Story: Ma Zhe (Zhu Yilong) ist in den Neunzigern Polizist und muss in einem kleinen Ort an einem Fluss einen Mord an einer alten Frau aufklären. Bei seinen Ermittlungen stellt sich heraus, dass die Frau nach dem Tod ihres Mannes einen mental eingeschränkten Mann (Kang Chunlei) adoptiert hat, der von den Bewohnern als harmlos beschrieben wird. Als der "Dorftrottel" gefunden wird, glaubt Ma ebenfalls nicht an dessen Schuld. Die Handtasche, die am Tatort gefunden wurde, beinhaltete außerdem eine Musikkassette, auf der auch die Stimme einer Frau zu hören ist. Die Frau ist bald gefunden und die weiteren Nachforschungen ergeben, dass es vor dem kleinen Jungen, der die Leiche gefunden hat, tatsächlich schon andere gegeben hat, die die Leiche entdeckt haben. Jeder von ihnen hat einen anderen Grund, warum er/sie die Tote nicht der Polizei gemeldet hat. Eine dieser Personen könnte der Mörder sein und schon bald gibt es einen weiteren Toten. Ma bekommt von seinem Chef immer mehr Druck, während zuhause seine Frau (Chloe Maayan) schwanger geworden ist und er auf familiärer Ebene auch immer mehr Stress hat. Langsam aber sicher führen die Hinweise im Fall Ma aber näher an die Wahrheit. Zumindest glaubt er das, denn das Netz an Lügen und Geheimnissen in dem Fall ist nicht leicht zu durchdringen ...
Kritik: "Only the River Knows" ist eine faszinierende Mischung aus Art-House-Streifen und film-noir/Thriller, in dem sich einige Kritik am China der damaligen, aber eben auch der heutigen Zeit verbirgt. Anders als andere anspruchsvolle Dramen funktioniert der Film auch auf unterhaltungstechnischer Ebene sehr gut, auch wenn immer wieder ein paar Szenen vorzufinden sind, bei denen man eindeutig den künstlerischen Anspruch sieht. So wird man hin und wieder auch mit Fragezeichen stehengelassen. Beeindruckend ist der Film aber in visueller Hinsicht. Da er fast komplett auf 16mm gedreht wurde, wirkt er tatsächlich, als würde er aus den 90ern stammen. Erzähltechnisch schlägt der Film auch immer wieder einige Haken, man wird an der Nase herumgeführt und bekommt zufriedenstellende Erklärungen für Dinge, die anfangs kaum Sinn ergeben haben. Gleichzeitig vergisst die Geschichte auch nicht seine Charaktere, sodass sich die Ereignisse nicht unnötig distanziert anfühlen, ein Problem, das normalerweise häufig in Filmen dieser Art vorzufinden ist.
Die Geschichte basiert auf einem Roman von Bestseller-Autor Yu Hua. Das Rätsel um den Mord in dem kleinen Ort holt einen sofort ab und es gibt auch schnell die ersten Verdächtigen. Die große Frage bleibt natürlich zunächst, warum es am Tatort fast wie an einem Bahnhof zuging, aber niemand die Leiche gemeldet hat. Der Grund dafür ist, dass China zu der Zeit sich zwar langsam der Welt gegenüber geöffnet hat und Veränderungen im Gang waren - die diversen abgerissenen Häuser sind auch ein visueller Hinweis darauf -, in der Realität gab es aber einige Dinge, die man besser für sich behalten hat. Da wäre beispielsweise eine verbotene Liebe oder jemand, der bereits zuvor durch "perverses" Verhalten aufgefallen ist. Die akzeptierte Norm Chinas macht dem Ermittler somit seine Arbeit schwer und es ist offensichtlich, dass diese Kritik auch auf die heutige Zeit übertragen werden soll. Traditionalismus und der Zwang, sich an Normen halten zu müssen, treiben hier einige Charaktere in die Verzweiflung, womit der Film auch als Drama funktioniert.
Der Ermittler bleibt aber ebenso nicht zweidimensional, wie man es am Anfang eventuell erwarten würde. Seine Ehefrau wird schwanger und die Frage, ob sie das Kind behalten will, obwohl es eine Behinderung haben könnte, führt zu ein paar Szenen, die wirklich herausragend sind. Zhu Yilong ("Lighting Up the Stars") kann eine großartige schauspielerische Leistung abliefern und trägt damit auch den gesamten Film. Andere Charaktere sind da leider etwas flacher geraten, wie sein Partner, den man anfangs für mental beschränkt hält, während man dann aber realisiert, dass er einfach nur etwas eigenartig ist. Detective Mas Ehefrau bekommt wiederum zu wenig Zeit, denn Darstellerin Chloe Maayan hat ein paar starke Momente, speziell als die Ehefrau (auch in einem politischen Kommentar) ihrem Mann unmissverständlich mitteilt, dass es ihr Körper ist und sie die Entscheidung trägt. Detective Ma schnappt sich daraufhin einige Teile eines noch nicht fertiggestellten Puzzles seiner Frau und spült sie die Toilette runter. In solchen kleinen Szenen kommen nicht nur besondere Charakterzüge zum Vorschein, sondern auch Humor blitzt auf.
Als Thriller hat mich "Only the River Flows" an ein paar Stellen auch an den koreanischen "Memories of Murder" erinnert. Das liegt nicht daran, dass sich die Polizei als besonders unfähig erweist. Ma geht sogar ziemlich analytisch vor und die Geschichte entwickelt sich somit ohne unnötige Zufälle oder Beweise, die dem Detective in den Schoß fallen würden, weiter. Vielmehr ist es die Kinematographie. Immer wieder regnet es in den Szenen, der Boden ist schlammig und selbst wenn es mal nicht schüttet, weht anscheinend vom Fluss Feuchtigkeit durch die Luft. Die Bilder erzeugen dabei immer das Gefühl, als würde man einen Film aus den 90ern sehen. Und die Sets sind auch schön anzusehen. So wird ein aufgegebenes Kino zum neuen Büro der Ermittler und das Medium Film wird ebenfalls dadurch zelebriert, dass zwischen Projektoren und Filmrollen Hinweise miteinander in Verbindung gebracht werden. Später gibt es noch eine Traumsequenz, die wunderbar innovativ geraten ist und auch hervorragende Kameraarbeit zur Schau stellt.
Unglücklicherweise geht dem Film gegen Ende etwas die Luft aus und er verliert sich mehr in seinem Art-House-Anspruch. Das Ende ist auch etwas eigenartig. Die gelungene Mischung aus "Neo-Noir" und anspruchsvollem Drama wirkt nicht mehr so ausgeglichen wie zuvor und alles wirkt schlicht weniger rund. Natürlich gibt es auch einige Aspekte, bei denen vom Zuschauer verlangt wird, dass er sich Gedanken macht und seine eigenen Interpretationen anstellt. Dennoch empfand ich am Ende einen Bruch, den man hätte vermeiden können. Trotzdem ist "Only the River Flows" in allen anderen Belangen weit über Durchschnitt und verdient damit eine Empfehlung. Gerade der vergleichsweise leichte Zugang, die tolle Kinematographie und die darstellerischen Leistungen wissen zu überzeugen. Besonders faszinierend ist der Umstand, dass der Film zweifellos auch aus den 90ern stammen könnte und damit eine besondere Atmosphäre kreiert.