Story: Jong-du (Sol Kyung-gu) hat betrunken einen Mann überfahren und kommt für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Am Tag seiner Entlassung
wartet vor den Toren jedoch nicht wie erwartet seine Familie. Nachdem er wieder auf die Polizeiwache kommt, weil er die Rechnung in einem Imbiss
nicht bezahlen konnte, holt ihn sein Bruder ab. Jong-du soll wieder in die Gesellschaft integriert werden, aber seine Familie ist nicht wirklich
glücklich, dass er wieder da ist. Jong-du ist auf sozialer Ebene kein leichter Mensch, dennoch besucht er die Familie des Mannes, den er überfahren hat,
um sich zu überzeugen, dass es ihnen gut geht. Dort trifft er die körperlich behinderte Frau Gong-ju (Moon So-ri), die sofort sein Interesse erweckt.
Der Bruder Gong-jus will aber nichts von Jong-du wissen und so wirft er ihn aus der Wohnung. Allerdings verschafft sich Jong-du später wieder Zugang zur
Wohnung der Frau, um die sich ihre Familie kaum kümmert, und beginnt eine Freundschaft mit ihr. Obwohl diese unter nicht optimalen Bedingungen
startet, entwickelt sich zwischen den beiden mit der Zeit Liebe...
Kritik: Lee Chang-dong ist einer der wohl angesehensten Regisseure Koreas und besitzt auch außerhalb seines Heimatlandes unter Filmfestivalbesuchern
einen guten Ruf. Seine Arthouse-Filme zeichnen sich dabei durch einen sehr ruhigen Ton und eine kühle Distanz zum Geschehen aus, die jegliche
Melodramatik im Keim ersticken soll. Der ehemalige Schriftsteller hat ohne Zweifel Geschichten zu erzählen, die gehört bzw. gesehen werden sollten,
doch seine Erzählweise ist ungemein nüchtern. In seinen Büchern mag das vielleicht sehr gut funktionieren, aber schon in seinem vorangegangenen
"Peppermint Candy" oder seinem späteren "Secret Sunshine" stellt das eine Barriere dar, die mir den Zugang zu seinen Filmen immer verweigert hat.
Mit "Oasis" verhält es sich nicht anders, und das ist besonders fatal, da wir hier eine Liebesgeschichte erzählt bekommen, die mit der emotionalen
Wärme eines Kaltblüters erzählt wird. Daraus folgend kann das Drama niemals seine volle Wirkung entfalten. Lee Chang-dong bleibt damit für mich,
auch wenn seine Werke einen bestimmten Wert haben, den man ihnen nicht absprechen kann, einer der am meisten überschätzten Regisseure Koreas.
Allerdings stehe ich recht alleine mit dieser Meinung dar. Wer also schon ein Lee Chang-dong Fan ist, der sollte am besten nicht weiter lesen,
ansonsten würde ich wohl einen weiteren treuen Besucher meiner gerade mal aus einer handvoll bestehenden Leserschaft verlieren. Es ist aber nicht zu
leugnen, dass Lee seine Filme mit einer Tristheit
einfängt, die es schwer macht, Zugang zu ihnen zu finden. Nur ein paar kleine Anfälle von Phantasie können dies aufhellen. So spielt Gong-ju gerne
mit Licht und reflektierte Sonnenstrahlen an der Decke erwachen plötzlich zum Leben und fliegen als Schmetterlinge in ihrem Zimmer herum. Doch
das ist eher die Ausnahme. Die meiste Zeit folgen wir den in tristen Grautönen gehaltenen ruhigen Kamerabewegungen des Regisseurs, wenn er einen
Einblick in das Leben zweier außergewöhnlicher Individuen gibt. Es gibt keine Schnörkel und auch kaum Musik, alles fühlt sich vielmehr sehr
steril an und auch das Innenleben der Charaktere ist mehr angedeutet als tatsächlich vom Drehbuch ausgearbeitet.
Die Charaktere bringen uns jedoch zur beeindruckenden Stärke des Films, den Darstellern. Sol Kyung-gu ("Peppermint Candy", "Silmido", "Rikidozan")
ist ein wirklich großartiger Schauspieler, der in augenscheinlich jede Rolle schlüpfen kann. Seine Darstellung in "Oasis" ist sehr subtil
und er schafft es glaubwürdig einen Menschen darzustellen, der einen ganzen Haufen von Schwächen hat und eigentlich eher nicht zu den guten
Kerlen zu rechnen ist, und dennoch kann der Zuschauer mit ihm sympathisieren. Sein erstes Treffen mit Gong-ju endet fast in einer Vergewaltigung und
später überfällt er eine weitere Frau, sodass ihm immer etwas Unberechenbares anhaftet. Dabei ist auch nie ganz klar, ob er nur ein sozial nicht
integrierter Einzelgänger oder doch geistig leicht zurückgeblieben ist. Fakt ist jedoch, dass er keine Verantwortung im Leben übernehmen will
und sich oft nicht der Folgen seines Handelns bewusst ist. Seine Familie war eigentlich ganz glücklich, als er im Gefängnis war, denn man
hat es wirklich nicht leicht mit ihm, und auch das kann man dank Sols vielschichtiger Darstellung nachempfinden.
Absolut fantastisch ist jedoch die Leistung von Moon So-ri ("A Good Lawyer's Wife", "The President's Barber"). Noch nie hat man eine so
großartige Darstellung eines behinderten Menschen gesehen. Sie ist gefangen in einem Körper, der ihr nicht gehorcht, ihre Finger sind merkwürdig
verdreht und verkrampft, eines ihrer Augen schielt immer nach innen und ihr Gesicht ist ebenfalls ins Unkenntliche verdreht. Dass Moon So-ri
eigentlich ziemlich hübsch ist, sieht man in "Oasis" nicht. Abgesehen von einigen wenigen kleinen Momenten, in denen Gong-ju aus ihrem Rollstuhl
aufsteht und plötzlich wie ein normaler Mensch um ihren Freund herumspringt. Diese Phantasieelemente, in denen wir Gong-jus Vorstellungswelt zu sehen
bekommen, werden gezielt und sparsam eingesetzt, was sie umso effektiver macht und erst wirklich bewusst macht, was wir eine tolle Leistung Moon
hier vollbringt. Der Film schreckt auch nicht davor zurück, das Thema Sexualität von Behinderten zu behandeln, was uns dann leider zu einem
Schwachpunkt des Films führt. Dem Ende.
Das Ende funktioniert für mich einfach nicht. Gong-ju ist durchaus in der Lage, sich verständlich zu machen, nur nicht in Stresssituationen. Das
Missverständnis gegen Ende ist deshalb überhaupt nicht glaubwürdig und hätte spätestens ein paar Stunden später aufgeklärt werden können. Hier
schien Lee Chang-dong Drama nur des Drama wegens in den Film verbaut zu haben. Löblich ist allerdings Lees Blick auf die koreanische Gesellschaft
und ihr Unvermögen mit Behinderten umzugehen oder diese in die Gesellschaft zu integrieren. Das mag ganz international ein Problem sein, scheint
in Korea allerdings wohl besonders schlimm ausgeprägt zu sein. Es bleibt nur fraglich, warum Lee seinen Film in solch kühlen Bildern und langatmigen
132 Minuten erzählen muss. Vielleicht ist es aber auch nur eine Frage der Perspektive, denn ich habe ebenfalls von Zuschauern gehört, die ganze
Wasserfälle bei diesem Film geheult haben. Mich hat "Oasis" jedoch absolut nicht rühren können. Die interessante Thematik des Films und die ungemein
tolle Darstellung der Schauspieler zwingen mich allerdings dazu, trotz allem eine Empfehlung auszusprechen.