Story: Wong Hiu-ling ist eine Festland-Chinesin, die von ihrem Mann Lee Sum (Simon Yam) nach Hong Kong geholt wurde. Die beiden sind
verheiratet und haben zwei Töchter (Audrey and Ariel Chan). Lee gefällt nicht, dass seine Frau in einem Imbissladen arbeitet, er selbst
bekommt aber Sozialhilfe und kümmert sich nicht darum, einen Job zu finden. Seine Arbeitlosigkeit zerrüttet die Familie und macht ihn
depressiv und aufbrausend. Lee schlägt schließlich seine Frau immer häufiger, bis er direkt ihr Leben bedroht. Mit ihren Kindern flieht Ling
daraufhin ins Frauenhaus und überdenkt ihre Optionen. Die Sozialarbeiter sind nicht wirklich eine Hilfe und verstehen ihre Situation nicht.
Sie kehrt zurück in ihre Heimat, doch auch dort ist sie nicht vor Lee sicher, der sie aufsucht, um sie zurück nach Hong Kong zu bringen. Ihre
Eltern wollen genauso wie die Polizei, dass Ling ihre Streitigkeiten mit ihrem Ehemann beilegt und akzeptiert, dass ihre Probleme ganz
normal für ein Ehepaar sind. Doch Lings Situation bringt tatsächlich sogar ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder in Gefahr.
Kritik: Die Story von "Night and Fog" basiert auf einem wahren Mord-/Selbstmord im Jahr 2004 und zeichnet ein Bild von der Stadt Hong Kong,
die von Festland-Chinesen als Stadt der Hoffnung gesehen wird, wie es kaum trister und deprimierender sein könnte. Das Drama, das sich in
dem Film entfaltet, lebt dabei hauptsächlich von den beiden großartigen Hauptdarstellern, aber trotz der emotionalen Involviertheit des
Zuschauers präsentiert die hier gezeigte triste Welt eine schwer zu verdauende Geschichte, die uns wünschen lässt, auch ein wenig Wärme
spüren zu dürfen. Regisseurin Ann Hui ("The Postmodern Life of my Aunt") zeichnet ein kaltes Bild eines noch kälteren Hong Kongs,
das man so nur selten zu sehen bekommt. An sich wäre "Night and Fog" alleine deshalb schon empfehlenswert, aber das etwas zu langatmige
Tempo und die nicht wirklich vernünftig strukturierte Narration können den Film manchmal zur Geduldsprobe machen.
Ein weiterer Punkt, warum der Film den Zuschauer so erschöpfen kann, ist seine Nähe zur Realität. Die Tragik der Charaktere ist wie aus dem
wahren Leben gegriffen und das ist auch kein Wunder, denn Ann Hui hat keine Mühen gescheut, die Geschehnisse jenes wahren Mordes so getreu
wie möglich auf die Leinwand zu bringen. Sie hat Nachforschungen zu dem Fall angestellt und sogar Interviews geführt. Selbst einige Schauplätze
sollen die gleichen sein, an denen auch die wahre Familie zugegen war. Des Weiteren ist der Film mit einer HD-Kamera in ansprechenden Bildern
aufgenommen, die den Film zugleich ungemein real wirken lassen. Die kühle Beleuchtung der Innenräume tut ihr Übriges, den Eindruck zu
erwecken, man wäre hier mitten im tatsächlichen Leben anstatt in einem Film. Dementsprechend erdrückend erscheinen die Geschehnisse auf dem Bildschirm.
Ann Hui gebürt dafür natürlich Lob, andererseits stößt man als Zuschauer an die Grenzen der Belastbarkeit.
Von Anfang an herrscht auch kein Zweifel darüber, welches Schicksal Ling und ihre Familie ereilt. Wir steigen in den Film ein, indem wir
von dem Tod der Familie hören. Danach machen wir einen Zeitsprung in die Vergangenheit, durch den wir die Umstände erfahren, die zu der Tragödie
geführt haben. Doch dabei bleibt es nicht. Es werden immer wieder zeitliche Grenzen überwunden, indem wir noch weiter in die Vergangenheit
Lings zurückspringen. Auch wenn wir zu jeder Zeit den Überblick darüber behalten können, wo und wann wir uns befinden, scheinen die Zeitsprünge
etwas willkürlich und lassen keine richtige Struktur in dem Drehbuch erkennen. Einige Nebencharaktere bekommen auch nicht die Zeit, die
sie verdient hätten. Außerdem scheint die Schachtelstruktur des Films auch etwas unnötig. Es gibt überdies einige Szenen, die durchaus etwas
kürzer gehalten hätten werden können, womit der Film im Gesamten etwas stimmiger geworden wäre.
Zhang Jingchu ("Overheard", "Jade Warrior") schafft es ihrer Rolle die nötige Komplexität zu verleihen. Die Entscheidungen, die sie trifft, sind
oft nicht die richtigen und dennoch können wir nachvollziehen, warum sie die Fehler begeht, die ihr Leben immer weiter zerstören. Ihre Beziehung
zu Lee bekommt im Laufe des Films, auch dank der Rückblenden, immer mehr Facetten und damit wird auch sie immer dreidimensionaler. Simon Yam ("Election",
"Sparrow") verkörpert den Ehemann, dessen anfängliche Leidenschaft schnell die Grenze zur Obsession und Gewalt überschreitet. Anfangs erscheint
er noch recht sympathisch, aber mit der Zeit lernen wir immer mehr über sein wahres Ich, bis sich am Schluss das ganze Monster entfaltet, das in
ihm steckt. Hier mag es Ann Hui vielleicht auch etwas zu weit getrieben haben, denn in ein paar Szenen erscheint Lee tatsächlich als ein
wahnsinniges Monster, was dem subtileren Monster zu Anfang die Substanz nimmt. Dennoch schafft es Yam seiner Rolle über weite Strecken die
nötige Tiefe zu geben, sodass wir Lee mit gutem Grund verabscheuen können.
Ann Hui nimmt sich auch die Zeit, auf das Verhältnis zwischen Hong Kong und dem Festland einzugehen. Verheiratete Hong Kong Männer, die sich
auf dem Festland bei Prostituierten vergnügen, welche wiederum hoffen einmal einen Mann zu finden, der sie mit nach Hong Kong nimmt, stellen für
die Regisseurin sogar den Ausgangspunkt für das Drama dar. Irgendwie scheint es dabei, dass sie die wahre Geschichte dieses Falls aber zu sehr
zum Instrument ihrer eigenen Aussage des Films macht. Die gut ausgearbeiteten Charaktere und die realen Emotionen machen "Night and Fog" aber
nichtsdestotrotz zu einem interessanten Drama, das für meinen Geschmack jedoch etwas zu sehr an der Wahrheit und der realen Welt arbeitet und
damit ungemein deprimierend auf mich wirkte. Unter Kritikern mag der Film deshalb besonderes Lob erhalten, und normalerweise bin ich einer der
ersten, die sich über ein tragischen Ende freuen, doch "Night and Fog" ist mir dazu zu wenig Film und zu viel Realität, weshalb ich einen rein
persönlichen Abzug geben muss.