Story: Lee Gang-sik (Cha Seung-won) sitzt wegen Raub und Mord lebenslang im Gefängnis. Wegen guter Führung in den letzten 15 Jahre bekommt
er die Gelegenheit, für einen Tag aus der Haft entlassen zu werden und seine Familie zu besuchen. Doch wie wird sein Sohn (Ryu Deok-hwan) reagieren,
den er mit drei Jahren im Stich gelassen hat, da er ins Gefängnis musste? Was soll er ihm überhaupt sagen? Wie soll er sich dafür entschuldigen,
dass er die Kindheit seines Sohnes verpasst hat?
Das Zusammentreffen von Vater und Sohn ist sehr kühl. Zu jeder Zeit von einem Aufseher begleitet, bekommt Gang-sik einen Einblick in das Leben seines
Sohnes und trifft auch seine senil gewordene Mutter wieder, um die sich sein Sohn kümmert. Für Gang-siks Sohn ist sein Vater allerdings nicht
mehr als ein Fremder und ein Krimineller. Gang-sik selbst weiß nicht, wie er eine Verbindung zu seinem Sohn herstellen soll und hält sich deswegen
zurück. Doch viel Zeit bleibt den beiden nicht, um zu sagen, wie sie sich fühlen und was sie voneinander halten.
Kritik: Es gibt in Korea eigentlich gar nicht so viele Regisseure, die länger als eine Eintagsfliege im Geschäft bleiben. Jang Jin ist einer
jener wenigen Persönlichkeiten, die schon länger dabei sind. Mit Filmen wie "Guns and Talks" oder "Someone Special" bewies er sein Talent, aber
seine wahre Stärke zeigt er als
Drehbuchschreiber. So verfasste er die Drehbücher zu "Ditto", "Welcome to Dongmakgol" und "Going by the Book". In "My Son" ist er sowohl für die Regie
als auch das Drehbuch verantwortlich. So darf man hier also durchaus Qualitätskino erwarten. Tatsächlich erweist sich sein Drama als überdurchschnittlich
gelungen, auch wenn es an manchen Stellen etwas zu manipulativ vorgeht. Die ehrlichen Emotionen, die allen voran von Cha Seung-won sehr gut getragen
werden und die Story, die es leicht macht, sich in die Charaktere einzufühlen und überdies noch mit einer gelungenen Wendung aufwarten kann, lassen aber
ohne weiteres darüber hinwegsehen. Am Ende trifft "My Son" einfach die richtigen Töne und das ist ja eigentlich alles, worauf es bei einem guten Drama
ankommt.
Zuerst einmal muss gelobt werden, dass Jang Jin einen Mörder in den Mittelpunkt seines Films rückt. Er nimmt keinen billigen Ausweg bei der ersten
sich bietenden Gelegenheit. Es wird zwar angedeutet, dass Gang-sik zum Zeitpunkt der Tat geistig nicht ganz zurechnungsfähig war, aber seine Taten werden
durch nichts entschuldigt und Gang-sik versucht sich auch nie zu rechtfertigen. Denn er weiß am besten, dass das gar nicht möglich wäre. Mit solch
einer Person bürdet Jang Jin seinem Darsteller aber natürlich auch eine große Verantwortung auf. Wie soll schließlich ein Mörder die Sympathien
des Publikums für sich gewinnen können? Glücklicherweise schafft Cha Seung-won ("Eye for an Eye", "Blood Rain", "Kick the Moon") aber genau das. Er
ist ein Mann, der seine Gefühle nur schlecht zeigen kann. Allerdings sehen wir es in seinem Inneren brodeln und früher oder später brechen natürlich auch sein
Gefühle aus ihm heraus. Dieses subtile Schauspiel ist auch dafür verantwortlich, dass wir uns bald die Frage stellen, ob es nicht tatsächlich möglich
ist, sich zu ändern und für seine Sünden irgendwann bezahlt zu haben. Der Zuschauer jedenfalls schließt Gang-sik bald in sein Herz.
Es wäre für sich aber schwierig ins Innere Gang-siks zu sehen, wenn wir nicht auch durch innere Monologe mehr über seinen Gefühlszustand und seine
Gedanken erfahren würden. Was dann wiederum stört, ist, dass auch andere Personen des Films in solchen Monologen ihre Gedanken zum Ausdruck bringen.
Denn nur im Falle des Hauptdarstellers scheint dieses Stilmittel wirklich notwendig. Gerade dadurch gelingt es dem Regisseur nämlich die Gefühlsanspannung immer
weiter zu steigern, um sie schließlich später in Tränen aufzulösen. Als Zuschauer sehnt man sich jenen Moment fast schon herbei. Lobenswert ist überdies,
dass fast durchgängig darauf verzichtet wird, die Gefühle der Charaktere in kitschigen Worten auszudrücken. Man weiß einfach, was sie füreinander
empfinden, weil jeder es auf seine Weise zeigt. Es gibt jedoch auch einige interessante Monologe und Dialoge, die ihren Weg in den Film gefunden
haben und uns mehr mit dem Seelenleben der Charaktere vertraut machen. So wie Gang-siks Dilemma, dass zu lebenslänglich Verurteilte anders als zum
Tode Verurteilte nichts haben, worauf sie warten können oder das ihnen sogar Hoffnung geben könnte. Es sind auch ein paar nette Motive untergebracht worden,
wie z.B. die Eintagsfliege, die ein Symbol für Gang-siks eintägige Freiheit darstellt.
Die Emotionen funktionieren im Film natürlich auch so gut, weil mit Ryu Deok-hwan ("Like a Virgin") als Sohn auch ein geeigneter Darsteller gefunden
wurde, der mit die Komplexität der Beziehung zwischen Vater und Sohn tragen kann. Die anfängliche Scheu und Feindseligkeit weicht schließlich doch dem
Bedürfnis, den anderen kennenzulernen. Das vorsichtige Herantasten läuft auf sehr natürliche Weise ab und so können sich eben auch die Gefühle auf sehr
glaubwürdige Weise entfalten. Gang-sik versucht seinen Wert zu beweisen, ohne dabei aufdringlich zu sein, da er weiß, dass er vorsichtig sein muss und
vor allem weil er die Feindseligkeit seines Sohnes verstehen kann. Er selbst kann sich schließlich auch nicht leiden. Dennoch leiden wir mit ihm, wenn er
sich von seinem Sohn anhören muss, dass er böse Augen hat.
Ein paar merkwürdige und unpassende Momente gibt es aber doch, wie jener Einschub mit den Zugvögeln, der wohl als Gegenbild einer perfekten Familie
gedacht war? Ein Fremdkörper, der besser aus dem Film entfernt worden wäre.
Die solide Regie, ein passender Soundtrack und wie gesagt ein schön geschriebenes Drehbuch sowie die guten Darsteller machen den Film zu einem Drama,
bei dem man als Zuschauer nicht viel falsch machen kann. Zum Schluss gibt es dann überraschenderweise noch eine Wendung, die im
Nachhinein betrachtet durch verschiedene während des Films
eingearbeitete Details geschickt vorbereitet wurde und damit keineswegs künstlich wirkt. Das unterscheidet "My Son"
auch von vielen anderen allzu manipulativen Dramen, die am Schluss nochmal unbedingt mit einem Twist versuchen, auf die Tränendrüsen zu drücken und
damit nur ein Augenrollen hervorrufen. Jang Jin schafft es trotz einiger Manipulation des Zuschauers, die Gefühle ehrlich zu halten und es gelingt
ihm darüberhinaus sogar, am Ende die Trauer aufzulösen und ein Gefühl der Wärme und Hoffnung beim Zuschauer zu kreieren. Um ganz ehrlich zu sein,
lässt man sich auf diesem qualitativen Niveau doch auch gerne mal zu ein paar Tränen verleiten.