Story: Der Soldat Kang Sang-byeong (Jang Dong-gun) ist an der koreanischen Küste stationiert und soll dort nordkoreanische Spione am
Eindringen ins Vaterland hindern. Kang nimmt seine Aufgabe sehr ernst und übt sogar in seiner Freizeit militärische Manöver. Eines Nachts entdeckt
er jemanden an der Küste und fängt an zu schießen. Bei dem Mann handelt es sich allerdings nur um jemanden, der mit seiner Freundin Mi-yeong (Park
Ji-a) ein paar ruhige Minuten verbringen wollte. Der Mann wird nicht nur von Kugeln durchbohrt, sondern auch von einer Granate zerfetzt. Das Trauma,
das dieses Ereignis bei Mi-yeong auslöst, lässt diese verrückt werden und in jedem Soldaten ihren Freund erkennen, den sie dann einer nach dem
anderen verführt. Aber auch auf Kang hat das Ereignis Auswirkungen, denn die Schuld einen Zivilisten erschossen zu haben, lässt ihn nicht los und
er verfällt ebenfalls langsam dem Wahnsinn. Obwohl er ein paar Tage vom Dienst befreit wurde, kann er seine Einheit nicht verlassen und ist ganz
besessen davon, einen nordkoreanischen Spion zu fangen. Mit der Zeit greift der Wahnsinn auch auf den Rest der Einheit über...
Kritik: Wie kann man den Wahnsinn des Krieges verbildlichen? Filme wie "Taegukgi" haben einen Eindruck davon vermittelt, aber wie kann man
genau das Leid ausdrücken, das durch die Teilung eines Landes hervorgerufen wird? Park Chan-wooks "JSA" stellt einen sehr gelungenen, dramahaltigen
Thriller dar, der sich genau mit dieser Frage beschäftigt. Und natürlich ist er nicht der einzige. So wie das Thema auch heute noch viele Schriftsteller
beschäftigt, finden sich auch etliche Regisseure, die sich damit auseinandersetzen. Kim Ki-duk ist allerdings kein normaler Regisseur und so müssen
wir von ihm einen etwas anderen Blick auf diese Thematik erwarten. Einen etwas verdrehten, versteht sich. Und Kim Ki-duk enttäuscht hier nicht. Leider
ist sein Drehbuch diesmal jedoch über Maßen befremdlich, sodass es wirklich schwierig wird, in den Film zu finden. Der Wahnsinn, dem die Protagonisten
verfallen, schafft eine Mauer zwischen diesen und dem Zuschauer, auch weil ihr Verhalten nicht ganz glaubwürdig bzw. nachvollziehbar erscheint. Das
ist schade, da "The Coast Guard" auch einige sehr starke und mitnehmende Szenen bereithält.
Die Probleme fangen schon mit dem Soldaten Kang an. Warum ist er so verbissen, einen nordkoreanischen Spion zu töten? Wir erfahren jedenfalls nichts über
seinen Hintergrund und sein Verhalten ist schlichtweg merkwürdig. Als er dann versehentlich einen Zivilisten tötet, ist er von dem Unfall schockiert
und das erste Mal für den Zuschauer eine Person, mit der man sich identifizieren kann. Dann wird er jedoch wahnsinnig und schleicht sich trotz seiner
Entlassung aus dem Dienst immer wieder auf das Militärgelände, um weiter nach einem nordkoreanischen Spion zu suchen. Es scheint das einzige zu sein, woran
er sich noch klammern kann. Irgendwie kann man das noch verstehen, allerdings ist es einfach unbegreiflich, wie die anderen Soldaten auf ihn reagieren.
Anfangs versuchen sie vernünftig mit ihm zu reden und ihn dazu zu bringen, wieder nach Hause zu gehen, aber je mehr sie erkennen müssen, dass Kang
nicht mehr bei geistiger Gesundheit ist, desto unangebrachter verhalten sie sich. Sie lassen sich sogar von ihm zum militärischen Drill nötigen!
Natürlich war er früher ihr Vorgesetzter und hatte das Recht, ihnen Befehle zu erteilen, aber nun, da er Zivilist ist und verrückt geworden ist,
erscheint es einfach nur noch absurd, dass die Soldaten seinen Befehlen gehorchen.
Jang Dong-gun ("Friend", "Taegukgi", "The Promise") spielt seine Rolle hervorragend, in seinen Augen liegt immer eine gewisse Bedrohlichkeit und Form von
Wahnsinn. Park Ji-a, hauptsächlich in anderen Werken Kim Ki-duks anzutreffen, spielt das Mädchen Mi-yeong, die nach dem Vorfall ebenfalls verrückt
geworden ist. Park spielt häufig ähnliche Rollen, als wenn sie selbst dieser Welt etwas entrückt wäre, jedenfalls ist sie die perfekte Besetzung
für das Mädchen, das sich querbeet mit den Soldaten vergnügt, weil sie in ihnen ihren Freund zu sehen glaubt.
Kim Ki-duk erreicht den Wahnsinn auch durch die Verwendung einiger sehr starker Bilder. Mi-yeongs Freund wird mit etlichen Schüssen durchlöchert und
dann auch noch durch eine Handgranate in etliche Stücke zerfetzt. Ungewöhnlich brutal für einen Regisseur, dessen Darstellung von Brutalität doch eher
auf etwas subtilerer Ebene läuft. Dann gibt es da auch noch einige Bilder, die wegen ihrer Abstraktheit oder Absurdität besonders schockierend sind, wie z.B. der
Soldat, der mitten in der Fußgängerzone einer Großstadt Kampfmanöver mit seinem Gewehr übt und dabei einen der Umstehenden mit seinem Bajonett ersticht.
Der Zweck dieser Bilder ist eindeutig. Der Zuschauer soll wachgerüttelt und sensibilisiert werden für den Wahnsinn und die Absurdität unserer bzw.
der koreanischen Realität. Allerdings vermisst man in "The Coast Guard" weitere Motive, die wie bei Kim normalerweise in subtiler Form vorzufinden sind.
Wo ist hier die Symbolik, wo sind die Metaphern? Kim Ki-duks Werk über die Teilung des Landes ist vergleichsweise einfach gestrickt und fokussiert
sich nur auf den Wahnsinn, in den die einzelnen Charaktere mit der Zeit versinken. Die eine oder andere Szene mag zwar eine Interpretation erfordern, aber
der Film ist diesmal auch ohne Weiteres einem breiteren Publikum zugänglich, zumal es auch viel mehr Dialoge gibt, als für einen Kim Ki-duk
Film üblich. Darüber hinaus erleben wir auch ein wenig von dem Alltag der Soldaten, erfahren etwas von dem harten Drill jeden Tag und wie sie ihre
Freizeit verbringen. Das alles ist aber nur kurz angeschnitten und reicht nicht, dass wir für irgendjemanden von ihnen Sympathien entwickeln können.
Die Aussage, auf die Kim Ki-duk in "The Coast Guard" abzielt, ist zu offensichtlich für den Regisseur und das Drehbuch liefert einfach zu wenig, um
wirklich zum Nachdenken anzuregen. Gegen Ende verschwinden dann auch noch Kang und Mi-yeong für eine Weile fast vollständig aus dem Film und der
Fokus liegt auf den Soldaten, die ebenfalls langsam den Verstand verlieren. Das Drehbuch weist also einige Mängel auf und mit seinen gerade mal 90
Minuten Laufzeit hätte der Film trotzdem Raum für mehr geboten. Immerhin kann Regisseur Kim einige schöne Bilder einfangen, auch wenn sie durch
gewohnte Tristesse bestechen. Letztendlich mangelt es "The Coast Guard" einfach an der Originalität und subtiler emotionaler Inanspruchnahme, die wir
von den anderen Werken Kim Ki-duks gewohnt sind. Dennoch bietet auch dieses Drama ein paar Momente, deren Gehalt erkennen lässt, dass Kim in der Lage
ist, weitaus bessere Filme zu machen.