Story: Dong Gu (Andy On) ist Captain eines SWAT-Teams und soll mit seinem Team die Verurteilung eines Gangsterbosses, der wegen Drogen- und Menschenhandels sowie mehrfachen Mords angeklagt wird, beaufsichtigen. Das Team bewacht das Gerichtsgebäude, als Dong Gu glaubt, Schüsse von innen zu hören. Cena (Yang Xing) und ihr Freund sollen im Auftrag des Gangstersohns den Boss befreien, doch da dieser Cena missbraucht hat, tötet das Pärchen ihn. Dong Gu steht schließlich nach einer großen Schießerei den beiden gegenüber. Als eine Handgranate hochgeht, stirbt Cenas Freund und Dong Gu verliert sein Augenlicht. Cena schwört Rache, wird aber von der Polizei abgeführt. Dong Gu muss derweil die Verantwortung für den Tod mehrerer Polizisten übernehmen und wird gefeuert. Allerdings hat er immer noch seine Tochter, die nun alles für ihn im Leben ist. Bei einer ihrer Aufführungen wird sie jedoch vom Sohn des Bosses gekidnappt, der im Gerichtsgebäude von Cena getötet wurde. Er hat die Organisation seines Vaters übernommen und will Dong Gus Tochter verkaufen. Als Cena in den Nachrichten erfährt, dass Dong Gu seine vermisste Tochter sucht, geht sie auf den Deal ihres Anwalts ein, in ein anderes Gefängnis transportiert zu werden, wohl wissend, dass dies eine Falle ist, weil der neue Gangsterboss den Tod seines Vaters rächen will. Sie kann allerdings entkommen und gibt sich als Polizistin aus, als sie Dong Gu erzählt, dass sie weiß, wo seine Tochter sein könnte. Bevor Cena nämlich Dong Gu tötet, will sie sich an allen anderen rächen, die sie damals in der Organisation misshandelt haben.
Kritik: "Blind War" ist ein echter Nostalgie-Trip in die 90er Jahre des Hong Kong Kinos. Schöne Action, die zuweilen sogar spektakulär ausfällt, gute Ideen, aber eben leider auch all jene negativen Besonderheiten, die das Action-Genre seinerzeit ausgemacht hat. Da wäre eine recht simple Rachestory, die jedoch, und das muss man ihr zugute halten, ein paar originelle Eigenheiten mit sich bringt, und schauspielerische Leistungen, die schlicht dem B-Movie-Genre zugeordnet werden müssen. Die Regie fällt auch recht sonderbar aus. Die meiste Zeit ist sie so sauber und ambitioniert, dass man nicht den Eindruck hat, hier einen für den Streaming-Dienst iQIYI produziertes Werk zu sehen - letztlich hat auch Well Go USA den Film vertrieben -, aber hin und wieder gibt es Szenen, die eindeutig auf die Art billig wirken, dass damit nur eine Verneigung vor früheren HK-Produktionen gemeint sein kann. Das beinhaltet unnötige Zeitlupen in dramatischen Szenen sowie überbordendes Schauspiel, das beinahe zum Schmunzeln anregt.
Der Auftakt wirft uns aber in eine äußerst mitreißende Schießerei, die auch die nötige Härte und Brutalität nicht vermissen lässt. Die Bösewichte sind dabei so überdreht, dass man sofort weiß, woran man ist, und auch bei der sich anschließenden tragischen Entwicklung weiß man, in welche Richtung das Ganze geht. Dong Gu verliert sein Augenlicht und weiß mit seiner Wut darüber nicht umzugehen, bis sich seine Tochter als sein einziger Anker erweist. Natürlich wird diese gekidnappt, wobei hier anscheinend nur Zufälle zusammenspielen und keine Rache oder ähnliches auf dem Plan stand. Dafür will Cena Rache nehmen. Sie hat ihre Emotionen allerdings doch so weit unter Kontrolle, dass sie Dong Gu erst einmal als Werkzeug nutzt. So viel Selbstbeherrschung würde man ihr gar nicht zutrauen, da sie spätestens seit dem Tod ihres Freundes als völlig wahnsinnig zu bezeichnen ist. Und hier zeigt sich dann der eigentliche Reiz der Geschichte, denn das ungleiche Paar macht zunächst einmal gemeinsame Sache. Das gibt dem Film seinen ganz eigenen Charme.
Andy On ("True Legend") ist in letzter Zeit anscheinend vermehrt auf Streaming-Diensten unterwegs und das ist auch nur verständlich, schließlich scheint er irgendwie immer übersehen zu werden und selten eine Hauptrolle zu bekommen. Allerdings hat er mich bereits in "New Police Story" in seinem Kampf gegen Jackie Chan ziemlich beeindruckt. Er verbindet Schnelligkeit mit Kraft und versteht sein Handwerk. Auch in "Blind War" darf er ein paar nette Kämpfe zeigen, jedoch sollte man sich keine allzu großen Illusionen machen. "Blind War" ist ein Actionfilm und kein Martial-Arts-Streifen. Die Choreographie ist wirklich nicht schlecht, aber in dem Film geht es mehr um das Tempo und Schießereien. Dennoch punktet man hier mit ein paar netten Ideen, welche die einzelnen Scharmützel etwas origineller machen. So muss sich Dong Gu gegen mehrere Angreifer wehren, während er mit einer Kette gefesselt ist, welche seine Partnerin kopfüber in einen Wassertank herunterlässt, wenn sie nicht unter ordentlicher Spannung gehalten wird. Oder der Ex-Polizist muss sich zunächst taktisch durch ein Fenster in ein tieferes Stockwerk fallenlassen, um dann mit der richtigen "Ausrüstung" gegen einen übermächtigen Feind anzutreten.
Jetzt mag man sich vielleicht fragen, wie Dong Gu denn als Blinder überhaupt eine Chance in den Kämpfen hat - oder man stört sich seit Donnie Yen in "Star Wars: Rogue One" und "John Wick 4" ohnehin nicht mehr an einem blinden Actionhelden, von den diversen "Zatoichi"-Versionen ganz zu schweigen -, aber es wird sehr schnell deutlich gemacht, dass der Polizist eigentlich "Daredevil" ohne ein Kostüm ist. Er "sieht" Geräusche. Nichtsdestotrotz muss angemerkt werden, dass Dong Gu sehr viel einstecken muss. Ein Superheld ist er dann doch nicht wirklich und er muss immer wieder um seinen Nachteil herumarbeiten. Spannung herrscht auch stets vor, weil wir nie wissen, wann Cena unseren Helden endlich hintergeht. Denn dass sie verrückt ist und zudem ihre Rache will, steht nie außer Frage. Trotzdem kann man irgendwann fast schon so etwas wie Sympathien für sie entwickeln. Wenn sie sich schießend und prügelnd durch eine Horde Bösewichte arbeitet, wobei eine dynamische Kamera immer am Geschehen bleibt und die Illusion einer einzigen langen Aufnahme erzeugt, bekommt sie etwas von einer Antiheldin. Weiterhin vermag es die Regie von Huo Suiqiang sowie das Drehbuch stets ein hohes Tempo aufrechtzuhalten.
Der visuell ansprechenden Präsentation stehen aber die Charaktere im Weg. Die meisten von ihnen sind einfach schrecklich geschriebene Klischees. Ein Detective, der sich in Dong Gu verbissen hat und nach ihm jagt, ist die komödiantische Nebenrolle, die den etwas peinlichen Momenten im Film die Krone aufsetzt. Die bereits erwähnten Zeitlupenaufnahmen während der dramatischen Momente helfen auch nicht wirklich, dass man das Geschehen erstnehmen kann, und die Geschichte um die Tochter ist wie der Bösewicht auch uninspiriert. Daneben wirkt die Welt ziemlich wild zusammengewürfelt. Wir befinden uns in einem fiktiven Land, das das besetzte Hong Kong sein könnte, weil am Gericht Englisch gesprochen wird, aber auf den Polizeiuniformen steht manchmal tatsächlich das deutsche Wort "Polizei". Letztlich kann das Unpolierte von "Blind War" sicherlich an das alte HK-Kino erinnern und wird seine Fans finden. Das gute Tempo und die saubere Action sind zudem nicht zu leugnende Pluspunkte. Auch wenn in manchen Momenten, eine weitaus bessere Handschrift aufblitzt, muss man aber eben auch ein Faible für B-Movie-Charme haben, um mit diesem Actionfilm warmwerden zu können.