Story: Ryu (Shin Ha-kyun) ist taubstumm und hat sein Kunststudium aufgegeben um sich um seine kranke Schwester
(Lim Ji-Eun) zu kümmern. Er hat einen Job in einer Stahlfabrik und versucht das Geld zusammenzubekommen, das seine
Schwester für eine Nierentransplantation benötigt. Vom Arzt erfährt Ryu dann allerdings, dass er als Spender nicht in
Frage kommt, da er eine andere Blutgruppe hat. Bis ein Spender für seine Schwester gefunden ist, könnte es zu spät ein.
Deshalb lässt er sich mit einer dubiosen Bande von Kriminellen ein, die ihm eine passende Niere für Geld und seine
eigene Niere im Tausch anbieten. Ryu willigt ein, doch er wird über's Ohr gehauen.
Schließlich bekommt er vom Arzt mitgeteilt, dass sie wundersamerweise schon jetzt einen passenden Spender haben. Doch
Ryu fehlt jetzt natürlich das Geld...
Da Ryu nun auch seinen Job verloren hat, entwickelt er zusammen mit seiner linksliberalen Freundin Yeong-mi (Bae Du-na)
einen Plan. Sie wollen die Tochter seines ehemaligen Arbeitgebers Dong-jin (Song Kang-ho) entführen. Das gelingt ihnen
auch, aber irgendwie geht dann alles schief. Und Dong-jin begibt sich auf einen Rachefeldzug...
Kritik: "Sympathy for Mr. Vengeance" ist der erste Teil von Park Chan-wooks "Vengeance"-Trilogie. Da ich zuerst
den "zweiten" Teil "Oldboy" gesehen habe, war ich ziemlich enttäuscht von Parks Auftakt seines Racheepos. Außer dem
Rachemotiv haben die Filme nichts miteinander gemein. Und so geht "Sympathy for Mr. Vengeance" zwar auch einen
düsteren, kalten und beklemmend wirkenden Weg, allerdings schafft er es nicht eine Verbindung zum Zuschauer aufzubauen.
Alles wirkt irgendwie distanziert und zu kühl, und die Sympathie zu den Protagonisten ist nur manchmal und auch nur
minimal da. Außerdem hat der Film mit einem zu langsamen Tempo zu kämpfen. Was den Style-faktor angeht, so zeigt
Regisseur Park wieder einmal, dass er wirklich was von seinem Handwerk versteht. Allerdings vermisst man den
letzten Feinschliff, der ihn in seinen späteren Werken auszeichnet. Der Film scheint eher für ein Arthouse-Publikum
gemacht worden zu sein, als für das "gemeine" Volk und das sieht man ihm auch oft an.
Die Erzählperspektive ist recht originell, führt aber anfangs schnell zu Verwirrung. Bei vielen wird es eine Weile
dauern, bis ihnen klar ist, dass es sich bei der Schwester Ryus und seiner Freundin um zwei verschiedene Personen
handelt. Das liegt an den unglücklichen (aber gewollten?) Schnitten des Films.
Ebenso plötzlich haben wir dann auch
das eigentliche Kidnapping hinter uns gebracht. Solche kleinen Storysprünge gibt es häufiger und auch wenn sie im
Nachhinein logisch sind, bzw. die eigentliche Handlung nachvollziehbar bleibt, machen sie einem das Schauen nicht
gerade leicht. Außerdem behält der Zuschauer immer eine gewisse Distanz zum Geschehen. Das liegt daran, dass die
Motive und Handlungen der einzelnen Figuren nicht immer nachvollziehbar sind und die Emotionen etwas zu weit in
den Hintergrund gerückt werden. Der Film ist vielmehr schockierend und schafft es mit seiner Kälte eher das Gefühl der
inneren Leere beim Zuschauer zu erwecken.
Für Ryu geht alles schief und während wir uns am Anfang auf seiner Seite wissen, schwenkt die Erzählsicht dann um und
konzentriert sich eher auf Dong-jin. Obwohl wir jetzt mit ihm sympathisieren, können wir Ryu immer noch nicht als
den "bösen" Gegenspieler sehen. Das ist das eigentlich Geniale an "Sympathy for Mr. Vengeance": Hier gibt es keine
Schwarz-weiß-Zeichnung. Obwohl uns die Methoden und Handlungen der Personen manchmal zuwider sind, so können wir doch
grundlegend verstehen, warum sie so handeln. Jeder scheint seine Gründe zu haben und niemand kann sie ihm wirklich
verübeln, auch wenn sie moralisch nicht zu vertreten sind. Dieses Sympathiegefühl geht aber auch wieder schnell
verloren, wenn Dong-jin z.B. in aller Ruhe während des Essens, Yeong-mi mit Elektroschocks foltert. Was die
Gewalt angeht ist der Film unerbittlich, verstörend, blutig und beschönigt nichts. Auf seine ganz bestimmte Art
hat der Film wohl ein paar der gewalttätigsten Szenen überhaupt zu bieten.
Trotz aller Gewalt ist "Sympathy for Mr. Vengeance" in erster Linie ein Drama. Shin Ha-kyun gibt als taubstummer und
manchmal etwas dümmlicher Ryu eine schöne Darstellung ab. Song Kang-ho kann als Dong-jin ebenfalls überzeugen,
genauso wie all die anderen Darsteller mehr als durchschnittliche Leistungen erbringen. Doch allen Figuren fehlt
einfach irgendetwas. Sie scheinen ohne Leben zu sein, auch wenn sich das jetzt merkwürdig anhören mag. Ihre Emotionen
versinken im Strudel ihrer Rachegefühle.
Dennoch besitzt der Film einige unvergessliche und intensive Szenen, z.B. als Ryu unerkannt mit der Polizei in einem
Fahrstuhl fährt und das Leichentuch eines gerade gefundenen Opfers runterrutscht, bei dem es sich um eine Freundin
Ryus handelt. Unter diesen Umständen davon zu erfahren ist sicherlich nicht leicht, aber wir sehen wieder nichts
von Ryus Gefühlen, da er sich ja nichts anmerken lassen darf...
Neben einigen netten Kamareeinstellungen, schafft es Park wieder einmal seinen typischen Stil in den Film einfließen zu
lassen.
Außer ab und zu eingeblendeten Schrifttafeln, die uns das mitteilen, was der taubstumme Ryu zu vermitteln versucht und
dem Film etwas stummfilmartiges geben, hören wir auch manchmal das, was der Protagonist hört - nämlich gar nichts.
Überhaupt wird in dem Film relativ wenig gesprochen und die sehr spärlich eingesetzte Musik verstärkt das Gefühl
der Distanz zum Geschehen noch weiter. Gleichzeitig hat das aber unzweifelhaft auch seinen Reiz und lässt uns
trotz allem in diese Welt abtauchen, in der einfach alles schief zu gehen scheint, was schief gehen kann.
Wer hier ein
Happy End erwartet ist natürlich an der falschen Adresse. Vielmehr ist das Drama durch seine Charaktere, deren
manchmal fragwürdigen Motiven und der stellenweise krassen Gewalt, ein provozierendes Werk über Verlust, Trauer und
Rache. In kühlen Bildern verwischt der Regisseur die Grenzen von Gut und Böse und lässt uns in eine faszinierende
Welt eintauchen. Schade nur, dass der Film viele langatmige Szenen hat und einige Storynebenfäden besitzt, wie
z.B. die des kleinen Jungen, die augenscheinlich eigentlich überhaupt nichts zum Film beitragen und nur für noch
mehr Verwirrung sorgen.
Nach dem zweiten Mal Schauen, wenn man schon weiß was man zu erwarten hat, gefiel mir der Film eindeutig besser.
Mit viel gutem
Willen und wegen des Umstandes, dass "Sympathy for Mr. Vengeance" einige Szenen parat hält, die einem noch Tage danach
im Kopf herumschwirren, was heutzutage etwas Besonderes ist, bekommt der Film die bessere der vorgesehenen Bewertung.
Wer etwas Geduld besitzt und keinen wirklichen Vorgänger zu "Oldboy" erwartet, wird an diesem kleinen Kunstwerk
seinen Spaß haben können. Obwohl es ja jene Stimmen gibt, die unverständlicherweise behaupten das
"Sympathy for Mr. Vengeance" besser sei als sein Nachfolger...