Last Sunrise

Story: Sun Yang (Zhang Jue) ist ein selbständiger Astronom, der das Flackern eines Sterns beobachtet hat. Daraufhin verschwand der Stern. Nun beobachtet er dasselbe Verhalten bei der Sonne. Als er bei einem Interview mit Wang Yun (Wang Dahong), dem Chef des Energieunternehmens Helios, die Chance bekommt, eine Frage an ihn zu richten, erklärt Sun, was er gefunden hat. Doch Wang meint, dass es sich dabei um einen Messfehler des Hobbyastronomen handelt. Die ganze Energiegewinnung des Landes basiert dank Wang Yun auf sauberer Solarenergie. Umso verheerender ist es, als Wang dem Astronomen nach dem Interview mitteilt, dass er Recht hat. Wang nennt ihm eine Adresse, zu der er kommen soll, falls er überleben möchte. Kurz darauf beginnt die Sonne sichtbar zu flackern und der Himmelskörper verschwindet. Sun ist zu seiner Nachbarin Chen Mu (Zhang Yue) gegangen, um dort das Spektakel beobachten zu können. Die Menschen geraten in Panik und Chen bietet ihm ein Auto an, falls er sie zu ihren Eltern fährt. Sun willigt ein und die Adresse, die ihm Wang genannt hat, erweist sich als das Zuhause des Helios-Chefs. Dort hat sich der Technologiegigant damit abgefunden, dass sein Imperium zusammengebrochen ist und die Menschen ohne Energie leben müssen, falls sie überhaupt eine Chance zum Überleben haben sollten. Wang teilt dem Hobbyastronomen mit, dass er zum "Distrikt 4" fahren soll, denn dort hätte er die besten Chancen zu überleben. Doch ist ein Überleben ohne die Sonne überhaupt möglich?

Kritik: "Last Sunrise" ist einer jener Filme, auf die ich nach dem enormen Erfolg von Frant Gwos "The Wandering Earth" gehofft hatte. Das große Interesse Chinas an Science-Fiction ist wegen des riesigen technologischen Wandels im Land kein Wunder und diesmal bekommen wir einen Film, der kein Action-Streifen im Stil Hollywoods ist, sondern eine Geschichte, die etwas subtiler vorgeht. Gesellschaftskritik verbirgt sich ebenso im Hintergrund des Plots wie philosophische Fragen. In erster Linie geht es aber um den Überlebenskampf in einer Welt, die am Abgrund steht. Grausam und feindlich wie diese Welt auch erscheinen mag, kann man sich der Magie des Sternenhimmels nicht erwehren. Oft zeichnet die dargestellte Welt eine romantische Ruhe aus, die ebenso von den beiden Hauptcharakteren getragen wird. Diese sind aufeinander angewiesen, um zu überleben. Dank des Fokus auf den Charakteren geht uns das Schicksal dieser auch wirklich nahe.

Zhang Jue spielt den logischen Astronomen sehr gekonnt. Einen "Helden" wie ihn trifft man selten in Filmen dieser Art. Er denkt stets rational - abgesehen von später, wenn er emotional ein stärkeres Band an seine Begleiterin geknüpft hat - und hält daher auch nicht an, als Menschen auf der Straße verzweifelt um Hilfe winken. Seine Argumentation hat Hand und Fuß und so kann man ihn nicht als bösen Menschen missverstehen. Schlimmstenfalls als egoistischen. Aber genau das sind die anderen Menschen um ihn herum auch. Vor allen Dingen sind sie hinterhältig, weshalb Sun eine beinahe schon krankhaft misstrauische Persönlichkeit auszeichnet. Er hat Menschen nie gemocht und ist immer für sich alleine geblieben. Warum sollte er das jetzt ändern, speziell da sein rationales Denken sein Überleben und das seiner Begleiterin sichern kann? Als Gegengewicht hat er Chen Mu an seiner Seite, die etwas naiv scheint, aber in Momenten der völligen Verzweiflung ungeheure Stärke und Sturheit zeigt.

Besonders zu loben ist, dass die Beziehung zwischen den beiden auf keine billige Romanze runterzubrechen ist. Die beiden wissen schlichtweg, was sie aneinander haben und gleichen sich in ihren Extremen aus. Manchmal glaubt man, dass Sun ohne Chen bessere Überlebenschancen hätte, aber dabei würde ihm wahrscheinlich das Menschliche komplett abhanden kommen. Nach der Katastrophe sind die zwei auf der Suche nach einem sicheren Hafen und der Film wird ein wenig zu einem Road Movie. Das ist auch naheliegend, da das Budget des Sci-Fi-Films mit 250.000 Dollar recht gering ist. Man sieht das dem Film aber so gut wie nie an, was Regisseur Ren Wens größte Leistung ist. Die Kinematografie ist herausragend, dies betrifft nicht nur den Sternenhimmel, sondern auch kleinere Momente, in denen wir sich beispielsweise Eis an der Windschutzscheibe oder in einem Aquarium formen sehen. Am Anfang bekommen wir auch einige schöne CGI-Effekte präsentiert, die uns tatsächlich glauben lassen, dass wir uns in nicht allzu ferner Zukunft befinden.

Selbstverständlich erlegt das Budget dem Regisseur auch ein paar Grenzen auf. Der Rest Chinas sieht nämlich sehr nach dem heutigen China aus. Das stört aber keineswegs, da sich Szenen, in denen man dies bemerken könnte, an einer Hand abzählen lassen. Schließlich sind die Protagonisten die meiste Zeit auf der Landstraße unterwegs, in einem Kohlewerk etc. Man kan aber einen gewissen Indie-Vibe nicht leugnen, speziell wegen einiger langer Aufnahmen ohne einen Schnitt. "Last Sunrise" wächst aber weit über einen Film dieser Art hinaus und beeindruckt mit seinen Bildern und interessanten Techniken, wie beispielsweise einer Rückblende, bei der wir das Zimmer in der Gegenwart zu sehen bekommen, aber im Hintergrund die Stimmen aus der Vergangenheit hören. Daneben gibt es wie gesagt auch einige schöne Dialoge, in denen subtil Gesellschaftskritik geübt wird. Die Reichen fliegen mit einer Rakete ins Weltall, um ihr Überleben zu sichern, Sun trauert um seine KI ILSA, die ihn jeden Morgen geweckt und mit ihm Gespräche geführt hat und die Gesellschaft ist ohne Technologie völlig hilflos.

Elegant ist auch, wie unspektakulär das Verschwinden der Sonne erklärt wird. Die Erklärung müsste das ganze Leben der Menschen verändern, aber im Moment könnte eigentlich nichts unwichtiger sein. Es gibt aber auch Kritikpunkte. Da wäre das Finale in einem Kohlewerk, das sich eher künstlich eingeschoben fühlt, um etwas Action in den Film zu bringen. Daneben kommt es dann zu Logikfehlern, da zum Beispiel Sun mit einer Verletzung schneller zu rennen scheint als seine Verfolger. Weiterhin ist es fast schon lächerlich, wie hilflos Sun in einer körperlichen Auseinandersetzung ist. Letztlich begeistert aber "Last Sunrise" durch seine interessante Prämisse und zwei Charaktere, die sich während der Apokalypse menschlich näherkommen. Auf emotionaler Ebene kann der Film daher seine größte Stärke beweisen. Das Ende ist wie erwartet offen, bietet aber genau die richtige Mischung aus Verzweiflung und Hoffnung. So wie den ganzen Film die Hoffnung auszeichnet, dass das Leben immer einen Weg findet. Selbst wenn die Sonne nie mehr aufgehen mag.

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