Story: Dr. Toey (Nantarat Sawaddikul) sucht für ihr Krankenhaus einen neuen Arzt. Sie stellt den ruhigen Dr. Nohng (Jaruchai Iamaram) ein, muss
sich jedoch bald einer Liebeserklärung von dem Zahnarzt und Hobby-Musiker Ple (Arkanae Cherkam) stellen. Sie vertröstet Ple, indem sie ihm eine Geschichte
über einen Orchideen-Händler namens Noom (Sophon Pukanok) erzählt, der einst ebenfalls Interesse an ihr hatte. Ple weiß nicht, warum die Ärztin ihm
die Geschichte erzählt, aber er tröstet sich damit, dass auch der Mönch Sakda (Sakda Kaewbuadee) seinen Traum als Radio-DJ zu arbeiten, aufgeben musste.
Ple erkennt in ihm seinen jüngeren Bruder, der bei einem tragischen Unfall in seiner Kindheit ums Leben gekommen ist und eine Freundschaft zeichnet
sich zwischen den beiden ab. Währenddessen gewöhnt sich Dr. Nohng schnell an seine neue Arbeitsstelle, als ihm seine Freundin offenbart, dass ihre
Firma bald umzieht und er mit ihr kommen soll. Nohng ist sich aber keineswegs sicher, ob er seine Stelle in dem Krankenhaus, das mitten in der schönen
Natur liegt, für ein Leben in einer Fabriksiedlung aufgeben soll.
Kritik: Es ist eine echte Herausforderung, eine Inhaltsangabe über die Geschehnisse in "Syndromes and a Century" zu geben. Der Film bietet keine
wirkliche Geschichte, vielmehr stehen in ihm bestenfalls die Beziehungen der einzelnen Protagonisten im Vordergrund. Dann wiederum werden auch sie
von einer gewissen Distanz betrachtet und die Narrative beschreitet Wege, wie man sie so vorher in einem Film wohl selten zu sehen bekommen hat. Rückblenden
führen in die Erinnerung, Erinnerungen werden zur Realität, Wahrheit und Traum scheinen miteinander zu verschmelzen und letztendlich scheinen neben
dem buddhistischen Thema der Wiedergeburt auch der Gegensatz von Natur und Technik/Fortschritt das Zentrum des Films zu bilden. Viele Kritiker haben
den Film wegen seiner Originalität gelobt und dabei viele positive Worte über das Gefühl gefunden, das der Film in einem erzeugen kann. Keiner von
ihnen konnte jedoch der Story einen wirklichen Sinn verleihen. Versteht man es nicht, dann muss es Kunst sein und dazu noch gute. So leicht werde
ich es mir allerdings nicht machen. "Syndromes and a Century" ist interessant, hat aber eindeutig Probleme.
Der erste Teil des Films handelt von der weiblichen Ärztin Toey und ihrer Erinnerung an eine Liebesgeschichte mit einem Mann, der sie anscheinend
nur als eine Art Freund sieht. Dieser Teil zeichnet sich durch viele schöne Naturaufnahmen aus und trotz seines ruhigen Tempos gibt es auch einige
Dialoge, sodass der Film nicht gänzlich stumm ist, wie wir das von vielen "Kunst"-Filmen kennen. Tatsächlich ist der unterschwellige Humor, den
Regisseur Apichatpong Weerasethakul in sein Werk eingearbeitet hat, eine nette Abwechslung und sehr erfrischend. Er lockert das Drama auf und macht
die Dialoge, die eigentlich nur alltägliche Situationen der Ärztin im Fokus haben, etwas interessanter. Zusammen mit den vielen Aufnahmen in der
Natur kann "Syndromes and a Century" hier tatsächlich ein gewisses Gefühl des Friedens und der Ruhe vermitteln, ein beinahe magisches Gefühl. Dazu
sind die Charaktere faszinierend, wie der Mönch, der eigentlich DJ werden wollte oder der Zahnarzt, den eine innige Freundschaft mit diesem
verbindet, weil er glaubt, dass es sich bei ihm um die Wiedergeburt seines Bruders handelt, an dessem Tod er Schuld hat.
Es ist auch gar nicht so schlimm, dass unser Interesse für die Charaktere nicht wirklich belohnt wird. Wir erfahren nicht viel mehr über die einzelnen
Personen als das Nötigste und oftmals sogar noch weniger. Wir sind von Dramen dieser Art bereits Ähnliches gewohnt. Die grünen Felder, die Sonnenfinsternis,
das kleine Konzert des Zahnarztes, all das erzeugt eine innere Melodie, die gefällt und bezaubern kann. Doch dann...
...werden wir in eine Parallelwelt entführt, die augenscheinlich weiter in der Zukunft liegt. Wahrscheinlich soll hier auch die Wiedergeburt als
buddhistisches Symbol zum Tragen kommen. Wir bekommen das gleiche Jobgespräch vom Anfang mit kleinen Abweichungen präsentiert. Auch andere Szenen
wiederholen sich, manchmal sind die Parallelen deutlich erkennbar, manchmal erst auf den zweiten Blick, wie z.B. die Sonnenfinsternis, die diesmal von
dem dunklen Loch eines großes Schlauches dargestellt wird. In dieser Geschichte steht der neu eingestellte Arzt im Vordergrund und es gibt kaum noch
Natur zu sehen. Helle, sterile Gänge, die ein Gefühl der Isolation hervorrufen, geschlossene Räume, die erdrücken, Gespräche, die ermüden oder lange
Momentaufnahmen der verschiedenen Krankenhausräumlichkeiten machen den Film dann zu einer wahren Geduldsprobe.
Wo genau ist hier das Drama? Für mich ist der Film eindeutig eine Gegenüberstellung von Gegensätzen. Tradition und Fortschritt, Vergangenheit und Gegenwart,
Natur und Technik,
Frau und Mann, all das verpackt in einen zweigeteilten Film, dessen Zäsur man erst retrospektiv wahrnimmt. Das Problem ist diese Zweigeteiltheit,
denn sie ruft natürlich auch entgegengesetzte Stimmungen hervor. Während im ersten Teil eine gewisse Verträumtheit den Zuschauer gefangen genommen hat,
ist es im zweiten Teil ein Gefühl der Isolation und Einsamkeit, eine unendliche Kühle, die nur selten aufgehellt wird. Die langen Aufnahmen der
Krankenhausgänge und -räume mitsamt der Musikuntermalung rufen sogar ein Gefühl der Angst wie in einem Albtraum hervor. Der Einschub von einigen
Momentaufnahmen in Form von Fotos einer Fabriksiedlung unterstreichen dieses Gefühl umso mehr. Das letzte Bild des Films, eine Gruppe von Menschen,
die an einer Form des Frühsports im Freien teilnehmen, soll von dieser Isolation befreien. Stellvertretend für den Zuschauer schütteln die Sportler dieses
Gefühl der Einsamkeit von sich ab. Aber auch dieses letzte, wieder etwas fröhliche Bild mag nicht zu denen der vorausgegangenen Dreiviertelstunde passen.
Auch Kunst muss stimmig sein oder durch sein Aufzeigen der Gegensätze eine gewisse Ganzheit kreieren. Das schafft Apichatpong Weerasethakul, der kein
Unbekannter ist und auch im Westen mit "Tropical Malady" bekannt sein dürfte, nicht. Im Film gibt es eine Orchidee, die ein Botaniker als eigentlich
hässlich und in seinem Äußeren als unordentlich beschreibt, dennoch sei sie sehr selten und damit etwas Besonderes sowie von großem Wert. Es ist
offensichtlich, dass genau das auch den Film "Syndromes and a Century" beschreiben könnte. Nur verstehe ich nicht, warum die meisten Kritiker genau
aus jenen Gründen den Film einen so besonderen Wert zuschreiben. Die Melancholie der Bilder, die ruhige Regie mit den vielen Momentaufnahmen, die schönen
Naturschauplätze, all das und vor allem der erste Teil des Films sind wirklich sehr ansprechend, aber mit seinem zweiten Teil befremdet das Drama lediglich.
Das regt allerdings zum Nachdenken an. Warum dieses Befremden? Warum befremdet und isoliert das Moderne und nicht die Natur? Vielleicht liegt hier die
wahre Aussage des Films begraben.
Ein Film für Kunstliebhaber, die Kunst der Kunst wegen mögen oder für jene, die ihren Frust überwinden können und nach der Botschaft in diesem etwas
chaotischen Film zu suchen bereit sind.