Extracurricular

Story: Oh Ji-soo (Kim Dong-hee) ist ein unauffälliger Schüler, der sehr gute Noten hat und an einer guten Universität studieren möchte. Sein Vater ist jedoch ein Spieler und hat ihn genauso wie seine Mutter verlassen. Daher ist er nun vollkommen auf sich alleine gestellt und hat das Problem, dass er sowohl für seine Schulgebühr als auch die Studienkosten später viel Geld benötigt. Daher hat er eine App entwickelt, mit der er junge Frauen, meistens Schülerinnen der Oberschule, an Freier weiterleiten kann. Für die Sicherheit der Mädchen ist der stoische Wang-cheol (Choi Min-soo) verantwortlich. Dieser muss auch tatsächlich wieder einmal einschreiten, als Seo Min-hee (Jung Da-bin) an einen Verrückten gerät. Die Mädchen tragen zum Glück alle ein Armband, mit dem sie schnell Hilfe holen können, aber Min-hee kann seitdem nicht mehr richtig ihrer Arbeit nachgehen. Ji-soo hält derweil im Hintergrund die Fäden in der Hand und ist sehr darauf bedacht, dass niemand seine Identität erfährt. Auch Min-hee, die in seine Klasse geht, ahnt nichts von dem, was er macht. Allerdings ist da die Mitschülerin Bae Gyoo-ri (Park Ju-hyun), die Tochter einer reichen Familie, die ihre Eltern nicht ausstehen kann. Sie kommt dem Geheimnis des Jungen langsam näher, als dieser von seinem Klassenlehrer dazu überredet wird, einem Schulclub beizutreten, und möchte Partnerin bei der Sache werden. Nicht nur sie bringt Ji-soos ausgeklügeltes System durcheinander, sondern auch sein Vater, der plötzlich kurz wieder auftaucht, weil er Geld braucht, sowie eine Ermittlerin und eine Gangsterorganisation, der Ji-soo unwissentlich auf die Füße tritt.

Kritik: Gestresste Teenager, Leistungsdruck in der Schule, Mobbing - Themen, die man immer wieder in koreanischen Filmen wie "Thread of Lies" zu sehen bekommt. In koreanischen Drama-Serien mag dies auch stets aufgegriffen werden, aber in dem Netflix-Original "Extracurricular" gibt es darüber hinaus noch einiges mehr. Es beginnt schonmal damit, dass der Ton der Serie um ein Vielfaches düsterer und ernster ist, als man das von Serien aus Korea, die an Schulen spielen, gewohnt ist. Dann dreht sich die Geschichte außerdem um einen Jungen, der - egal, wie sehr er sich die Sache schönreden will - ein Zuhälter ist. Und er vermittelt auch noch minderjährige Mädchen, etwas, das in Korea ein großes Problem ist, weil sich einige Schülerinnen einen gewissen Luxus leisten wollen. Die Serie ist dabei in Grautönen gezeichnet und ein eindeutiges Gut und Böse gibt es hier nicht: die größte Stärke der zehn Episoden langen Serie.

Vermutlich glaubt man nach der ersten Folge so etwas wie "Tote Mädchen lügen nicht" vor sich zu haben, doch dem ist nicht so. "Extracurricular" ist ebenso eine Krimi-/Thriller-Serie mit Gangstern, ein paar blutigen Kämpfen und spannenden Wendungen. Es sollte keine große Überraschung sein, dass die Dinge unweigerlich aus dem Ruder laufen müssen und die Geschehnisse somit auch einen leichten "Breaking Bad"-Anstrich bekommen. Zunächst einmal geht es aber darum, dass sich Mädchen verkaufen und Ji-soo den Vermittler sowie Sicherheitsservice spielt. Schwierige moralische Fragen werden dabei aufgeworfen. Haben die Schülerinnen das Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, nur weil sie meinen, dass sie schon alt genug dafür sind, sich verkaufen zu dürfen? Wie geht man als Lehrer damit um, wenn das herauskommen sollte, speziell mit Rücksicht auf etwaige Gerüchte, die jemanden in Form von Mobbing seelisch zerstören könnten? Woher kommt der Druck der Gesellschaft (Stichwort: neueste Konsumgüter), die einen in diesem Alter zu dieser Arbeit drängen? Und welche Schuld trägt Ji-soo bei dem Ganzen?

Ji-soo ist ziemlich intelligent, kommt aber aus einer Familie, die ihm nie das Nötigste geben konnte/wollte, damit er eine gute Schulbildung bekommt. Also kümmert sich der Schüler selbst darum. Es ist also nicht die Gier, die ihn antreibt, sondern der Wunsch, ein normales Leben führen zu können. Das macht ihn als Charakter so ambivalent und man kann tatsächlich mit ihm mitfiebern, obwohl er nach außen hin ziemlich flach wirkt. Das Problem ist aber, dass er allen Stress in sich hineinfrisst und man nie weiß, ob, wann oder wie so eine Person explodieren könnte. Dann ist da noch das Mädchen Gyoo-ri, die zwar reiche Eltern hat, aber aus dem Käfig, den diese gebaut haben, ausbrechen will. Vollkommen fanatisch will sie ein Teil von Ji-soos "Unternehmen" werden. Für sie ist alles nur ein Spiel. Anderen nachspionieren und Erpressung gehören für sie an die Tagesordnung. Es gibt Momente in der Serie, da kann man sie einfach nicht ausstehen, aber auch sie ist weitaus komplexer, als man denkt, hat sogar irgendwann Mitleid mit Ji-soo und so etwas wie eine Freundschaft, die eventuell mehr werden könnte, ensteht zwischen den Geschäftspartnern.

Glücklicherweise ist die einzige potentielle Liebesgeschichte nur angedeutet. Eine ebenfalls interessante vater- bzw. großvaterähnliche Beziehung entsteht zwischen Min-hee und ihrem Beschützer Wang-cheol. Letzterer ist ein Mann weniger Worte und stiehlt allen anderen oft die Schau. Speziell in den Actionszenen kämpft er für zehn und wirkt oft wie eine unaufhaltsame Naturgewalt, weil er zwar auch sehr oft Schläge einstecken muss, aber einfach unbeirrt immer weiter auf seine Gegner einprügelt. "Extracurricular" kann manchmal erstaunlich blutig werden und das betrifft vor allem die letzten Folgen. Relativ bald wird auch eine Ermittlerin eingeführt, die lange aber immer wieder in den Hintergrund gerückt wird. Mit fortschreitenden Episoden wird der Thrilleraspekt aber immer stärker und mit einer Gangsterorganisation, die dann auch noch mitmischt, wird es für die beiden Teenager immer gefährlicher, bis sie sich plötzlich in einer anderen Liga wiederfinden. Dann wird "Extracurricular" äußerst spannend, weil Entscheidungen getroffen werden müssen, bei denen es um Leben und Tod geht.

Mit dem Lehrer gibt es eine weitere interessante Persönlichkeit, die für Ji-soo einen Ausweg aus seinem immer mehr aus der Bahn geratenden Leben liefern könnte. Die Anzahl der Charaktere und ein stetiger kleiner Wechsel des Fokus tun der Serie gut und halten die Ereignisse frisch. Ji-soo und Gyoo-ri bleiben aber der Mittelpunkt der Serie und das ist auch wichtig sowie richtig, denn alles Übel, das sich entwickelt, geht ursprünglich von ihnen aus. Ji-soo gerät an seine Belastungsgrenze, was sich in einigen verdrehten Albträumen widerspiegelt und Gyoo-ri weiß nie, wann sie sich auch mal geschlagen geben muss. Das sorgt für eine schöne Dynamik. Negativ könnte man nennen, dass die Serie ihren Schwerpunkt mit den letzten Episoden überraschend stark auf Krimiebene setzt und dies nicht ganz mit den ersten Episoden harmonieren will. Aber Drama gibt es auch dann bzw. gerade dann weiterhin. Dieses spielt nicht auf dem kitschigen Niveau eines Romantik-Dramas, wird von den Darstellern gut transportiert und wie gewohnt sieht die Produktion wie alles andere als billiges TV-Material aus. Mit seinen Themen und den gut geschriebenen Charakteren ist "Extracurricular" eine etwas andere, spannende Serie, die auch jenen empfohlen werden kann, die sonst mit koreanischen Serien nichts am Hut haben.

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