Story: Nachdem sie vergewaltigt und ihre Mutter getötet wurde, geht Bi (Dong Anh Quynh) nach Saigon, wo sie sich mit diversen Jobs durchs Leben schlägt. Dabei macht sie sich aber nicht nur Freunde und eines Tages muss sie von Jacqueline (Ngo Thanh Van) vor einigen Gangstern gerettet werden. Jacqueline nimmt sie bei sich auf, wo bereits die stets gutgelaunte Hong (Rima Thanh Vy) und die etwas missmutigere Thanh (Toc Tien) wohnen. Die Mädchen sind wie eine Familie und auch Bi wird langsam Teil von dieser. Jacqueline bildet die Mädchen allerdings auch im Kampf aus, da die Welt dort draußen gnadenlos und jeder sich selbst überlassen ist. Doch die Anführerin hat einen Plan. Sie will die Stadt zu einem besseren Ort machen, indem sie den Gangsterboss Hai (Thuan Nguyen) ausschaltet. Dieser expandiert immer weiter, doch ein erster Schlag gegen ihn, angeführt von den drei Mädchen, ist erfolgreich. Hai verdächtigt eine andere Gang und wird immer rücksichtsloser. Auch Jacqueline muss nun vorsichtiger vorgehen. Bi glaubt aber, dass hinter den Absichten ihres Bosses noch mehr steckt. Gleichzeitig muss sie sich auch mit dem Trauma ihrer Vergangenheit auseinandersetzen sowie damit, dass es ihr nichts ausmacht, zu töten. In der grausamen Realität Saigons ist es nicht leicht, sich das Menschsein zu bewahren...
Kritik: Es kommt nicht häufig vor, dass ich einen Film aus Vietnam rezensiere, aber im Falle von Netflix' "Furie" hat es sich gelohnt, denn obwohl der Film eher langsam in die Gänge kam, konnte er am Ende mit guter Action, sauberer Regie und vor allem mal wieder echter Frauenpower punkten (nicht die erzwungene, wenig glaubhafte Hollywood-Version). Klar, dass man mit einem Nachfolger nochmal eine Schippe drauflegen muss und so haben wir hier gleich drei (oder eigentlich vier) Frauen, die gegen eine böse Gang kämpfen. Dabei scheint man auch hier haarscharf in die woke-Falle zu tappen und zu überkorrigieren. Denn zunächst scheinen alle Männer in der Geschichte böse, doch zeigen sich zumindest bei einem Charakter Nuancen und auch die Frauen sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Das ist besonders interessant, da es sich hier eigentlich um ein Prequel handelt und die Vorgeschichte der Bösewichtin Thanh Soi (so auch der Originaltitel) aus dem ersten Teil erzählt wird.
Wer genau Thanh Soi im Film ist, soll natürlich eine Überraschung bleiben, aber alle Frauen im Film waren Opfer, wurden vergewaltigt, an Bordells verkauft oder waren physischer Gewalt ausgesetzt. Die gezeichnete Welt ist enorm düster und vom Recht des Stärkeren geprägt. Kein Wunder, dass Jacqueline daher meint, die einzige Möglichkeit, nicht mehr von Männern herumgeschubst zu werden, ist stärker zu werden. Natürlich hat das eine Montage einiger Ausbildungsszenen zur Folge, in denen sich die Frauen in der Kampfkunst üben, aber die Idee dahinter kann durchaus als erfrischende Form der Emanzipation betrachtet werden. Die Heldinnen des Films bleiben nicht in der Opferrolle, sondern werden aktiv und kämpfen sich nach oben. Ob es einem gefällt oder nicht, das war schon immer die einzige Möglichkeit, gesellschaftlich aufzusteigen, wenn einem Geld und Macht nicht in den Schoß gefallen sind. Natürlich gibt es in "Furies" aber einen kleinen Haken, ganz nach Manier von Nietzsche: "Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."
Die Frauen unter Jacqueline wachsen zu einer Familie zusammen und ihr Schmerz verbindet sie. Doch sie werden auf ihrem Weg zur Emanzipation auch zu Mörderinnen. Bi macht sich deswegen einige Gedanken, den Rest scheint es eher weniger zu beschäftigen. Damit könnte es schwerfallen, mit den Frauen mitzufiebern. Da die Welt um sie herum aber so abgrundtief böse ist, ist dies jedoch nicht der Fall. Die Gang besteht aus Psychopathen, für die ein Leben nicht mehr wert ist als die nächste Mahlzeit. Dieser Ausweg, um einem ernsthaften moralischen Dilemma zu entkommen, mag vielleicht etwas simpel wirken, aber er passt gut in den Rest des Films, da die Atmosphäre des Streifens stark an das düstere 80er und 90er Hong Kong-Kino erinnert. Besonders Saigon mit seinen Neon-Farben, die im Kontrast zu den schmutzigen, aber irgendwie auch auf nihilistische Weise charmenten, Gebäuden stehen, weiß zu gefallen. Auch die gewählte Pop-Musik spielt dem Flair gelungen in die Hände.
Hauptdarstellerin Ngo Thanh Van aus dem ersten Teil, die hier Jacqueline spielt, hat auch die Regie übernommen und beweist eine sichere Hand. Nicht nur, dass man wirklich das Gefühl hat, im Saigon der 90er zu sein, sondern auch die Actionszenen werden gekonnt eingefangen. Es gibt schnelle Kamerabewegungen, aber man behält immer den Überblick. Von den Kämpfen war ich aber leider etwas enttäuscht. Es gibt ein paar schöne Aktionen und der Film kann überraschend brutal sein, auch wenn er es damit nicht übertreibt, aber den Schlägen mangelt es manchmal an Wucht. Ngo Thanh Van war in "Furie" überzeugender. Dankeswerterweise darf sie im Finale auch noch antreten und dieses fällt, inklusive ein wenig Gun-Fu, ziemlich spannend aus. Ein richtiger Kampfkunststreifen will "Furies" aber nicht sein, eher ein Actionfilm mit starkem Fokus auf dem Leid der Protagonistinnen. In dieser Hinsicht ist der Streifen tatsächlich erfolgreich.
Das Drama ist nicht überzogen und die Emotionen werden glaubhaft transportiert. Auch wenn wir nicht wirklich viel über sie erfahren, haben die Heldinnen jeweils eine andere Farbe und man nimmt ihnen ab, dass sie ein schwesterliches Band verknüpft, spätestens wenn sie im Kontrast zu ihren Aufträgen auch mal ganz mädchenhaft herumblödeln. Das Trauma, das sie alle in anderer und doch ähnlicher Form geprägt hat, kommt aber immer wieder an die Oberfläche. Sicherlich hätte die Geschichte das alles noch etwas runder und tiefgründiger verpacken können, aber das Drama ist im Grunde das Fundament und auch die Stärke des Streifens. Neben einigen Logikfehlern im Drehbuch sticht auch noch eine lange Motorrad-Verfolgungsjagd am Green-Screen negativ ins Auge, obwohl diese durch die wenig überzeugenden Effekte fast schon ihren eigenen Charme hat. Als Actionfilm haben mir wie gesagt auch ein paar spektakuläre Actionszenen gefehlt, gerade weil es davon heutzutage so wenige mit Frauen gibt. Doch alles in allem kann man, wenn man diesbezüglich seine Erwartungen etwas herunterschraubt, mit "Furies" nicht viel falsch machen.