Story: Steelhead (Jackie Chan) hat von seiner Freundin Xiu Xiu (Xu Jinglei), die nach Japan gegangen ist, schon eine Weile nichts
mehr gehört und macht sich ernsthafte Sorgen. Er beschließt mit einer Gruppe von Chinesen als illegale Einwanderer nach Japan zu
gehen, doch dort angekommen wird ihm erst bewusst, wie schwer das Leben in Japan für einen Chinesen ist. Er schlägt sich mit schlecht
bezahlten Jobs durch das Leben und wird von seinem Freund Jie (Daniel Wu) vor den örtlichen Yakuza gewarnt, die gerade in einen
Machtkampf verwickelt sind. Steelhead und seine Immigrantenfreunde beschließen jedoch, ein paar kleineren illegalen Geschäften nachzugehen und
so trifft Steelhead schließlich auf den Yakuzaboss Eguchi (Masaya Kato), dessen Frau niemand anderes als Xiu Xiu ist. Durch Zufall rettet
er Eguchi das Leben, der sich nun revengieren möchte und Steelhead anbietet, dass er für ihn arbeiten kann. Steelhead sagt zu und bekommt
bald als Belohnung
ein kleines Viertel in Tokyo als sein eigenes Territorium. Doch trotz der Warnungen seiner neuen Freundin Lily (Fan Bingbing) gerät die
ganze Sache immer weiter außer Kontrolle und auch Inspector Kitano (Naoto Takenaka), dem Steelhead ebenfalls bei anderer Gelegenheit
das Leben gerettet hat, kann nicht mehr tatenlos zuschauen, wie sich die Machtverhältnisse in Tokyo zum Schlechteren wandeln...
Kritik: Die Story von "Shinjuku Incident" hört sich wie der Auftakt zu ein paar beeindruckenden Jackie Chan Stunts und etlichen
Kämpfen an. Doch Jackie Chan spielt nicht wie sonst Jackie Chan! Tatsächlich beherrscht Steelhead überhaupt kein Kung Fu und ist auch
niemand, der bei jeder Gelegenheit herumalbert. Chan versucht in diesem Film, ernsthaft zu schauspielern und sein Image ein wenig zu ändern.
Keine schlechte Idee, ist Chan doch nicht mehr der Jüngste und wird sich, falls er weiter vor der Kamera bleiben möchte, keinesfalls mehr
über den Bildschirm prügeln lassen können. Sein Versuch sich im Dramagenre zu betätigen kann nur halbwegs als gelungen bezeichnet werden.
Ein anderer Schauspieler hätte dem Charakter Steelhead wahrscheinlich mehr Ebenen verleihen können, die nun bei der eigentlich recht
komplexen Figur etwas vernachlässigt scheinen. Chan hat es aber auch nicht leicht, denn man sieht in ihm schließlich einfach immer noch
Jackie Chan! "Shinjuku Incident" ist aber dennoch ein düsterer Gangsterthriller mit Stärken, die ihn durchaus zu einer
Bereicherung des Hong Kong Kinos machen.
Derek Yee ist wahrlich kein unbekannter Regisseur, so ist er doch für Filme wie den ebenfalls sehr düsteren "One Night in Mongkok", das
wunderbare Romantikdrama "Lost in Time" oder "2 Young" verantwortlich. Dieses Mal spinnt er seinen Film um eine Gruppe von illegalen
chinesischen Einwanderern in Tokyo, sodass die Geschichte zumindest am Anfang fast schon Milieustudiencharakter hat. Auch die Texttafel am Ende beweist,
dass Yee dieser Aspekt der Geschichte sehr wichtig war. Das macht das Drama um die chinesischen Einwanderer dann auch noch etwas
mitnehmender und lässt "Shinjuku Incident" nicht nur zu einem einfachen Yakuzathriller werden.
Traurigerweise erweist sich die Geschichte aber im Verlauf als etwas undurchdacht und holprig erzählt. Tatsächlich sind die Momente
im Film die besten, in denen sich Yee mehr auf seine Charaktere konzentriert. Dennoch hat man das Gefühl, dass man die Geschichte
etwas straffer hätte erzählen können. Zwei Stunden scheinen einfach etwas zu lang, sodass nicht immer die gewünschte Einheitlichkeit gegeben
ist und der Film in Bezug auf sein Tempo oft hin- und herspringt.
Ein weiteres Problem ist, dass Chan nicht wirklich als der ambivalente Charakter rüberkommt, der er eigentlich sein soll. Er rettet Menschenleben,
wie z.B. das von Inspector Kitano, aber er ist auch genauso schnell dabei es zu nehmen. Das Steelhead somit eigentlich auch einer der
Bösen ist, geht aber oft komplett unter, wahrscheinlich weil Good Guy Chan die Rolle innehat. Daniel Wu ("Protégé", "New Police
Story") kann dagegen etwas mehr Drama in den Film bringen. Er ist ein Feigling, wird dazu noch vom Pech verfolgt, sodass er schließlich
eine krasse Wandlung durchmacht. Wu kann die Bandbreite seines Charakters recht ansehnlich zur Geltung bringen, auch wenn sein Japanano
(Visual Kei) Glamrock-Auftritt am Ende fast etwas Comicartiges an sich hat.
Bereichert wird der Cast durch ein paar bekannte Gesichter, die den Film um einiges aufwerten. Da wären natürlich Fan Bingbing oder
Milkyway-Gesicht Lam Suet in einer netten Nebenrolle, aber auch viele japanische Darsteller wie Masaya Kato ("Fighter in the Wind",
"Samurai Resurrection"), der es sehr gut versteht einen ambivalenten Charakter darzustellen, als auch der oft in Comedyrollen eingesetzte
Naoto Takenaka ("Swing Girls", "Waterboys") als charismatischer, aber ernstzunehmender Polizist.
Derek Yee bringt den Schauplatz Tokyo gut zur Geltung, sodass sich der Film wie eine Mischung aus Hong Kong Triadenfilm und Yakuzastreifen
anfühlt mit Tendenz zu ersterem. Die Bilder sind oft sehr düster und der Gewaltgrad wird an einigen Stellen erfolgreich als Schockmittel
eingesetzt. Yee hätte sich jedoch mehr auf die Charaktere konzentrieren müssen, denn in den wenigen Momenten, in denen er das macht, fühlt
sich der Zuschauer tatsächlich auch emotional bewegt. Einige der kleineren Prügeleien oder auch das fast schon epische Finale wirken da
beinahe schon fehl am Platz. "Shinjuku Incident" fühlt sich überdies so sehr nach einem Hong Kong Film an, dass wir schon ab der Mitte
alles andere als ein Happy End erwarten, weshalb es umso trauriger ist, dass Yee keinen größeren Fokus auf die Ausarbeitung der facettenreichen
Individuen gelegt hat. Dennoch können die Actionsequenzen durchaus das Adrenalin in die Höhe treiben. Von technischer Seite muss sich der
Film übrigens ohnehin nicht verstecken, da ihm einiges an Produktionsgeldern zur Verfügung stand.
"Shinjuku Incident" ist ein ambitionierter Film, der besser daran getan hätte, sich mehr auf eines seiner Themen zu fokussieren. Das
Immigrantendrama kann sich mit der Gangsterweltthematik nämlich nicht die Waage halten. Es ist auch schade, dass sich der Film gerade
in Richtung Finale in das kommerziell besser ankommende Unterweltgenre verliert, sodass einige Entscheidungen der Charaktere wegen
mangelnder Charakterausleuchtung etwas fragwürdig bis unverständlich bleiben. Man merkt Chan an, dass er sich die größte Mühe
bei seiner Darstellung von Steelhead gibt, aber jemand wie Anthony Wong oder Lau Ching-Wan hätten wohl einfach eine diffizilere Darstellung
abliefern können. Trotzdem bleibt "Shinjuku Incident" ein unterhaltsamer und düsterer Thriller, bei dem eben gerade die Immigrantenthematik
punkten kann. Yee kann in einigen Belangen mit seinem Endprodukt nicht ganz zufriedenstellen, aber er liefert dennoch einen Film ab, der
gut genug ist, dass man sich kurz über das Thema Gedanken machen muss und überdies einen ordentlichen Hong Kong-Film zu sehen bekommt.