Story: Showa Fujishima (Koji Yakusho) war Polizist, bis ihn seine Alkoholsucht und seine emotionalen Ausfälle den Job gekostet haben. Auch
seine Familie hat er verloren. Eines Tages ruft ihn aber seine Ex-Frau an und sagt ihm, dass ihre gemeinsame Tochter Kanako (Nana Komatsu) verschwunden
sei. Fujishima begibt sich auf Spurensuche. Es scheint, dass seine Tochter nicht ganz so engelhaft war, wie angenommen. Unter ihren Freunden waren auch ein
paar, die mit Drogen Geschäfte gemacht haben. In ihrer Handtasche hat Fujishima überdies Drogen gefunden. Einzig ein Bild, auf dem Kanako mit einem Jungen zu
sehen ist, scheint schließlich ein nützlicher Hinweis zu sein. Der Junge hat sich jedoch schon vor ein paar Jahren das Leben genommen. Der ehemalige
Polizist vermutet, dass Kanakos Trauer über den Selbstmord ihres Freundes, sie an die falschen Leute hat geraten lassen. Doch plötzlich wird Fujishima von
einigen Gangstern verschleppt, die ebenfalls auf der Suche nach Kanako sind. Für Fujishima ergibt nichts mehr einen Sinn, da alles darauf hindeutet, dass sich
seine Tochter gefährliche Feinde gemacht hat. Außerdem hängt ihm auch noch Detective Asai (Satoshi Tsumabuki) an den Fersen, der vermutet, dass Fujishima
ihm in einem früheren Fall nicht die Wahrheit gesagt hat.
Kritik: Darauf hat man nicht wirklich gefasst sein können. Was Regisseur Tetsuya Nakashima hier abliefert ist so düster, nihilistisch und
jenseits jeglicher Hoffnung, dass es schlichtweg erschöpfend ist, "The World of Kanako" bis zum Ende anzusehen. Obwohl bereits
"Confessions" einen sehr düsteren Ton angeschlagen hat, ist dies sicherlich einer der schwärzesten Thriller, die Japan in den
letzten Jahren hervorgebracht hat. Nakashima verzichtet dabei dennoch nicht auf seine musikvideo-artigen Schnitte, zum Teil starken Gebrauch von bunten Farben
und ausgeprägter Musikuntermalung, und dennoch überschattet der Wahnsinn in dem Film einfach alles. Dies gelingt dem Regisseur nicht nur dank seiner
hervorragenden Fähigkeiten hinter der Kamera, sondern auch dank eines Hauptdarstellers, der wie der Film auf einem schmalen Grat zwischen Wahnsinn und noch
größerem Wahnsinn wandelt.
Der Zugang zum Film ist zunächst aber nicht ganz leicht. Wir werden mit Informationsfragmenten bedient, deren Reihenfolge wir noch nicht ordnen können, da
schlichtweg verschiedene Zeitebenen durcheinandergewürfelt werden. Damit ist "The World of Kanako" anfangs äußerst anstrengend. Auch später macht sich
Tetsuya sogar einen Spaß daraus, mit den Zeitebenen zu spielen. So lässt er in schnellen Schnitten zwei verschiedene Zeitebenen parallel verlaufen und man
fühlt sich als Zuschauer deshalb nicht nur kognitiv gefordert, sondern bekommt auch den Eindruck, dass der Regisseur uns in den gleichen Abgrund des Wahnsinns
stoßen will, in den auch Fujishima fällt. Anstrengend ist der Thriller außerdem wegen seiner zuweilen sehr schnellen Schnitte, mit denen Tetsuya erneut
Kontraste gegenüberstellt und seinen besonderen Stil zur Schau trägt.
Allerdings ist dieser Thriller, der auf einem Roman von Akio Fukamachi beruht, ebenso erschöpfend, weil er keine Person behandelt, die in irgendeiner
Form wirklich als "gut" bezeichnet werden kann. Jegliche Hoffnung, die man sich als Zuschauer bewahren will, wird durchgängig mit Füßen getreten. Fujishima
als einen Antihelden zu bezeichnen ist darüber hinaus fast schon zu freundlich. Während er immer mehr die rätselhafte Vergangenheit seiner Tochter
aufdeckt, offenbaren sich auch mehr und mehr die Abgründe seines Charakters, die einen langsam aber sicher glauben lassen, dass seine Tochter vielleicht doch
nicht das liebe Mädchen war, für das er sie hält. Schwierig wird es aber auch, gewisse Informationen richtig zu deuten, weil diese in Form von Träumen
eingeschoben werden und die Übergänge dabei oft so fließend sind, dass es nicht verwundert, wenn Kanako sich selbst als die Protagonistin aus "Alice im
Wunderland" betrachtet, auf das häufig verwiesen wird.
Bei den Dingen, die Fujishima herausfindet und sieht, würde es jedem anderen den Magen umdrehen und die geistige Gesundheit würde enormen Schaden nehmen.
Nicht jedoch bei diesem Antihelden. Fujishima ist bereits psychisch krank und seine Tochter zu finden, ist auch kaum aus einer Vaterliebe motiviert. Oder in
einer verqueren Art und Weise eben doch. Sucht man in "The World of Kanako" nach klaren Motiven, wird man kaum fündig werden bzw. muss diese zwischen den
Zeilen lesen. Es geht letztendlich um Einsamkeit, die innere Leere und wie die Psyche eines Monsters aussehen könnte. Koji Yakusho
("13 Assassins") gibt eine beeindruckende Darstellung ab. In den Händen der meisten anderen Darsteller hätte es schnell zu
übertriebenem Schauspiel und unfreiwillig komischen Momenten kommen können, aber Koji bringt eine Intensität in den Film, die erschreckend und brutal ist.
Brutal ist der Thriller übrigens nicht nur in der Ausleuchtung seiner Themen, sondern auch in der Gewaltdarstellung. Nicht nur die vielen 60er und 70er Jahre Songs (und auch ältere) erinnern an die Exploitation-Filme jener Zeit. Getragen wird der Film aber vor allem durch Tetsuya Nakashimas äußerst saubere und fast schon zu perfekt durchkomponierte Regie. Einige Nebencharaktere intensivieren durch ihre unterschiedliche Art des "Bösen" die enorm dichte und betäubend düstere Atmosphäre, so sind auch Satoshi Tsumabuki ("Villain") und Joe Odagiri ("My Way") in Nebenrollen zu sehen. Es ist schwer, "The World of Kanako" angemessen zu bewerten. Zweifellos ist es ein kleines Meisterwerk, aber ein sehr unangenehmes. Beinahe der Gegenentwurf zu Tetsuyas "Memories of Matsuko". Auch dort war die Welt schlecht, aber die Protagonistin erfüllte durch ihre Reinheit die Welt mit Farbe und Hoffnung. Genau diese Person gibt es diesmal nicht und so muss man durch die verschiedensten Ebenen der Hölle wandern, ohne auf Katharsis am Ende hoffen zu dürfen...