Story: Nachdem die steigenden Temperaturen keinen Zweifel mehr daran lassen, dass ein Klimawandel kurz bevorsteht, greifen Wissenschaftler
auf der ganzen Welt zu einer drastischen Maßnahme. Ein neues Mittel wird in der Atmosphäre freigesetzt - und es führt zum Untergang der Menschheit. Die
einsetzende Eiszeit macht ein Überleben unmöglich. Einzig ein Zug mit den letzten Überlebenden fährt seit nunmehr 17 Jahren immer die gleiche Strecke ab. Während
in den vorderen Abteilen die Menschen leben, die sich eine teure Karte leisten konnten, sitzen hinten unter schrecklichen Bedingungen die Menschen, die nichts
haben. Curtis (Chris Evans) ist einer jener Menschen, die wie Tiere behandelt werden, und zettelt eine Revolution an. Er muss sich einen Weg bis nach ganz vorne
in den Zug erkämpfen. Die Türen öffnet ihm dabei der Mechaniker Min-soo (Song Kang-ho), der im Gegenzug für sich und seine Tochter Yona (Ko Ah-seong) eine
beliebte Droge verlangt. Ziel von Curtis und seinen Leuten ist die "Maschine", die den Zug antreibt und mit dem Erfinder des Zugs, Wilford, wie eine Gottheit
verehrt wird. Hat man die Macht über die "Maschine", hat man die Macht über den Zug...
Kritik: Zunächst einmal war es schwierig, zu entscheiden, ob "Snowpiercer" überhaupt auf dieser Webseite ein Platz eingeräumt gehört.
Doch neben Bong Joon-ho als Regisseur und Song Kang-ho als Darsteller war für die Produktion außerdem CJ Entertainment verantwortlich und einer der Produzenten
ist sogar Park Chan-wook. Irgendwie ist dieser Science-Fiction-Blockbuster damit also koreanisches Kino. Von vielen Kritikern in den höchsten Tönen gelobt, habe
ich mich mit hohen Erwartungen vor den Bildschirm gesetzt und eine Enttäuschung erwartet. Glücklicherweise ist "Snowpiercer" ein intelligenter und vor allen
Dingen einmaliger Film, der sich nicht darum kümmert, was filmisch funktionieren könnte und was nicht. Diese Kompromisslosigkeit hätte den Film floppen lassen
können, aber sie erweist sich als die tatsächliche Stärke des Sci-Fi-Streifens.
Die Geschichte des Films basiert auf einem französischen Graphic Novel mit dem Titel "Le Transperceneige" und zeichnet einen Mikrokosmos, in dem die Menschen um
ihr Überleben kämpfen. Der Zug stellt zugleich den einzig sicheren Ort auf der Welt und ein Gefängnis dar. Die sozialen Schichten sind ganz klar gegliedert,
ohne dass es Chancen für einen gesellschaftlichen Aufstieg gibt, was selbstverständlich zu einer Revolution führen muss. Hier zeichnet sich die erste komplexe
Schicht des Films ab. Gut und Böse gibt es nicht wirklich. Curtis, gespielt von Chris Evans ("Captain America"), ist ein Anführer, der keiner sein will,
und er geht über Leichen. Manche Entscheidungen, die er trifft, machen es einem als Zuschauer wahrlich schwierig, mit ihm zu sympathisieren. Er ist aber
eben einfach gewillt, für das größere Gute Opfer zu bringen.
Eine wirklich interessante Rolle spielt Song Kang-ho, der hier nach Regisseur Bongs "The Host" wieder mit Ko Ah-seong als seiner
Tochter vereint ist. Er ist ein drogensüchtiger Mechaniker, dem eine wichtige Rolle in dem Zug zukam, bis er schließlich vollends seiner Drogensucht
verfallen ist. Übrigens scheint er aus welchen Gründen auch immer, vielleicht sind es die Drogen, fast unverwundbar zu sein. Nichtsdestotrotz steckt natürlich
auch hinter seinem Charakter mehr, als man auf den ersten Blick erahnt. Wir bekommen aber nicht auf alles eine Antwort. So bleibt der Ursprung von Yonas
hellseherischen Fähigkeiten beispielsweise ein Rätsel.
Wie moralisch verdorben selbst die "guten" Charaktere sind, spiegelt sich auch in den Kostümen wieder. Die Menschen aus dem hinteren Teil des Zugs sind
schmutzig und aggressiv, die Soldaten aus dem vorderen Teil dagegen sind emotionslos oder haben sadistischen Spaß an ihrer Arbeit.
Sieht man sich die Kostüme, Sets und die Zeichnungen der Charaktere an, wird man stark an ein Werk von Terry Gilliam erinnert. Ein gewisser Steampunk-Flair
haftet "Snowpiercer" zweifellos ebenfalls an. Darüber hinaus gibt es eine eigenartige Form des Humors in dem Film. Mitten in einer brutalen Schlacht verharren
die Kämpfenden und begrüßen das neue Jahr, oder die Möglichkeit des Ablebens wird schlichtweg auf die leichte Schulter genommen. Kein Wunder, dass in
"Snowpiercer" etliche Personen das Ende nicht zu sehen bekommen. Der Sci-Fi-Streifen ist eine düstere Allegorie auf das, was Menschlichkeit ausmacht. Der Weg
in den vorderen Bereich des Zugs ist dabei mit viel Blut erkauft und obwohl es keine allzu brutalen Szenen gibt, sollte man doch starke Nerven mitbringen.
Dass Curtis nicht gleich seinem Schöpfer gegenübersteht, dürfte klar sein, aber sonst ist bei der Kompromisslosigkeit des Films alles möglich.
Dabei zuzusehen, wie sich Stück für Stück den Zug nach vorne gekämpft wird, hätte leicht langweilig werden können, doch gibt es nie eine langatmige Minute. Zu jeder Zeit spannend, bietet der Film Abwechslung und hält die moralischen Entscheidungen der Protagonisten immer scharf im Fokus, sodass man sich mit diesen auseinandersetzen muss. Am Ende gibt es dann noch einige überraschende Wendungen und wir erfahren mehr über die Charaktere. "Snowpiercer" spielt hier auch sehr gekonnt seine smarte Geschichte aus und überzeugt auf ganzer Linie. Technisch weiß der Film vor allem durch seine dichte Atmosphäre und großartige Aufnahmen zu überzeugen. Selbst die Spezialeffekte sind (zum großen Teil) sehr gelungen. Die Eigenarten von "Snowpiercer" kulminieren dann in einem Ende, das vielleicht nicht jedem passen mag, aber Regisseur Bong ("Memories of Murder") stellt damit eben auch einen Sci-Fi-Film auf die Beine, den man nicht so schnell wieder vergisst. Auch wenn ich es hasse, die Meinung der Masse zu teilen, ist "Snowpiercer" zweifellos ein kleines Meisterwerk.