Story: Jin (Kim Hee-yeon) ist sechs Jahre alt und muss oft auf ihre dreijährige Schwester Bin (Kim Song-hee) aufpassen, während ihre Mutter
(Lee Soo-ah) unterwegs ist. Eines Tages wird die Familie jedoch gezwungen, auszuziehen, weil die Mutter nicht mehr die Miete zahlen kann. Schweren
Herzens bringt die Mutter ihre Kinder zu deren Tante (Kim Mi-hyang) und sagt ihnen, dass sie zurück ist, sobald sie ein Sparschwein komplett mit
Münzen gefüllt haben. Jedes Mal, wenn sie brav waren, bekommen sie dafür von der Tante ein bisschen Kleingeld. Doch die beiden finden andere Wege,
an etwas Geld zu kommen, so grillen sie z.B. Grashüpfer und verkaufen sie an andere Kinder. Währenddessen haben sie es bei ihrer Tante nicht leicht,
da sie die Kinder öfters putzen lässt und selbst auch gerne mal etwas zu viel trinkt. Als das Sparschwein voll ist, warten die Kinder aber sehnsuchtsvoll
auf die Rückkehr ihrer Mutter und stehen deshalb Tag für Tag an der Bushaltestelle. Doch die Mutter ist immer noch auf der
Suche nach dem Vater der Kinder, der sie irgendwann einfach im Stich gelassen hat, und sollte sie ihn nicht finden können, hätte sie keine Möglichkeit,
ihre Kinder selbst zu ernähren...
Kritik: "Treeless Mountain" ist einer jener modernen Independent Filme, die durch ihren Naturalismus herausstechen und hauptsächlich
Festivalbesucher und Kritiker beeindrucken wollen. Auf den ersten Blick scheint er das wohl geschafft zu haben, denn die Kritiker überhäufen den
Film mit Lob. Allerdings sind das genau die Filme, bei denen ich besonders skeptisch bin. Und ein wenig Skepsis ist hier auch durchaus angebracht,
denn dann wird schnell offensichtlich, dass "Treeless Mountain" keineswegs so großartig ist und mit einigen ernsten Problemen zu kämpfen hat.
Zum einen wäre da das extrem langsame Tempo, der minimalistische Plot und der Umstand, dass sich das Drama oft wie eine Dokumentation anfühlt.
Letzteres mag ja vielleicht für den einen oder anderen Zuschauer ganz ansprechend sein, im Endeffekt sorgt das aber dafür, dass der Film extrem
kühl wirkt und der Zuschauer keine emotionale Bindung zu dem Leid der beiden Mädchen herstellen kann.
Natürlich könnte man anführen, dass ein naturalistischer Film eben genau auf solche Schnörkel wie dramatische Emotionen verzichten muss und das
wäre auch in Ordnung, wenn da nicht diese komplette Wand zwischen Charakteren und Zuschauer wäre. Wir beobachten das Leben der beiden kleinen
Mädchen wie Außenstehende, die trotzdem mittendrin sind. Das heißt, dass die Kamera immer bei den beiden Mädchen verweilt und sie bei ihren täglichen
Aktivitäten begleitet, eben genau wie bei einer Dokumentation. Aber offensichtlich soll es sich bei "Treeless Mountain" doch um ein Drama handeln.
Auf dieser Ebene versagt der Film jedoch völlig. Das Leben, das die beiden Mädchen führen müssen ist hart und die Umstände, unter denen sie wie
eine Bürde zuerst von der Mutter an die Tante übergeben werden und schließlich von dieser an die Großeltern, sind ebenfalls tragisch. Aber bei der
mangelnden Wärme des Films geht uns all das einfach nicht nahe genug, um wirklich mit den Kindern leiden zu können.
Die Geschichte entwickelt sich langsam und auf sehr minimalistische Weise, wobei sie immer klar zu verfolgen ist. Es gibt auch einige Szenen, in
denen man verschiedene Motive und anderweitige Symbole ausmachen kann. Interpretationen sind also willkommen, jedoch bestätigt der Film auch eine
meiner Theorien, nämlich dass jene Werke, in denen augenscheinlich nichts oder nicht viel passiert, prädestiniert sind, überinterpretiert zu werden.
Natürlich sucht man verzweifelt dort nach einer Bedeutung, wo augenscheinlich sonst nichts zu finden ist und das führt dann zu haarsträubenden
Interpretationen wie der, dass die beiden Mädchen für Nord- und Südkorea stehen, die Mutter Amerika darstellt, das Korea im Stich lässt und die Tante
den korrupten Staat Korea darstellt. Selbst ich wurde dazu verleitet zu glauben, dass die Baufahrzeuge am Ende im Hintergrund der ländlichen Idylle
eine bestimmte Bedeutung haben. Aber selbst Regisseur Kim So-yong sagt, dass es sich lediglich um eine einfache Geschichte rund um ein Mädchen
handelt, das frühzeitig erwachsen werden muss.
Regisseur Kim verarbeitet in dem Film seine eigenen Kindheitserfahrungen. Jin muss tatsächlich sehr früh erwachsen werden und das geschieht ganz
von selbst, wenn man auf jüngere Geschwister aufpassen muss. Trotzdem ist sie immer noch irgendwie ein sechsjähriges Kind, das in seiner unschuldigen
Naivität glaubt, dass die Mutter tatsächlich zurückkommt, wenn das Sparschwein voll ist, weswegen sie alles daran setzt, dieses so schnell wie möglich
zu füllen. Insektenliebhaber müssen hier einiges aushalten können, denn in mehreren Szenen sehen wir, wie Grashüpfer aufgespießt und gegrillt werden.
Auch das unterstreicht noch einmal den äußerst naturalistischen Stil des Films. Jin zeichnet aber außerdem eine gewisse Vorsicht aus, die sie
nicht gleich alles Essen von einer freundlichen Dame annehmen lässt, obwohl sie häufig unter Hunger leiden muss. Sie verweigert auch gerne mal zu
essen, um ihre innere Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen oder gibt ihrer kleinen Schwester ihre Portion. Bin dagegen ist einfach nur
die kleine Schwester, auf die man aufpassen muss, dass sie nicht zu viel Unsinn anstellt, auch wenn sie ab und zu ein paar gute Ideen für ihr
Alter hat.
Eindeutiger Pluspunkt des Films sind die beiden Kleindarsteller, die sich äußerst natürlich verhalten, fast so, als wäre die Kamera überhaupt nicht
vorhanden. Es scheint tatsächlich so, als wenn sie gar nicht schauspielern würden und das kommt dem Film sehr zu Gute. Regisseur Kim So-yong
spielt also nicht mit dem Süßheitsfaktor der beiden Mädchen, sondern lässt diese im Rahmen seiner Geschichte, die ein Leben porträtieren soll, handeln.
Dieses Leben wird in all seinen unbedeutenden Details gezeigt, sodass "Treeless Mountain" ein ernsthaftes Problem mit seinem Tempo hat. Manchmal
wirkt der Film deshalb und auch wegen seiner Tristheit etwas einschläfernd. Am Ende bleibt deshalb zu sagen, und zwar ungeachtet des Fakts, dass der
Film von anderen Kritikern hochgelobt wird und bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin sogar einen Preis gewonnen hat: "Treeless Mountain" ist
langatmig und zu minimalistisch, um den Zuschauer wirklich für sich gewinnen zu können. Die beiden Kleindarsteller können den Film jedoch retten.