Story: Baek Sang-ah (Han Ji-min) geht verschiedenen Jobs nach und führt ein zurückgezogenes Leben, obwohl sie ihr Freund, der Polizist Jang-seop (Lee Hee-joon), versucht ins richtige Leben zu holen. Die Narben aus Sang-ahs Kindheit sind jedoch zu groß, als dass sie ein normales Leben führen könnte. Als Jang-seop ihr mitteilt, dass ihre Mutter tot aufgefunden wurde, interessiert das Sang-ah kaum. Sie wurde von dieser als Kind misshandelt, weil die Mutter alkoholabhängig war, und Sang-ah wurde schließlich von ihr fortgegeben. Eines Tages sieht Sang-ah auf der Straße das kleine Mädchen Ji-eun (Kim Si-ah), das fast verhungert ist und etliche blaue Flecken am Körper hat. Sie lädt das Kind zum Essen ein, bis letztlich eine Frau auftaucht, die sich als Mi-kyeong (Kwon So-hyun), die Freundin von Ji-euns Vater, vorstellt. Das kleine Mädchen möchte augenscheinlich nicht mit der Frau mitgehen, aber Sang-ah kann sich in die Angelegenheiten anderer nicht einmischen. Ji-eun muss zuhause in der Waschküche oder im Badezimmer leben und wird von Mi-kyeong ständig geschlagen. Der Vater sitzt den ganzen Tag am Computer und spielt, doch Mi-kyeong hat noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass er sein Leben herumreißt. Sie gibt seiner kleinen Tochter die Schuld, dass ihr Freund ein Verlierer geworden ist. Als Sang-ah das Mädchen erneut auf der Straße sieht, hat Ji-eun neue Verletzungen. Die Polizei zeigt Desinteresse und Sang-ah kann das Mädchen nicht einmal aufnehmen, wenn die Eltern es weggeben würden, weil sie vorbestraft ist...
Kritik: "Miss Baek" ist ein düsteres Drama über Kindesmissbrauch, das nicht nur wegen der großartigen darstellerischen Leistungen überzeugt, sondern auch seiner ungemein trostlosen Atmosphäre, die an einen Film Noir erinnert und vom warmen Gegenpol eines Mädchens und ihrer mütterlichen Beschützerin ergänzt wird. Dieser Drama-Thriller geht nicht einfach ans Herz, sondern ist auch ein Schlag in die Magengrube. Er basiert auf einer wahren Begebenheit und gibt den vielen Kindesmisshandlungen nicht nur in Korea ein Gesicht. Dabei wird auch Kritik an einer Gesellschaft geleistet, die sich offensichtlich nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt, zumal es noch gar nicht so lange zurückliegt, dass in dem Land auch Lehrer im Namen der Züchtigung ihre Schüler schlagen durften. Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, der kleinen Ji-eun ihr Leid zu ersparen, aber kaum einer kümmert sich ernsthaft darum, was mit Kindern wie ihr passiert.
Han Ji-min ("The Age of Shadows") spielt eine starke, eigenwillige und zurückgezogen lebende Frau, die durch die Misshandlungen ihrer alkoholabhängigen Mutter ihr Leben lang Narben trägt. Mit der Zeit erfahren wir, dass ihre Mutter nicht einfach nur ein Monster war. Sie litt an Depressionen und hat selbst erkannt, wie schlecht es ihre Tochter bei ihr hat, weshalb sie sie weggab. Das nimmt der erwachsenen Sang-ah nicht ihren Schmerz, aber mit der Zeit - anfangs verschließt sich die Frau emotional völlig bezüglich allem, was mit ihrer Mutter zu tun hat - kann sie sich durch das kleine Mädchen, das sie in ihre Obhut nimmt, doch mit dem Thema auseinandersetzen. Darstellerin Han Ji-min weiß dabei sehr gekonnt als taffe Frau zu überzeugen, die sich nichts sagen lässt, aber andererseits mit ihrem Leben schon abgeschlossen hat. Sowohl ihr Schmerz als auch ihre innere Stärke machen Sang-ah zu einer interessanten Persönlichkeit.
Die Männer sind in dem Film allerdings nicht nur stark unterrepräsentiert, sondern auch flach geschrieben. Da ist der misshandelnde Vater, der selbst Opfer von Misshandlungen war und nicht eine Minute leben kann, ohne sich in Computerspiele zu flüchten, als auch der Polizist, der irgendwie Sang-ahs Freund ist und sie schon seit Ewigkeiten heiraten will, von dieser aber stets eine Abfuhr bekommt, weil sie seinen mitleidigen Blick nicht ihr ganzes Leben ertragen will. Eigentlich ist er aber im Film, um die schlimmsten Konsequenzen von Sang-ah abzuwenden. Da die Protagonistin oft sehr unüberlegt handelt, ist es am Polizisten, sie rechtlich zu beschützen, eine andere Rolle hat er aber nicht. Dann ist da noch Mi-kyeong, die zur Kirche geht, ihren Hund über alles liebt und den Eindruck einer netten Frau hinterlässt, bis man hinter die Fassade blickt. Sie ist es, die Ji-eun auf schreckliche Weise misshandelt, weil sie hofft, das Mädchen könnte vielleicht endlich sterben und ihr Freund würde wieder zu sich kommen.
Die Jungdarstellerin Kim Si-ah ist aber der eigentliche Star des Films. Ihr ängstlicher Blick oder wie sie zitternd die Hand Sang-ahs greift, als ihre "Ziehmutter" sie mitnehmen will, lässt auf beeindruckende Weise sofort den Beschützerinstinkt aufkommen. Selbst bei einer augenscheinlich kalten Person wie Sang-ah löst die kleine hilfsbedürftige Ji-eun etwas aus, die sich von ganzem Herzen bedankt, als sie das Meer gezeigt bekommt. Das ist aber auch kein Wunder, weil sich Sang-ah natürlich an ihr eigenes Leid erinnert fühlt, das sie immer noch mit sich trägt. Die Szenen zwischen Sang-ah und Ji-eun, die sich gegenseitig auch ohne Worte verstehen, sind die intensivsten im Film. Aber auch die Momente, in denen das kleine Mädchen in der Waschküche oder im Bad eingeschlossen um ihr Überleben kämpft, können zu Tränen rühren. "Miss Baek" ist nicht einfach nur ein Drama, das ans Herz gehen will, sondern eines, dass kompromisslos das Grausame in der Welt zeichnet.
Natürlich gibt es aber ein Licht am Ende des Tunnels. Sang-ah will für das kleine Mädchen kämpfen, aber das ist für eine vorbestrafte Frau unmöglich. Sie musste sich einst gegen einen Vergewaltiger wehren, da dieser aber der Sohn eines wichtigen Mannes in der Industrie war, wurde sie festgenommen. Auch an dieser Stelle sieht man Kritik an der koreanischen Gesellschaft. Allerdings sehen wir dann auch die in der ruhigen Sang-ah stets schlummernde Rage, die langsam herausbricht. Das führt zu einer Actionszene gegen Ende, die recht unnötig und schwach ist. "Miss Baek" ist kein Rachedrama und Regiedebütantin Kim Ji-won hätte auf diesen Einschub in ihrem ansonsten absolut überzeugenden Drama verzichten sollen. Bereits in "Silenced" wurde das Thema Kindesmisshandlung bearbeitet, aber "Miss Baek" geht noch einmal etwas tiefer und wird persönlicher. Düster und emotional vereinnahmend zugleich.