Story: Detective Han (Han Suk-kyu) wird von einem Kollegen auf einen Mord aufmerksam gemacht, der im Zusammenhang mit einem anderen,
ungeklärten Verbrechen vor 14 Jahren steht. Jener Fall beschäftigt Han ohnehin noch, da er während den Ermittlungen bei einem Unfall seinen
Sohn verloren hat. Dieser tragische Vorfall hat ihn innerlich zerstört und so hofft er nun endlich Frieden zu finden, indem er den Mörder
fasst. Seine Ermittlungen führen ihn zu dem Namen Yo-han (Go Soo), doch scheint dieser nicht auffindbar. Es gibt aber noch eine weitere
Spur, die den Ermittler zur jungen Mi-ho (Son Ye-jin) führt. Diese soll bald den reichen Geschäftsmann Cha Seung-jo (Park Seong-woong)
heiraten und wird deshalb von der freien Ermittlerin Shi-yeong (Lee Min-jeong) durchleuchtet. Dabei kommen einige interessante Informationen
ans Tageslicht, die auch Detective Han weiterhelfen. Doch noch immer ist nicht ganz klar, nach welchem Schema und mit welchem Motiv der
Killer zuschlägt. Nur langsam setzen sich für Detective Han die Puzzleteile zusammen und er beginnt sich auf der Suche nach dem Motiv
zu fragen, ob er vielleicht Unrecht hatte mit seiner Vermutung, dass es sich bei jedem Killer schlicht um ein Monster handelt...
Kritik: "White Night" ist ein düsterer Thriller, der mit seinen Motiven auch eine breite Palette von Emotionen abdeckt. Der Dramagehalt
des Films ist recht hoch und die komplexe Geschichte ist qualitativ weit über Durchschnitt, was nicht verwundern sollte, schließlich handelt es
sich bei dem Thriller um die Verfilmung eines Romans von Higashino Keigo. Die Geschichte erweist sich als enorm vielschichtig und erfordert vom
Zuschauer viel Aufmerksamkeit, denn ansonsten gehen wichtige Informationen an einem vorbei, die für das Verständnis der Charaktere und damit
des Mordmotivs unabdingbar sind. Obgleich "White Night" mit seinen 135 Minuten etwas zu lang geraten sein mag, bekommt man den Eindruck, als wäre
die Story für den Film stark komprimiert worden, sodass einige Aspekte oder Nebencharaktere leicht vernachlässigt werden. Aber auch so zeigt der
Film noch eine Fülle auf, die durchaus für einen Zweiteiler angemessen gewesen wäre. Die gute Besetzung trägt den dichten Thriller dabei zu
jeder Zeit angemessen und so kann man mit "White Night" eigentlich nicht viel falsch machen.
Zu Beginn mag man noch gar nicht glauben, dass der Film einen wirklich fesseln können wird. Das liegt an der unnötig verschachtelten Erzählstruktur
am Anfang, vielen Zeitsprüngen, die absolut ohne Vorwarnung eintreten (nur die Flatscreens und Handys geben uns Hinweise, dass wir uns z.B.
gerade in der Gegenwart befinden) und etlichen Namen, mit denen man bombardiert wird. Die Verhältnisse der verschiedenen Personen untereinander
geistig zu verarbeiten, sprengt dann völlig den Kapazitätsrahmen dessen, was man in der ersten halben Stunde aufnehmen kann. Wer allerdings nicht aufgibt und
diesen ersten Frust der Desorientierung ertragen kann, der wird sehen, dass der Informationsfluss im Laufe der Geschichte etwas langsamer von sich
geht, und man weiß dann sogar, welchen Zweck die Informationsschnipsel vom Anfang, an denen man als Zuschauer verzweifelt festgehalten hat, haben. Das Puzzle
setzt sich langsam und stetig zusammen und dabei ist es noch nicht mal nötig, jedes Detail der Geschichte beim ersten Sehen des Films zu verstehen,
um dem Thriller im Gesamten folgen zu können.
Der aufmerksame Zuschauer wird zusätzlich dadurch belohnt, dass er bestimmte Szenen retrospektiv zu verstehen lernt. Leider musste das Drehbuch
jedoch ein paar Abstriche bei bestimmten Personen machen. Es scheint so, als hätte der Polizist, der den Fall überhaupt erst an Detective Han
heranträgt sowie Yo-hans Mutter und Shi-yeong im ursprünglichen Roman mehr Raum eingenommen, als es im Film der Fall ist. Dementsprechend wirken
deren Auftritte mehr wie ein kurzes Betreten und erneutes Verlassen der Bühne. Das ist besonders schade, da wir so zu den wenigsten Charakteren
eine Beziehung aufbauen können. Hauptsympatieträger des Films bleibt Han Suk-kyu ("Christmas in August", "Forbidden Quest"), aber das auch nur
wegen Hans wieder einmal beeindruckendem Schauspiel. Ein Problem mit ihm ist nämlich der Umstand, dass er seinen Sohn ungesichert einen tiefen
Schacht herunterklettern lässt, nur um im Mordfall weiterzukommen. Der Tod seines Sohnes macht Han zu einem gebrochenen Mann, aber der Zuschauer
kann sich nur darüber wundern, wie man überhaupt so verantwortungslos sein kann, auf diese Idee zu kommen. Han scheint danach jedenfalls nur noch
weiterzuleben, um sich durch sein Leiden selbst zu bestrafen.
Wenn Han Suk-kyu nicht den anderen Darstellern die Schau stehlen würde, ständen diese eigentlich im Fokus des Films. Son Ye-jin ("A Moment to
Remember", "Open City") spielt sehr überzeugend eine materialistische junge Frau, die die Aura einer femme fatale an sich hat. Go Soo ("Some")
spielt den von Leid geplagten Mörder, der eigentlich nicht glücklich ist über die Morde, die er begeht. "White Night" ist voller Antihelden.
Täter ist Opfer und umgekehrt. Die Geschichte schneidet dabei Themen wie Schuld, Sühne oder Missbrauch an. Wie bereits gesagt hat
nicht einmal Detective Han eine weiße Weste. Bei seiner notwendig gestrafften Erzählstruktur versäumt es der Regisseur allerdings, Hans
Verständnis für die Mörder zu legitimieren. Woher kommt dessen plötzliches Einfühlungsvermögen? Das ganze Finale mit seinen stark dramahaltigen
Momenten mag nicht wirklich funktionieren, weil für die Transformation Hans nicht ausreichend Raum reserviert wurde.
Die Thematik des Films erfordert selbstverständlich einige düstere Schauplätze, aber gerade der durchgehend stylisch-polierte Look des Films
sowie der passende Soundtrack tragen sehr zur Atmosphäre bei. Dass jedoch ausgerechnet das mittlerweile wirklich abgegriffene
"Schwanensee" von Tschaikowski als Motiv immer wieder Verwendung findet, stört etwas. Ansonsten gibt es auf technischem Niveau
nichts zu beanstanden. So bleibt also lediglich das Finale etwas enttäuschend, da hier die Emotionen keineswegs so beim Zuschauer ankommen,
wie es wohl intendiert war. Es bleibt allerdings herauszustellen, dass die Suche nach dem Motiv des Mörders einen nach der etwas anstrengenden
informationslastigen halben Stunde durchgehend in seinen Bann zieht. Überdies wird dem Zuschauer niemals ein wertendes Urteil über die Charaktere
aufgedrückt, sodass man seine eigenen Vorstellungen von Gut und Böse mit einfließen lassen darf. "White Night" ist ein storylastiger und
daher gelungener Thriller, der es schafft bis zuletzt zu fesseln. Wenn da nur nicht das Ende wäre, das leider zeigt, dass der Film nicht überall
seinen Fokus richtig gewichtet hat.