Story: Lee Kang-do (Lee Jeong-jin) ist Schuldeneintreiber. Sollte er einmal nicht sein Geld bekommen, scheut er keine Gräueltat. So
hat er schon viele seiner Opfer verkrüppelt, um an eine Versicherungspolice zu kommen und so mancher von ihnen hat sich schließlich das Leben genommen.
Doch Kang-dos Welt wird völlig auf den Kopf gestellt, als eines Tages eine Frau (Jo Min-soo) bei ihm erscheint und behauptet, seine Mutter zu sein, die ihn
bei seiner Geburt verlassen hat. Der Schuldeneintreiber schickt sie mehrfach fort, aber die Frau bleibt hartnäckig und möchte nun alles wiedergutmachen.
Sie kocht für ihren Sohn und erledigt den Haushalt, während Kang-do weiter seiner Arbeit nachgeht. Anfangs beobachtet sie ihn sogar bei der Arbeit und gibt sich
selbst die Schuld an der Brutalität ihres Sohnes. Sie hat ihn ohne Liebe aufwachsen lassen und so kann sie ihm keine Vorwürfe machen. Langsam lernt
Kang-do die neue Mutter in seinem Leben zu schätzen und zeigt sogar Veränderungen in seinem Charakter. Aber er hat schon zu viel Leid verursacht, das sich
nun seinen Weg sucht, um wieder auf ihn zurückzufallen...
Kritik: "Pieta" ist grausam, aber dies ist keineswegs in einem wertenden Sinne gemeint. Kim Ki-duks mittlerweile 18. Film ist nämlich
eine Rückkehr zu alter Form. Kim greift zwar alte Motive wieder auf, verwebt diese aber mit neuen Gedanken und ist dabei sogar erstaunlich offensichtlich
sozialkritisch. Das übergeordnete Motiv mag zwar die Mutter-Sohn Beziehung sowie Leid und Vergebung sein, aber daneben kritisiert der Regisseur den
Kapitalismus und zeigt, welche Trägodien damit einhergehen. Am Ende kann man "Pieta" aber getrost als indirekte Fortsetzung zu "Bad Guy" sehen. Was dieses
Drama aber so erfolgreich macht, ist, dass man sich am Ende emotional unglaublich erschöpft und ausgelaugt fühlt. Kims Film mag voller Monster sein, aber es
sind Monster, mit denen man Mitleid haben kann. So bedeutet der italienische Titel auch passenderweise "Frömmigkeit" oder "Mitleid".
Gewalt und Schmerz spielten in Kims Werken schon immer eine große Rolle. Die erste Hälfte von "Pieta" ist voll davon und nicht jeder wird bereit sein wollen,
dies zu ertragen. Der Film spielt in dreckigen Slums und die Männer, die sich bei Kang-do Geld leihen, sind alles verzweifelte Individuen.
Kims Faszination für Maschinen, er hat früher selbst in einer Fabrik gearbeitet, ist in dem Film allgegenwärtig und leider kann man mit diesen Maschinen
auch allerlei grausame Dinge anstellen. Der Regisseur spielt dabei gekonnt mit den Erwartungen des Zuschauers und so ist eine der schlimmsten Szenen
vielleicht jene, in der im Endeffekt gar nicht wirklich das passiert, was man erwarten würde. Allerdings hat bei Kim Schmerz noch eine andere Bedeutung.
Schmerz ist für ihn Liebe - und umgekehrt.
Durch Schmerz beweisen sich die Charaktere in Kims Filmen ihre Liebe. Durch Liebe entsteht Schmerz. Zwei Seiten einer Medaille. Die angebliche Mutter,
die plötzlich wieder auftaucht, sucht nach Vergebung und glaubt auch diese nur durch das Ertragen von Schmerz zu erlangen. In einer für Kim typischen Szene
ist sie deshalb auch bereit ein Stück Fleisch aus dem Bein ihres Sohnes zu essen. Die Ideen des Regisseurs mögen provokant, schockierend bis abartig sein,
aber sie stehen alle in einem gewissen Kontext und sind daher keineswegs Spielereien. Es gibt eine Botschaft, die Kim Ki-duk übermitteln will und er erreicht
dies durch Charaktere, die allesamt etwas verdreht wirken mögen, aber unser Mitleid verdienen, da es Gründe für ihr krankhaftes Verhalten gibt. Für Kang-do
ist das Aufwachsen ohne eine Mutter auch ein Leben ohne Liebe gewesen.
Demnach verwundert es nicht, dass wieder einmal der Wunsch des Regisseurs, zurück in den Mutterleib zu gelangen und somit wieder eins mit dem Ursprung zu
werden, aufgegriffen wird. In "Pieta" nimmt die Beziehung zwischen Mutter und Sohn auch eindeutig ödipale Züge an. Die kleinen Szenen, in denen Kang-do dann
auf recht unterhaltsame Weise versucht, seine verlorene Kindheit nachzuholen, wirken für Kims Verhältnisse sogar erstaunlich heiter, aber solche
Szenen werden schnell wieder von der grausamen Wirklichkeit eingeholt. Dennoch schafft es der Regisseur, den Zuschauer auch mal an den unmöglichsten Stellen
zum Auflachen zu bringen. Die beiden Darsteller leisten gute Arbeit, es ist nur etwas irritierend, dass Jo Min-soo für die Rolle der Mutter doch etwas zu
jung wirkt. Außerdem könnte man kritisieren, dass sich die Beziehung der beiden an ein paar Stellen etwas zu sprunghaft entwickelt.
Während die erste Hälfte des Films von Gewalt durchzogen ist, beschreitet "Pieta" gegen Ende ruhigere und tatsächlich sogar poetische Wege. Wer Kim Ki-duk kennt,
wird aber darauf nur gewartet haben und sich keineswegs betrogen fühlen. Denn gegen Ende gewinnt das Drama erst richtige Tiefe. Es gibt nämlich noch
ein paar Überraschungen, die uns erwarten und einem derben Stoß in den Magen gleichkommen. Der Regisseur kritisiert zwar wie gesagt auch den Kapitalismus und
setzt Geld mit dem Ursprung alles Bösen gleich, vielleicht auch Teil seiner Verbitterung über den ausbleibenden kommerziellen Erfolg seiner Filme, aber
letztendlich sind es Liebe, Hass, Rache und Vergebung, die im Mittelpunkt seines harten Dramas stehen. Auf den Filmfestspielen von Venedig hat Kim Ki-duk
dann auch den Goldenen Löwen für "Pieta" gewonnen. Ein Film, der einem alle Kräfte raubt und von einer speziellen Magie der Tragik erfüllt ist. Einer der
besten Filme Kims.