Story: Ryoichi Suzuki (Hiroki Hasegawa) wollte früher ein Rock-Sänger werden und auch heute hat er seinen Traum noch nicht aufgegeben.
Allerdings arbeitet er momentan als schüchterner Angestellter bei einer kleinen Firma, wo er ständig von seinen Kollegen gemobbt wird. Ebenso findet er nicht
den Mut, seiner Kollegin Yuko (Kumiko Aso) seine wahren Gefühle zu offenbaren. Seinen einzigen Freund findet Suzuki dann in einer Schildkröte, die er über alles
liebt. Nachdem er wegen dieser von seinen Kollegen schikaniert wird, spült er diese die Toilette runter und bereut seine Tat nur kurze Zeit später zutiefst. Er
ist völlig aufgelöst, doch die Schildkröte landet in der Kanalisation bei einem merkwürdigen alten Mann (Toshiyuki Nishida), der über Zauberkräfte zu verfügen
scheint. Er hat eine Familie aus lebendigen Spielzeugen und Tieren, die von ihren Besitzern verstoßen wurden. Dank magischer Pillen, die der Mann herstellt,
können alle seine Spielzeuge sprechen, aber der Schildkröte gibt er versehentlich die falsche. Und so kann sie nun Wünsche erfüllen, auch wenn sie dadurch
immer weiter wächst. Plötzlich beginnt Suzukis Leben eine Wende zu nehmen...
Kritik: Sion Sono ist heutzutage so beschäftigt, dass es fast schon schwer fällt, alle seine Filme zu sehen. Im Jahr 2015 hat er an nicht
weniger als sechs Filmen gearbeitet! Genau aus diesem Grund wird er weithin schon als der neue Takashi Miike gehandelt. Und auch wenn Sion Sono einen ganz
anderen Stil hat, beweist er mindestens genauso viel Diversität wie sein Regie-Kollege. "Love and Peace" ist ein Familienfilm um den Aufstieg eines Popidols,
die Magie der Wünsche und die Menschen, die wir beim Verfolgen dieser oft außer Acht lassen, obwohl sie maßgeblich dafür sorgen, dass wir unsere Träume
erfüllen können. Auch diesmal wieder verbirgt sich in Sion Sonos Streifen mehr als nur eine Botschaft und es war ihm an diesem Film besonders viel gelegen.
Allerdings hat das Drama auch einige nicht so glanzvolle Seiten, die das Resultat dessen sind, dass der Regisseur nicht so viel Zeit auf den Film verwenden
konnte, wie dieser es wohl verdient hätte.
Eigentlich gehört es beinahe irgendwie schon zum Stil des Regisseurs, dass seine Werke durchaus etwas ungeschliffen sind. Auch seine Protagonisten lassen
manchmal das nötige Maß an Ausarbeitung vermissen. Selten stört das aber seine Geschichten. In "Love and Peace" ist das jedoch ein nicht zu unterschätzender
Störfaktor. Ryoichi Suzuki ist ein ungemein nervtötender Geselle. Er tut einem wirklich leid, so wie er von jedem in seinem Umfeld schikaniert wird, aber
er macht es einem auch nicht leicht, das nicht zu tun. Hiroki Hasegawa ("Why Don't You Play in Hell?") übertritt
sehr oft die Grenze zum übertriebenen Schauspiel. Erst als Sänger kann er eine einigermaßen überzeugende Darstellung abliefern, aber dann mangelt
es ihm an echter Charaktertiefe. Seine anfänglichen krankhaften Schwärmereien hatten immerhin noch so etwas wie einen Charakter erahnen lassen.
Die kleine Liebesgeschichte funktioniert nicht, weil auch Yuko, verkörpert von Kumiko Aso ("Casshern"), keine glaubwürdigen Charaktereigenschaften
mitbringt, oder überhaupt welche, um genau zu sein. Das hilft dem Film wahrlich nicht, da auch die Geschichte äußerst wirr erzählt wird. Die sprechenden Tiere
in der Kanalisation können darüber hinaus zunächst nur für offene Münder sorgen. Bei Sion Sono weiß man zwar nie, was man bekommt - der im gleichen Jahr
erschienene "Tag" war schließlich ein Gore-Streifen -, trotzdem ist der fast schon als Weihnachtsgeschichte zu bezeichnende Plot
rund um Träume und Spielzeuge, die ein Eigenleben haben, eine ziemliche Überraschung. Der alte Mann in der Kanalisation beherrscht außerdem eine Art der
Magie, deren Hintergründe später mehr oder weniger aufgeklärt werden. Und daneben gibt es auch noch Kaiju-Elemente.
Spätestens wenn man die große Puppenversion der Schildkröte mit ihren Kulleraugen sieht, weiß man, dass sich Sion Sono nicht den Spaß nehmen lassen wird, auch
das Monster-Genre durch den Kakao zu ziehen und Teile einer Stadt kaputttrampeln zu lassen. Die praktischen Effekte wirken zwar vielleicht etwas billig und
lassen ein gewisses Feintuning vermissen, sind aber besser als schlechte CGI-Effekte und erinnern überdies an Jim Henson und Co. Auch Musik spielt eine
große Rolle und so gibt es einige Rock-Balladen zu hören. Den Hauptsong des Films hat übrigens der Regisseur selbst geschrieben und schlägt mit diesem ganz
klar in die Kerbe japanischer Bands, deren etwas zu kitschig geratenen Balladen die Frauen scharenweise in die Konzerte locken. In dem Gezeigten kann man also
wieder einmal Kritik an der Gesellschaft und eine Botschaft vermuten. Das beginnt schon ganz offensichtlich bei dem Missverständnis um den Inhalt des Songs,
der für Suzuki den großen Durchbruch bedeutet.
Als Bewunderer von Sion Sonos Arbeit fällt es mir leicht, lobende Worte für die Kreativität des Regisseurs zu finden. Doch auch wenn "Love and Peace" von den Kritikern hochgelobt wird und wirklich ein Film für die ganze Familie ist - wann kann man das von Sion Sonos Filmen schon sagen? - kann ich nicht umhin, als die hastige Umsetzung des Streifens zu kritisieren. Der Streifen hätte ganz klar mehr Feinschliff verdient. Das betrifft speziell die Charaktere, die sehr flach bleiben und einen damit emotional nicht mitreißen können, als auch allgemein die Geschichte, die nur sehr schwer einen roten Faden erahnen lässt. Gute Intentionen sind dabei und ich kann verstehen, das die Motive der Träume und Wünsche und die Gesellschaftskritik des Regisseurs bei vielen Zuschauern auf Resonanz stoßen, aber Sion Sono hätte schlichtweg Besseres abliefern können.