Story: Dahai (Jiang Wu) regt sich über seine korrupten Vorgesetzten auf. Eine Mine, die dem Dorf gehörte, wurde vor Jahren verkauft und
trotzdem hat die Gemeinde noch kein Geld gesehen. Als dann Dahais Chef mit einem privaten Jet in dem Dorf zu Besuch kommt, kann Dahai nicht mehr über die
Korruption in der Firma hinwegsehen. Er will sich beschweren, wird aber von seinen Kollegen belächelt und kann gegen seine Vorgesetzten nichts ausrichten.
Bis er sein Gewehr aus dem Schrank holt...
Zhou San (Wang Baoqiang) kehrt zum Geburtstag seiner Mutter in sein Heimatdorf zurück. Dort will niemand etwas mit ihm zu tun haben, denn sein Leben als
Auftragskiller in der Großstadt gefällt ihm tatsächlich...
Xiaoyu (Zhao Tao) arbeitet als Empfangsdame in einem Massagesalon. Sie hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann und fordert von diesem, sich endlich
für eine seiner beiden Frauen zu entscheiden. Außerdem hält sie ihr Leben als Empfangsdame nicht mehr aus, als sie von ein paar Kunden
belästigt wird.
Xiaohui (Luo Lanshan) hat eine Mutter, die ständig Geld von ihm will, und Ärger auf der Arbeit. Also wechselt er die Arbeitsstelle und lernt die Prostituierte
Lianrong (Vivien Li) kennen. Doch auch dieses Leben scheint nichts für ihn zu sein.
Kritik: Es ist nicht schwer zu sagen, warum "A Touch of Sin" ein solcher Kritikerliebling ist. Der Umfang an Motiven ist nicht gering, aber
vor allem ist es die Art, wie diese filmisch umgesetzt werden, die dafür sorgt, dass der Regisseur mit seinen tragisch-kühlen Geschichten ins Schwarze
trifft. Denn zum Teil fühlt sich dieses Drama wie ein Dokumentarfilm an und wegen dieses ungewöhnlich hohen Realismus macht er besonders betroffen. Jia
Zhangke muss sich dennoch durchaus der Kritik ausliefern, dass seine Geschichten manchmal zu gemächlich dahintropfen, aber es gibt genügend Schockmomente,
die wieder wachrütteln. Ein wirklich unterhaltsamer Film mag "A Touch of Sin" daher nicht sein, aber einer mit einem ungewöhnlich hohen Gewicht, der die
sozialen und moralischen Probleme im modernen China aufgreift.
Zunächst einmal mag es irritieren, dass der Film aus vier Einzelgeschichten besteht, wobei die einzelnen porträtierten Personen in keinem Zusammenhang zueinander
stehen, wobei ein paar kleine Überschneidungen darauf hinweisen, dass alle Geschichten im gleichen China stattfinden. Ein China, das augenscheinlich kein
fiktives ist. Jede der Geschichten könnte so tatsächlich stattgefunden haben. Wirklich zusammengehalten werden die einzelnen Teile durch eine kohärente
Atmosphäre und Motive, die sich ergänzen oder wiederholen, als würde hier eine Dokumentation gedreht werden, bei der das Augenmerk auf bestimmte soziale
Missstände gelegt wird. Und dabei begleitet man natürlich nicht nur das Leben einer Person. Da wir ohnehin niemals eine richtige emotionale Nähe zu den
Protagonisten aufbauen können, dafür ist die Regie zu kühl, fügen sich die vier Geschichten sehr gut in einen gemeinsamen Rahmen.
Die stets sehr natürlichen Sets tragen ebenso zur Realitätsnähe bei. Regisseur Jia Zhangke vermag es dabei in seinen Bildern die Moderne und das Traditionelle
gegenüberzustellen und oft arbeitet er dabei mit Symbolik, die keinesfalls aufdringlich ist. Er macht es sich dabei auch nicht so einfach, dass er alles
Moderne schlichtweg als schlecht darstellt, trotzdem ist nicht zu leugnen, dass er herausstellen will, wie das Wachstum Chinas die Moral auf der Strecke
gelassen hat und trotz eng geballter Großstädte die Einsamkeit immer mehr Opfer fordert. Geld ist der einzige Freund, den man im Leben haben kann, so zumindest
hört man von den anderen, denn die Individuen der vier Geschichten sind entweder arm oder können sich gerade so über Wasser halten. Moralisch verkommen
die Menschen dabei immer mehr und das schlägt sich auch in Jias trostlosen Bildern nieder.
Die Kälte der Welt, in der die Protagonisten gefangen sind, ist beinahe unerträglich und irgendwie scheint China trotz riesiger Menschenmengen und lauten
Nachtclubs leblos. Und selbst diese Welt fällt für die vier Individuen immer mehr auseinander. Wu Jiang stellt dabei einen stillen Kämpfer für Gerechtigkeit
dar, der irgendwann gezwungen wird, zu handeln - und das auf extreme Art. Wang Baoqiang ("Kung Fu Jungle",
"Lost in Thailand") stellt die rätselhafteste Persönlichkeit dar, während Zhao Tao in ihrem Segment eine Anspielung an
den Namensvettern "A Touch of Zen" abliefert. Und der Austausch eines kleinen, ähnlich klingenden Wortes gibt auch einen guten Eindruck eines dominanten
Motivs im Film: der Sünde des Geldes, des Konsums, der Bestechlichkeit und ungleicher Verteilung.
Wie gesagt sind die Motive des Films vielschichtig. Jias Bilder arbeiten dabei stets mit Kontrasten, eines der augenscheinlichsten ist z.B. das der grünen Nutzfelder und der smogverhangenen Großstadt dahinter. Nebem dem Realismus einer Dokumentation haftet dem Film damit auch oft etwas Lyrisches an. Inhalt und Verpackung stimmen also. Aber die Geschichten entfalten sich manchmal doch etwas zu gemächlich und gerade in der dritten Geschichte ist kurzzeitig die Luft raus. Jedes Mal, wenn die Entwicklungen jedoch etwas zu langsam stattfinden, kommt es zu einer schockierenden Szene, die oft genug auch nicht mit Blut spart. Wären die Charaktere nicht so kühl geraten, müsste man "A Touch of Sin" als ein Must-See herausstellen. So bleibt aber immer noch die außergewöhnliche Atmosphäre und die thematische Reichhaltigkeit mitsamt starker Gesellschaftskritik, die Anerkennung fordern.