Story: Seong Han-mo (Song Kang-ho) ist ein Barbier und besitzt einen Laden in der Nachbarschaft des Präsidentenwohnsitzes,
dem Blue House. Politisch nicht sonderlich bewandert, schließt er sich immer der Meinung seiner Bekannten an und kann
auch zuerst nicht begreifen, welche Folgen es für das Land hat, als Präsident Rhee nach diversen Studentenprotesten
1960 zurücktritt und Platz macht für eine Militärdiktatur, angeführt von General Park Chung-hee (Jo Yeong-jin), die sich
1963 an die Spitze putscht. Han-mo hat allerdings ein ganz anderes Problem, denn seine Frau Min-ja (Moon So-ri) bringt in diesen
politisch turbulenten Zeiten einen Sohn zur Welt. Glücklicherweise läuft Han-mos Geschäft recht gut und er muss sich
keine Gedanken mehr darüber machen, wie er seine Familie versorgen kann, als der KCIA-Chef Jang (Son Byung-ho) in
seinen Laden kommt und ihn zum Präsidenten bestellt. Von diesem Tag an ist der einfach gestrickte Han-mo der Barbier
des Präsidenten und damit zumindest für seine Nachbarn einer der wichtigsten Menschen des Landes...
Kritik: Filmemacher haben die Angewohnheit, Geschichte entweder ungemein trocken im dokumentarischen Stil zu
transportieren oder in Form eines aggressiven und gewalttätigen Films, meistens im Gewand eines Kriegsfilms, die Zuschauer
aufzurütteln. Manchmal gibt es aber Regisseure, die sich tatsächlich etwas Neues einfallen lassen, und damit das
Publikum und die Kritiker zu Begeisterungsstürmen veranlassen. "Forest Gump" ist solche eine Geschichtsstunde anderer
Art, doch die Tragikkomödie "The President's Barber" erweist sich ebenfalls als ein solches Werk, das nicht nur für Geschichtsinteressierte
äußerst wertvoll ist, sondern das auch einfach unterhalten kann! Regisseur Lim Chan-sang schafft es mit seinem Werk auf
einem unwahrscheinlich schmalen Grat zwischen Gewalt und Komik zu balancieren. Wo sonst bekommt man zu sehen, wie
Menschen ihrer Meinungsfreiheit beraubt oder sogar gefoltert werden, und muss dabei lachen? Es ist die bitter-böse
Ironie, mit der Lim seinen Film präsentiert, die diesen so außergewöhnlich und wertvoll macht.
"The President's Barber" erzählt eine fiktionale Geschichte, stützt sich dabei aber auf historische Personen und
Ereignisse. Für den Zuschauer ist es dabei so einfach an der geschichtlichen Entwicklung Teil zu haben, weil uns
mit Han-mo eine Identifikationsfigur gegeben ist, die man bemitleiden, aber auch bewundern kann. Der Barbier ist ein
Mann von einfachem Intellekt, er liebt sein Land, weiß aber nur sehr wenig über die eigentliche Politik und die
Probleme des Landes. Das zeigt sich auch schon, als er von seinen Freunden beim Wahlgang "beraten" wird. Han-mo ist eigentlich
egal, wen er wählt, er ist glücklich, wenn er die anderen zufrieden stellen kann. Er möchte immer alles richtig
machen, scheitert aber nur allzu oft, was nicht zuletzt daran liegt, dass er geistig sehr einfach gestrickt ist. Aber
das macht ihn für den Zuschauer eben auch so sympathisch. Song Kang-ho ("The Host", "Memories of Murder") ist einfach
perfekt auf diese Rolle zugeschnitten und es ist auch nicht das erste Mal, dass er eine solche Rolle spielt.
Die freundliche Atmosphäre des Films wird auch durch die Nachbarschaftsbeziehungen geschaffen. Wir befinden uns zwar
in Seoul, aber damals handelte es sich eben noch um eine ganz andere Stadt, sodass wir manchmal den Eindruck bekommen,
dass Han-mo in einer Nachbarschaft lebt, die einem Dorf gleich kommt. Wir mögen zwar nicht jeden namentlich kennen, aber
ein Gefühl der Vertrautheit wird uns unweigerlich bei den Nebencharakteren einfangen müssen. Der fröhliche, französisch
anmutende Soundtrack trägt zur heiteren Stimmung bei, sodass wir alles, was wir auf dem Bildschirm zu sehen bekommen,
immer mit einem Augenzwinkern wahrnehmen. So findet sich Han-mo z.B. mitten in Studentenprotesten wieder, als
er seine hochschwangere Frau in einer Schubkarre zum Arzt bringen will, und er dabei selbst von den Studenten für einen
Arzt gehalten wird, welche ihn dann bitten, die von der Regierung angeschossenen Studenten zu behandeln. Überall ist
Blut und wir sind uns der Tragweite und Grausamkeit dieser Situation bewusst, und dennoch wird das alles auf ungemein
komische Weise transportiert, sodass man einfach darüber lachen muss.
Der extrem sarkastische Humor wird noch auf die Spitze getrieben, als es zur Folterung eines kleinen Kindes kommt.
Grausamer geht es wahrscheinlich nicht, aber auch hieraus macht Regisseur Lim eine äußerst lustige Szene. Dabei
vergisst der Zuschauer nicht, dass auch solche Greueltaten unter der Park-Regierung tatsächlich begangen wurden,
Lim zeigt nur, dass er die Botschaft auch übermitteln kann, ohne dass der Zuschauer sich dabei vor Übelkeit vom Bildschirm
abwenden muss. Es gibt etliche Szenen, die einen zum laut Auflachen bringen, einige davon gehen in der Übersetzung leider
verloren, diverse Anspielungen wird man wiederum nur verstehen können, wenn man sich mit der Geschichte des Landes etwas
auskennt, trotzdem bleibt immer etwas zu lachen. Auch eine Verneigung vor dem schon erwähnten "Forest Gump" gibt es, als
Song Kang-ho und Präsident Park digital in Originalaufnahmen mit Richard Nixon eingefügt werden, wobei sich hier die
technische Umsetzung wirklich sehen lassen kann.
Regisseur Lim findet tatsächlich die Zeit viele wichtige geschichtliche Ereignisse Südkoreas zumindest anzureißen und einen
unterhaltsamen Überblick über die turbulenten 60er und 70er Jahre des Landes zu geben, und wenn er dabei auch nur am
Rande erzählt, wie einer der Freunde Han-mos nach Vietnam geht. Kleine Kritik muss es aber an der etwas zu positiv
ausgefallenen Darstellung Präsident Parks geben. Park ist zwar maßgeblich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes,
die Verbesserung des Bildungswesens und die allgemeine Verbesserung des Lebensstandards verantwortlich gewesen, aber die
Mittel, mit denen er dies erreichte waren trotz allem die einer Diktatur, sodass uns das durchaus positive Bild dieses
Mannes etwas befremden muss.
"A President's Barber" ist voller Komik, Tragik und Grausamkeiten, die sich in einem ständigen Wechsel die Klinke in die
Hand geben. Eben genauso wie im richtigen Leben. Darüberhinaus verpackt der Regisseur auch noch einiges an Symbolik
und manchmal fast schon märchenhaften Szenen in seinen Film. Lims Werk ist ein ironischer Blick auf die
turbulenten Zeiten Südkoreas, die Geschichte bleibt dabei aber immer nah an den Menschen, sodass Geschichtsunterricht
selten so unterhaltend war wie hier. "A President's Barber" erweist sich als ein wertvolles Kleinod, das man sich nicht
entgehen lassen sollte!