Story: Soo-nam (Lee Jeong-hyeon) fesselt die freiwillige Helferin für psychisch angeschlagene Frauen Kyeong-sook (Seo Young-hwa) und erzählt
ihr ihre Lebensgeschichte. Sie hatte sich einst für das Leben einer Arbeiterin oder eine höhere Schulbildung entscheiden müssen. Sie wählte letzteres, aber alle
ihre Auszeichnungen waren auf dem Arbeitsmarkt nichts wert, sodass sie letztlich als Buchhalterin in einem kleinen Betrieb arbeitete. Dort trifft sie ihren
zukünftigen Mann Gyoo-jeong (Lee Hae-yeong), der die Hochzeitsreise verschieben will, bis sie sich ein Haus leisten können. Unglücklicherweise verliert er auch
sein letztes bisschen Gehör und er muss sich einer Operation unterziehen. Da diese sehr teuer ist, weigert er sich zunächst, denn ein Haus hat für ihn
höchste Priorität. Soo-nam überredet ihn aber letztendlich zu der Operation. Wieder bei der Arbeit macht ihm sein implantiertes Hörgerät Probleme, während er
an einer Maschine arbeitet. Er verliert einige Finger und steckt seitdem in einer tiefen Depression. Soo-nam arbeitet daher neun Jahre lang Tag und Nacht, damit
sie sich ein Haus leisten können und Gyoo-jeon wieder Lebensfreude verspürt. Doch Soo-nams Mann versucht sich das Leben zu nehmen und liegt seitdem im
Koma...
Kritik: Trotz des Posters, auf dem man bereits einen Vorgeschmack auf die blutige Seite dieses Streifens bekommt, habe ich bei diesem Film
irgendwie eine Komödie, ja vielleicht sogar einen Romantikstreifen erwartet. Das sollte man lieber nicht, sonst wird man nur enttäuscht werden. "Alice in
Earnestland" ist nämlich ein bitterböses Drama. Und das, obwohl im Kern tatsächlich eine Liebesgeschichte steckt. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz.
Um genau zu sein, handelt es sich bei diesem sogar um die größte Stärke des Films. Allerdings muss man sich schon für schwarzen Humor und Sarkasmus erwärmen
können, um nicht einfach nur schockiert zu sein, von dem tragischen Schicksal, das die Protagonistin zu bewältigen hat. Und irgendwo versteckt sich in dem
Streifen sogar ein wenig Sozialkritik. Auch wenn die einzelnen Aspekte des Films besser aufeinander abgestimmt sein könnten, handelt es sich hier um ein
originelles Drama, in dem auch das Morden nicht zu kurz kommt.
Interessanterweise hat "Alice in Earnestland" zwar nicht wirklich schlechte Kritiken bekommen, aber viele Kritiker scheinen nur wenig mit dem Streifen anfangen
zu können. Womöglich liegt das an dem etwas eigenartigen Humor, den man als pechschwarz bezeichnen muss, und dem vielen Blut, das es in diesem Drama zu sehen
gibt. Problematisch ist für viele Kritiker, dass die Aussage des Films nicht eindeutig oder festzumachen sei. Dem kann ich mich keineswegs anschließen. Soo-nam
hat nur einen Wunsch: Ein normales, glückliches Leben mit ihrem Mann zu führen. Doch ein ungerechtes Sozialsystem und Pech sorgt dafür, dass Soo-nam und ihr
Mann das kurze Ende des Streichholzes abbekommen und sich schwer schuftend durch das Leben schlagen müssen. Ist es da verwunderlich, dass Soo-nam mit jedem
Schicksalsschlag mehr und mehr dem Wahnsinn verfällt? Besonders lobenswert ist dabei, dass es sich um einen schleichenden Prozess handelt.
Soo-nams erster Mord ist ein Versehen, nachdem sie sich dafür rächen will, dass sie geschlagen wurde. Ihren zweiten Mord begeht sie, nachdem sie zwei Wochen
lang in einem Keller gefangen gehalten und gefoltert wurde (auch dort hat sie sicherlich einen Teil ihrer geistigen Gesundheit zurückgelassen). Von da an
geht die Spirale der Gewalt immer weiter nach unten. Umso verzweifelter klammert sich Soo-nam mit jedem Mord an ihren Wunschtraum eines perfekten Lebens mit
ihrem Ehemann. Was ist daran nicht zu verstehen? Die Protagonistin ist eine tragische Heldin und es ist daher leicht mit ihr zu leiden. Später mögen ihre
Taten enthemmter sein, aber das ist nur ihr verzweifelter Versuch, für ein Leben zu kämpfen, das man ihr einfach nicht gestatten will. Lee Jeong-hyeon
("The Admiral: Roaring Currents") liefert eine schön differenzierte Darstellung und ihr Abgleiten in den
Wahnsinn zeichnet sie in langsamen Schritten.
Es gibt jedoch ein großes Problem mit der Geschichte und das ist der eigentliche Aufhänger. Die Liebesgeschichte zwischen Soo-nam und ihrem Ehemann lässt
einfach jegliche Form der Glaubwürdigkeit vermissen. Die beiden soll eine starke Liebe verbinden, aber es fehlt die Chemie zwischen den zwei. Das liegt daran,
dass es auch keine Szenen zwischen ihnen gibt, in denen die Beziehung glaubwürdig aufgebaut würde. Daher wundert man sich später, mit wie viel Verbissenheit
Soo-nam um ihr kleines Eheglück kämpft. Daneben fügt sich auch die sozialkritisch angedachte Geschichte um die ungleiche Verteilung von Eigentum nicht
nahtlos in den Film. Dennoch kann nicht behauptet werden, dass die Botschaft des Films nicht verständlich wäre. Außerdem vermag es der schwarze Humor,
die Tragik der Geschichte gerade noch erträglich zu machen. Allzu oft wäre einem sonst nämlich zum Weinen zumute.
Ein wenig wirkt der Film wie eine Mischung aus "Sympathy for Mr. Vengeance" und "Dream Home". "Alice in Earnestland" ist aber nicht ganz so blutig wie letzterer. Obwohl wir eine Operation am Ohr in aller Ausführlichkeit und das Zerlegen eines Fisches zu sehen bekommen. Daneben sind die etwas blutigeren Morde eigentlich harmlos. Die Geschichte wird dabei die meiste Zeit in Form von Rückblenden erzählt und Soo-nam tritt dabei als Erzählerin auf, sodass wir gezwungen sind, ihre Perspektive einzunehmen und sie nicht schlichtweg für ihre Taten zu verurteilen. Die einzelnen Entwicklungen in der Geschichte sind teilweise ziemlich originell und mit einer Laufzeit von 90 Minuten wird das Drama auch nicht unnötig in die Länge gezogen. Am Ende mag es vielleicht schwer fallen, jede Handlung der Protagonistin zu verstehen, aber das letzte Bild, wenn auch etwas vorhersehbar, lässt keinen Zweifel daran, warum Soo-nam zu solchen Extremen gegriffen hat.