenn er wortlos oder vielleicht auch mit ein paar Widerworten erneut seiner Mutter folgt, macht sich im Zuschauer ein weiteres Mal Enttäuschung breit, die auch schnell in Hoffnungslosigkeit münden kann. Ein deprimierender Film.
Wegen seines Realismus ist "Mother" aber leider nicht ganz frei von Längen. Die meiste Zeit passiert immer etwas und die Familie findet sich in neuen Situationen wieder, in denen sie zurechtkommen muss. Irgendwann landen die Mutter und ihre Kinder auch auf der Straße und das zu sehen, tut besonders weh, da die Mutter nichts anderes verdient hat, die Kinder dagegen mit ins Elend gezogen werden. Akiko will kein besseres Leben für ihre Kinder, wenn sie nicht bei ihnen sein kann bzw. Macht über sie hat. Dies alles nach und nach zu verstehen und aufzuschlüsseln ist spannend, aber unglücklicherweise gibt es auch ein paar Szenen, in denen nicht wirklich viel passiert und die Familie schlicht mit Sack und Pack die Straße entlangwandert. Dass Regisseur Tatsushi Omori damit die Atmosphäre einfangen will, ist klar, und ab und an ist das auch gelungen. Manchmal wird dadurch aber eben auch die Geduld des Zuschauers strapaziert.
Masami Nagasawa ("I Am a Hero") gebührt im Film das eigentliche Lob. Sie porträtiert eine Frau, die sowohl Täter als auch (teilsweise) Opfer ist. Sie ist stets auf der Suche nach einem Mann, den sie ausnutzen kann. Da sie eine Mutter ist, hat man das Vertrauen, dass sie das auch zum Wohl ihrer Kinder vorhat, aber diese Illusion wird bald zerstreut, als wir sie vor einer Pachinko-Maschine sitzen sehen. Nicht nur, dass sie das Geld, mit dem sie ihre Kinder versorgen müsste, verspielt, sie schickt den kleinen Shuhei auch noch vor, um bei ihren Eltern um Geld zu bitten. Shuhei wird als Werkzeug ausgenutzt und als Mittel der Erpessung missbraucht. Masami Nagasawa schafft es jedoch, dass man mit Akiko hin und wieder auch Mitleid hat. Es gibt schließlich auch ein paar Szenen, in denen man den Eindruck hat, dass sie ihre Kinder wirklich liebt. Aber irgendwann wird einem bewusst, dass diese Liebe wohl nur ihrem eigenen Trost dient.
Wir bekommen leider nie eine Antwort darauf, welche psychischen Narben bei Akiko dazu geführt haben, dass sie ein solcher Mensch geworden ist. Kurz lernen wir auch den Vater von Shuhei kennen und dieser scheint ganz in Ordnung zu sein. Er fragt den kleinen Shuhei sogar, als dieser bei ihm um Geld für "einen Schulausflug" bittet, ob er nicht mit ihm zusammenleben will. Doch Shuhei kann sich aus seiner toxischen Beziehung zu seiner Mutter nicht lösen. Immer wieder gibt es Gelegenheiten, sich aus der Beziehung zu seiner Mutter zu befreien, die ihn mit sich nach ganz unten zieht. Es ist die Hoffnung, dass Shuhei endlich die Augen aufmacht und sieht, was Akiko ihm antut, die eine gewisse Spannung kreiert. Als dann Fuyuka geboren wird, hegen wir die Hoffnung, er könne sich für seine Schwester entscheiden, endlich ein normales Leben für sich und sie zu wählen. Allerdings hat die Mutter die alleinige Kontrolle über ihn und verkauft ihre eiserne Hand - so erklärt sie jedem anderen wütend "Das sind MEINE Kinder" - als Liebe.
Shuhei kennt nichts anderes als seine Mutter. Auch wenn er gerne zur Schule will und es liebt, zu lesen, die Meinung und die Fürsorge anderer steht weit unter dem, was seine Mutter ihm bedeutet. So ist er aufgewachsen und er kennt es nicht anders. Vielleicht ist es der Strohhalm, an dem er sich festklammert, der sein gesamtes Unglück im Leben rechtfertigt: Seine Mutter will nur das Beste für ihn. Manchmal bekommt "Mother" daher auch die Note eines Psychothrillers, denn der subtile Druck auf Shuhei und die Manipulation durch Akiko können energiezehrend und grausam sein. Der Film lebt von seiner differenzierten Porträtierung der Charaktere, so hat auch Ryo nicht nur schlechte Seiten, obwohl man ihn schnell als einen Nichtsnutz abstempeln will. "Mother" geht damit sehr tief, ohne zu viel auszuformulieren und die Regie sticht dabei durch lange Aufnahmen hervor, welche Authentizität schaffen. Dennoch ist der Film nicht für jeden. Es ist nicht leicht, diese toxische Beziehung vor sich entfaltet zu sehen. Darüber hinaus können ein paar Szenen auch etwas langatmig ausfallen.