Story: Nozaki (Anna Yamada) ist aus Tokyo und lebt nun mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester in einem verschneiten Städtchen, wo sie die Schule besucht. Dort wird sie immer wieder Opfer von Mobbing. Die Anführerin in der Klasse ist Taeko (Rinka Otani), aber die anderen Schüler sind nicht weniger grausam. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Abschlussprüfung und Nozakis Eltern wollen, dass ihre Tochter bis dahin zuhause bleibt. Auch ihr Vater wird immer wieder Mobbing-Opfer und kann ihr Leid verstehen. Nozakis Mitschülerin Rumi (Rena Ohtsuka), die vor dem Mädchen aus Tokyo das Ziel von Mobbing-Angriffen war, soll in Taekos Auftrag Nozaki dazu bringen, wieder in die Schule zu kommen. Andernfalls würde Rumi wieder als Opfer auserkoren. Nozaki kümmert sich aber nicht darum. Sie ist jedoch sehr glücklich, als sich ihr Mitschüler Mitsuru (Hiroya Shimizu) nach ihr erkundigt. Er ist der einzige, der nett zu ihr ist. Als sie beide spazieren gehen, sieht sie bei der Rückkehr ihr Haus brennen. Jemand hat das Haus angezündet, während ihre Familie noch darin war. Mitsuru kann gerade noch die schwer verletzte Schwester von Nozaki retten, aber die Eltern sind bereits tot. Nozaki ist traumatisiert, zumal ihre Schwester im Koma liegt, geht jedoch wieder zur Schule. Die Schüler verhalten sich ihr gegenüber eigenartig und es scheint klar, dass sie etwas mit dem Brand zu tun hatten. Als sie Nozaki aber weiterhin nicht in Ruhe lassen, weiß sich diese auf grausame Art zu wehren...
Kritik: "Liverleaf" ist eine sonderbare Mischung aus einem Teenager-Drama, das sich um Mobbing dreht, und einem grotesken Rachethriller - inklusive übertrieben blutiger Morde. Das macht letztlich auch die Faszination des Streifens aus. Auf der einen Seite haben wir ein ruhiges Drama in einer verschneiten Kleinstadt, in der eigentlich niemand wirklich leben will und die Menschen von sich selbst entfremdet sind. Auf der anderen ist es diese Isolation (und für die Teenager Langeweile), die langsam in den Wahnsinn treibt und jedem das Potential mitgibt, zum Mörder zu werden. Diese Mischung geht zugegebenermaßen nicht immer auf, da das Tempo oft nachlässt, um dann unerwartet wieder anzuziehen, aber es gibt dem Film eine spezielle Note, die ihn über durchschnittliche Dramen oder Thriller hebt. Kritische Stimmen könnten jedoch sagen, dass der Film teilweise auch etwas lächerlich werden kann: Nämlich immer dann, wenn es zu den Morden kommt.
Jene brutalen Szenen des Mordens sind auch eine große Überraschung, ist man nicht mit dem Manga "Misumisou" von Rensuke Oshikiri vertraut, auf dem der Film basiert. Das viele Blut und einige der grausamen Verletzungen wirken dabei so abstrus, dass es eigentlich nur lustig ist. Allerdings kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob das vom Regisseur auch so intendiert war. In einer anderen Szene sehen wir schließlich einen Schüler ein halb verbranntes, kleines Mädchen aus einem Haus tragen und dieser Moment ist sogar ziemlich verstörend. Des Weiteren kann man kritisieren, dass man irgendwann nur noch darauf wartet, dass der nächste Schüler umgebracht wird. Als dürften so wenige Schüler wie möglich den um sich greifenden Wahnsinn überleben. Dabei wird man durchaus auch an "Battle Royale" erinnert. Dank der leicht lustigen Note der Tode sind diese immerhin nicht allzu grässlich. Zumal der Regisseur den Kontrast zwischen Blut und Schnee auf gelungene Weise zelebriert und damit fast schon poetisch anmutende Bilder schafft.
Dank der Kinematographie von Hidetoshi Shinomiya wirken die Bilder generell sehr gelungen. Über der Stadt wabert ein eigenartiger Nebel des Wahnsinns, der aber zuweilen überhaupt nicht bedrohlich, sondern sogar friedlich wirkt. Das ruhige Städtchen, das vom Schnee eingehüllt ist, ist an sich ein wunderbarer Ort. Nur leider gibt es dort für junge Menschen wenig zu tun, weshalb diese aus Langeweile ihre Mitschüler mobben. Nozaki ist das Hauptziel des Mobbings, weil sie aus einer anderen Stadt ist und für die Mitschüler etwas Besseres. Taeko ist die eigentliche Anstifterin, doch unter den Mitschülern gibt es eigentlich niemanden, der wirklich ohne Schuld ist. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Eltern misshandeln entweder ihre Kinder, unterdrücken sie, interessieren sich nicht für sie oder überschütten sie mit zu viel Liebe. All das wird auf angenehm subtile Weise im Hintergrund aufgeklärt. Dann ist da natürlich noch die Lehrerin, die sich gegen ihre Schüler nicht durchsetzen kann und selbst zum Opfer wird, auch wenn man sie als Erwachsene, die nichts gegen das Mobbing in ihrer Klasse unternimmt, eher als Mitverantwortliche sieht.
Zunächst scheint es, dass nur Mitsuru normal ist. Mit der Zeit erfahren wir aber auch in ein paar Rückblenden, was Taeko eigentlich bewegt und wir sehen eine Spiegelung dieses Motivs in Rumi, wenn auch auf eine sehr verdrehte Art. Während die darstellerischen Leistungen von ordentlich (Anna Yamada in der Hauptrolle) bis noch annehmbar reichen und Hiroya Shimizu ("The World of Kanako") mit seinem zurückhaltenden Schauspiel zumindest anfangs einen angenehmen Ruhepol zum Rest liefert, stiehlt Rena Ohtsuka als Rumi dem Rest unentwegt die Schau. Sie ist selbst Mobbing-Opfer, verfällt dem Wahnsinn und versucht sich als Täterin aus ihrer Rolle zu befreien. Ihr Blick, in dem im Verlauf des Films immer mehr Wahnsinn auszumachen ist, zeigt ein fantastisch subtiles Schauspiel. Neben all den Schülern und ihren Beweggründen zu mobben, gibt es aber auch noch eine Wende gegen Ende, die entweder ziemlich überraschend kommt oder völlig erwartet, falls man verstanden hat, nach welchen Regeln die Welt in "Liverleaf" funktioniert.
Als sich Nozaki auf brutale Weise an ihren Mitschülern rächt, kann man nicht umhin, als mit ihr zu fiebern. Sie wurde so traumatisiert, dass sie nicht mehr als zurechnungsfähig gelten kann und dennoch kann man ihr Verlangen nach Rache nur verstehen. Allerdings scheint sie an einem Punkt ohne Wiederkehr angekommen zu sein. Bis sich in der Liebe zwischen ihr und Mitsuru ein Weg offenbart, dem Wahnsinn zu entkommen. Selbstverständlich kann das Gemetzel an diesem Punkt aber noch nicht enden, was bedeutet, dass Regisseur Eisuke Naito ("Puzzle") zwischen gelungenem Mobbing-Drama, das erstaunlich viele Facetten aufweist, und blutigem Thriller alterniert. Das bereitet dem Tempo des Films ein paar Probleme, aber die eigenartige und auch oft wunderschöne Atmosphäre lässt das gerne vergessen. Wer mit einigen Logikfehlern zurechtkommt, wie dem Umstand, dass die Erwachsenen kaum eine Rolle spielen, obwohl beim Verschwinden der Jugendlichen schon längst die Polizei auf den Plan hätte gerufen werden müssen, kann in "Liverleaf" ein außergewöhnliches Teenager-Drama vorfinden.