Story: Vor 16 Jahren wurden Yuki (Hiroshi Tamaki) und Garai (Takayuki Yamada) beinahe Opfer einer grauenhaften Säuberungsaktion. Auf der Insel,
auf der sie lebten, wurden geheime Experimente mit dem Nervengas MW durchgeführt, bis es eines Tages ein Leck gab und fast die gesamten Bewohner der
kleinen Insel starben. Diejenigen, die überlebten, wurden von der Regierung exekutiert, nur die beiden kleinen Jungen Yuki und Garai schafften es,
zu entkommen. Heute ist Garai Pfarrer und sucht seinen Trost bei Gott, während Yuki nach Rache für die Gräueltaten der Regierung sinnt. Er sucht nacheinander
die Verantwortlichen auf und bringt diese zur Strecke. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, Unschuldige zu töten. Garai weiß um die Taten seines
besten Freundes, allerdings kann er ihn nicht der Polizei ausliefern, weil ihre Vergangenheit ein enges Band zwischen den beiden geschaffen hat und Yuki
überdies damals sein Leben gerettet hat.
Während die Reporterin Kyoko (Yuriko Ishida) langsam der Wahrheit um das Nervengas MW und die Morde, die damit in Zusammenhang stehen, näher
kommt, hat der leitende Ermittler der Polizei Sawaki (Ryo Ishibashi) auch eine heiße Spur. Für Yuki wird es ernst, aber er hat auch erfahren, dass
es noch einen geheimen Vorrat an MW gibt und diesen will er nun in seine Gewalt bringen.
Kritik: "MW" scheint auf den ersten Blick ein vielversprechender Thriller. Die Geschichte bietet viele Handlungsstränge und Charaktere und
hätte damit ein gesundes Fundament für einen spannenden Thriller schaffen können. Leider hat der Film unwahrscheinlich viele Abstriche bei der
Adaption der Charaktere und der Geschichte des Original-Mangas gemacht. Das führt dazu, dass die einzelnen Personen äußerst eindimensional wirken,
die Geschichte etwas holprig präsentiert wirkt und darüber hinaus natürlich auch noch einige Logikfehler aufweist. Das zieht sich wie ein roter
Faden durch den gesamten Film, sodass die mangelnde Ausarbeitung der Charaktere zu einem erheblichen Problem beim Spannungsaufbau führt. Wir
interessieren uns einfach nicht dafür, dass Yuki eigentlich eine tragische Person ist, es ist uns auch schleierhaft, was Garai in dem Film macht,
denn seine Passivität schadet dem Film und die Nebencharaktere bleiben ebenso unspektakulär, von Sawaki als einzige Person auf der Seite der Guten,
mit der wir etwas anfangen können, vielleicht einmal abgesehen. "MW" ist deshalb nicht nur für Fans des Original-Mangas eine Enttäuschung.
Das Original-Manga liegt schon eine Weile zurück. Ende der 70er schuf niemand Geringeres als Osamu Tezuka die Geschichte um die zwei Freunde, die
weitaus mehr verband, als
wir hier in der Adaption von Drehbuchschreiber Tetsuya Oishi zu sehen bekommen. Tetsuya ist dabei keinesfalls neu auf dem Gebiet. Er hat bereits
"Death Note" und "Beck" für die große Leinwand umgeschrieben, aber hier hat er ganz klar die Charaktere beiseite liegen lassen. Ein wenig Recherche
hat mich herausfinden lassen, dass Yuki im Original keineswegs der kalte, äußerst gefühllose wahnsinnige Killer war, für den man ihn hier ganz im
Sinne des Bösewichts eines amerikanischen B-Movies halten muss. Yuki zeichnete immer einen Anflug von Kindlichkeit aus, der im starken Gegensatz zu
seinen grausamen Taten stand. Der Wahnsinn, der sich bei ihm daraus ergab, dass er als Kind etwas von MW einatmete, ist hier nicht zu finden. Yuki
ist einfach ein kühl berechnender Killer und Terrorist mit einem Hass auf die Welt.
Noch interessanter wird es bei Garai. Takayuki Yamada ("13 Assassins", "Train Man") spielt ihn mit einer inneren Zerrissenheit, die wir nicht
nachvollziehen können. Warum er Yuki nicht schon längst der Polizei ausgeliefert hat, ist nicht klar. Seine Bindung zu Yuki scheint nur durch ihre
gemeinsame Kindheit vorhanden zu sein, dass sie wirklich Freunde sind, lässt sich an keiner Stelle erkennen. Dabei zeichnet die beiden im Original
sogar eine homosexuelle Beziehung aus! Gut, dass diese nicht in den Film übernommen wurde, ist nicht tragisch, wenn man dafür irgendwie ersichtlich
gemacht hätte, dass die beiden sich in schwierigen Zeiten gegenseitig Halt gegeben haben. Stattdessen ist Garai unwahrscheinlich passiv, sodass wir
oft über weite Strecken vergessen, dass er überhaupt eine Rolle in dem Film spielt. Das ist besonders deshalb merkwürdig, weil man immer den Eindruck
bekommt, dass sein Charakter einen weitaus größeren Part hätte spielen müssen. Wenn er wenigstens bis zum Ende passiv geblieben wäre, hätte man das
irgendwie als seine Charakterschwäche akzeptieren können, aber zum Schluss, als es eigentlich schon zu spät dafür ist, versucht er sich dann
natürlich als Held...
Obwohl die Geschichte ein wenig verschachtelt ist und damit etwas Episodenartiges an sich hat, was wegen des Originalmaterials nicht verwundern sollte,
ist es sehr einfach, der Geschichte zu folgen. Etliche Logikfehler trüben dabei jedoch den Unterhaltungsfaktor. Warum nimmt die Reporterin Yuki und
Garai mit auf die Insel, auf der sie das Nervengas vermutet? Warum lässt Garai zu, dass sie mitkommt, obwohl er weiß, dass Yuki sie wahrscheinlich danach
töten will? Und noch viel schlimmer: Wie schafft es Yuki ganz alleine einen amerikanischen Militärstützpunkt einzunehmen? Dass er das geschafft hat, wird
von dem Film einfach so in den Raum gestellt, es zerstört aber jeglichen Rest an Glaubwürdigkeit.
Garai will Buße leisten, für sich und Yuki, was dabei aber in seinem Inneren vorgeht, bleibt für uns unsichtbar. Genauso verhält es sich mit den
tatsächlichen Beweggründen Yukis. Es kommt keine Form von Drama auf, selbst in den Szenen nicht, in denen überraschenderweise ein paar Nebencharaktere
sterben. Das unterstreicht nur einmal mehr die vielen Mängel des Films.
"MW" bleibt damit einfach simple B-Movie-Unterhaltung, wie man sie auch aus Amerika zuhauf finden kann. Da hilft auch der nette Soundtrack von
Yoshihiro Ike nichts, der schon für Animes wie "Ergo Proxy" oder "Blood: The Last Vampire" gearbeitet hat. Vielmehr erkennen wir dadurch nur umso
mehr, dass einige Szenen spannend sein sollten, es aber nicht sind. Wäre da nicht der gelungene Anfang und ein ansehnliches Ende, das eine
Fortsetzung möglich erscheinen lässt (auch wenn diese gerne ausbleiben mag), gäbe es nicht viel, dass einen hier über 130 Minuten vor dem
Bildschirm sitzen lassen kann. Sawaki, als einzige Person, mit der sich der Zuschauer wirklich identifizieren kann, bleibt ein Nebencharakter und so hätte
sich Regisseur Hitoshi Iwamoto (welcher übrigens auch Regie bei der hervorragenden TV-Serie "Nobuta wo Produce" führte) mehr auf die Ambiguität der
Hauptcharaktere konzentrieren sollen, um ein ausgefüllteres Bild des dramatischen Hintergrunds der beiden tragischen Hauptfiguren zeichnen zu können.
Für Fließband-Thrillerkost muss man schließlich nicht unbedingt seine Zeit opfern.