Story: Byeong-woon (Ha Jung-woo) ist arbeitslos, ein Träumer und vertreibt sich seine Zeit in Wettbüros, auch
wenn die Zeiten in denen er aktiv an den Wetten teilnahm lange vorbei sind, da er ständig pleite ist. Eines Tages
besucht ihn seine Ex-Freundin Hee-su (Jeon Do-yeon) und verlangt von ihm ihr Geld zurück, das sie ihm vor einem
Jahr geliehen hat. Byeong-woon erklärt ihr, dass er im Moment das Geld nicht hat, aber Hee-su lässt sich nicht damit
zufriedenstellen. Sie will erst wieder gehen, wenn sie ihr Geld hat. Für den immer gut gelaunten Byeong-woon ist das
kein Problem, denn trotz seiner schlechten Lebenslage hat er es bisher immer irgendwie geschafft über die
Runden zu kommen. Warum sollte er also nicht auch das Geld für Hee-su beschaffen können? Schließlich ist er ein
Frauentyp und kennt dementsprechend einige Damen bei denen er sich Geld leihen kann um Hee-su auszuzahlen. Also
machen sich Byeong-woon und Hee-su gemeinsam auf eine kleine Stadtrundfahrt und besuchen einige von Byeong-woons
Freundinnen. Dabei erinnern sich die beiden an ihre vergangene gemeinsame Zeit, aber die kühle und gereizte Hee-su lässt
keinen Zweifel daran, dass sie Byeong-woon nur wegen des Geldes aufgesucht hat. Aber ist dem wirklich so?
Kritik: Ich erinnere mich noch gut, wie schwer es mir gefallen war, über Regisseur Lee Yoon-kis Debütwerk
"This Charming Girl" eine Inhaltsangabe zu schreiben. Bei seinem vierten Film ist das nicht anders, nur hat man
nach ein paar Jahren Erfahrung einfach einige Möglichkeiten das gekonnt zu verschleiern. In Lees Film passiert
augenscheinlich nämlich nicht viel und dennoch gibt es so viel, das zwischen den Zeilen gelesen werden muss. "My Dear
Enemy" ist äußerst realistisch und zugleich verträumt. Ein Film, der sich die Zeit lässt gewisse Gefühle auf den
Bildschirm zu bringen, die man sich sonst eher nicht getraut zu vermitteln, da man befürchten muss den Zuschauer zu
langweilen. Manche Situationen benötigen nämlich etwas Zeit um glaubwürdig kreiert zu werden. Lee Yoon-ki schert sich
nicht um filmische Normen, seine Indie-Film-Wurzeln sind trotz Mainstream-look von "My Dear Enemy" immer noch klar
ersichtlich und so schafft er einen faszinierenden Road-Trip-Movie durch eine koreanische Innenstadt, bei dem der
Zuschauer durch die Charaktere auf eine ganz besondere Reise mitgenommen wird.
Dennoch muss auch ganz klar darauf hingewiesen werden, dass "My Dear Enemy" kein Film für jedermann ist. Dafür ist
das Tempo eindeutig zu niedrig und ein Publikum wird verlangt, das in der Lage und willens ist das zu würdigen was
der Film alles hinter dem anscheinend Nicht-Gesagten ausdrücken will. Wie gesagt passiert nicht wirklich viel und
so könnte der Film an einem desinteressierten Zuschauer wie eine frustrierende Verschwendung von Zeit dahinplätschern,
ohne dass dieser die Vielfalt des Gesagten zwischen den Zeilen auch nur erahnt hätte. Dabei ist es aber gar nicht so
schwierig sich von der Beziehung und Chemie zwischen den beiden Protagonisten gefangennehmen zu lassen.
Hee-su und Byeong-woon sind so unterschiedlich wie es nur geht. Hee-su scheint schon immer irgendwie leicht reizbar
gewesen zu sein und ihrem Gegenüber oft ein kühles Desinteresse entgegenzubringen. Vor allem gegenüber ihrem
Ex-Freund verhält sie sich so, auch wenn hier ganz offensichtlich ist, dass dies zum Teil auch aus einer tiefsitzenden
Enttäuschung resultiert.
Jeon Do-yeon ("My Secret Sunshine") gibt eine großartige Darstellung ab und zusammen mit Ja Jung-woo, der hier
überhaupt nicht erahnen lässt, dass er in "The Chaser" noch einen brutalen Killer gespielt hat, schaffen die beiden
eine Chemie, die den Zuschauer wie auf einem sanften Teppich durch den Film trägt. Wir sehen den Film mehr oder weniger
durch die Augen von Hee-su, aber dennoch erscheint uns Byeong-woons Charakter am interessantesten. Wir erfahren über
ihn, dass er das Leben niemals zu ernst nimmt, trotz der vielen Rückschläge, die er zu erleiden hatte. Er ist immer
freundlich, dankbar und auf eine gewisse Weise auch immer zu Diensten, ohne dass er zu unterwürfig erscheinen würde.
Er ist immer hilfsbereit, und dass obwohl er eigentlich seine eigenen viel größeren Probleme hat. Das sind
Eigenschaften, die es einem leicht machen zu glauben, dass er einige Freundinnen hat, die ihm gerne etwas Geld leihen.
Denn in einer optimalen Welt sind das Eigenschaften, die hochgeschätzt werden sollten. Überdies ist er im Herzen
irgendwie noch ein Kind, eben auch ein Träumer, der in Spanien einen Reisweinladen eröffnen will. Aber dass Frauen
solche kindlichen Männer mögen, wie uns hier vermittelt wird, halte ich für ein Gerücht, zumindest nach meinen
Erfahrungen. Byeong-woon ist aber gerade wegen seiner Lebenseinstellung so interessant. Auf die Frage Hee-sus, ob er
mit einer älteren Frau und Bekannten schlafen würde, dafür dass sie ihm Geld geliehen hat, antwortet er, dass dies ja
wohl nicht das Schlimmste auf der Welt sei. Auf die Frage, ob er denn denke, dass dies normal sei, entgegnet er ganz
einfach: "Das hängt davon ab wie man es betrachtet. Wenn man denkt, dass es gut ist, dann ist es gut. Wenn man denkt,
dass es schlecht ist, dann ist es schlecht."
Vielleicht hilft Byeong-woon auch gerne anderen, weil er sich nicht mit seinen eigenen Problemen auseinandersetzen
will und vor diesen gerne flieht. Regisseur Lee Yoon-ki gibt hier einiges worüber man nachdenken darf. Auch die
Geschichten von Hee-su und Byeong-woon, die beide in dem einen Jahr seitdem sie voneinander getrennt waren einen neuen
Lebenspartner gefunden haben und sich aus den gleichen Gründen von diesen getrennt haben, lassen einiges an
Spekulationen zu. "My Dear Enemy", der im Original übrigens soviel wie "Ein herrlicher Tag" heißt, zeichnet seine
Charaktere mit Bedacht und in den merkwürdigsten Situationen, die uns aus dem wahren Leben allerdings nur allzu
bekannt vorkommen. Da ist z.B. ein Treffen mit einer alten Freundin Byeong-woons und dessen Ehemann, bei dem auch
Hee-su anwesend ist. Die peinliche Stille und das Unangenehme in dieser Situation fühlt sich sehr real an, und gerade
diejenigen, die sich fragen, welchen Zweck solche Szenen erfüllen und ob für solche Momente nicht zuviel Zeit aufgewendet
wird, schließlich wäre es vielleicht wünschenswert gewesen den 2-stündigen Film etwas kürzer zu halten, die sollten sich
eventuell ebenfalls einmal fragen, ob in solchen Momenten nicht das eigentliche Bild der beiden Protagonisten
gezeichnet wird.
Technisch erinnert uns Lee Yoon-ki an seine früheren Werke. Lange Aufnahmen ohne einen Schnitt, die eine gewisse
Natürlichkeit erzeugen, das Verweilen in bestimmten Szenen, obwohl in diesen anscheinend gar nichts mehr passiert,
eben um ein gewisses Gefühl der Authentizität zu erzeugen und viele Aufnahmen durch Fensterscheiben oder Glas machen
das Gesamtbild aus.
Dass diesmal mehr Geld für technische Ausrüstung zur Verfügung stand ist auch in einigen beeindruckenden Kamerafahrten,
die ebenfalls ohne einen Schnitt gedreht wurden ersichtlich. All das erzeugt eine ganz eigensinnige Magie, die schon Lees
Debütwerk auszeichnete. Der Zuschauer fühlt sich, als wenn er selbst einer der Mitreisenden auf diesem Road-trip
durch die Großstadt wäre und die vielen ruhigen Szenen laden zum Reflektieren und Ausruhen von dieser Reise ein.
Die beiden Darsteller leisten ihr Übriges um diese Reise noch faszinierender zu machen und die Frage, ob Hee-su
ihren Ex-Freund tatsächlich nur besucht hat, weil sie dringend das Geld brauchte, beantwortet sich auch ganz
natürlich von selbst. Das relativ offene Ende ist ebenfalls nicht frustrierend, da eigentlich alles auf eine subtile
Weise gesagt wurde. Und so nimmt eine magische Reise, die durch ihre Natürlichkeit und Ehrlichkeit hervorsticht,
ein Ende, das einen mit einem angenehm warmen Gefühl zurücklässt.