Story: Yamashiro (Masaki Suda) ist ein Manga-Künstler, dem bisher der große Durchbruch verwehrt blieb, sodass er immer noch als Assistent für einen namhaften Manga-Zeichner arbeitet. Er lebt zusammen mit seiner Freundin Natsumi (Mitsuki Takahata), die ihn stets unterstützt. Doch als dann sein bisher bestes Werk, das er einem Verleger vorstellt, trotz seiner tollen Zeichnungen wegen wenig ansprechender Charaktere abgelehnt wird, gibt er auf. Für seinen Arbeitgeber soll er allerdings noch ein Haus suchen, das Freude versprüht und so macht Yamashiro sich des Nachts auf dem Weg durch die Stadt und fertigt eine Skizze von einem Haus an, aus dem laute Musik kommt. Als er die Tür offen vorfindet und eintritt, entdeckt er vier gefesselte Leichen an einem Tisch. Jede Person wurde mit einem Messer ermordet und vom Killer (Fukase) kann der Zeichner sogar noch einen Blick erhaschen. Als die Polizei kommt, wird Yamashiro von Detective Seida (Shun Oguri) und Detective Makabe (Shido Nakamura) verhört, die die Ermittlungen in dem Fall leiten. Yamashiro verschweigt ihnen, dass er den Mörder gesehen hat und nutzt stattdessen sein Erlebnis und das Gesicht des Killers für einen neuen Manga. Ein Jahr später ist Yamashiro mit seiner Manga-Serie äußerst erfolgreich. Da meldet sich Detective Seida wieder bei dem Künstler, weil er selbst Mangas liest und ein neuer Fall, bei dem wieder vier Familienmitglieder getötet wurden, exakt seinem Werk nachempfunden wurde. Der Mörder stellt anscheinend die Morde aus dem Manga nach...
Kritik: "Character" ist ein Thriller, wie man ihn sich vorstellt. Düster, verregnet und blutig. Auch wenn wir einen Detective haben, der sich mit einem wenig hilfsbereiten Zeugen herumschlagen muss, ist nicht dieser der eigentliche Protagonist, sondern ein Manga-Zeichner, der für seine Kunst bereit ist, in die mentalen Abgründe eines Killers einzutauchen. Genau hier gehen der Regisseur und die Drehbuchschreiber aber nicht weit genug. Der zunächst zu gutmütige Yamashiro wirkt nach seinem Erlebnis einfach nur noch zurückgezogen und distanziert, sodass man sich fragen muss, ob seine Freundin schließlich nur noch wegen seines Erfolgs bei ihm bleibt. Letzten Endes versagt der Streifen daher genau an der Stelle, an der man sein Hauptaugenmerk vermutet hätte: bei den Charakteren. Letzten Endes bietet dieser Thriller einige gute Ideen, von denen aus man in interessante Richtungen hätte gehen können, nur leider geht man nur ein paar vorsichtige Schritte diese Wege entlang, um dann wieder zum unbedeutend unterhaltsamen Mainstream-Kern zurückzukehren.
Bleiben wir kurz noch bei den Charakteren. Während wir tatsächlich sogar mehr oder weniger einen Grund dafür bekommen, warum der Killer als Charakter recht flach gezeichnet ist - wie praktisch überdies, dass er mit seiner pinken Haarfarbe und seiner Kleidung bereits als Manga-Figur prädestiniert ist -, hat man bei Yamashiro eindeutig versäumt, mehr Persönlichkeit aus dem Protagonisten herauszuholen. Es reicht einfach nicht, dass Darsteller Masaki Suda ("Assassination Classroom") ab und an düster dreinblickt, wenn angerissen wird, dass er durch seine Comics eine dunklere Seite auslebt und eventuell durch sein Trauma selbst zum Killer hätte werden können. Seine Freundin gibt ihm vielleicht den Halt, niemals über die Grenze zu treten oder sich vollkommen in der Dunkelheit zu verlieren, doch das kann man sich alles nur selbst ausmalen, denn behandelt wird das nicht, letzteres ist schlicht gutmütige Interpretation.
Shun Oguri, der bereits in dem ebenfalls düsteren Thriller "Museum" als Detective aufgetreten ist, spielt den Ermittler, der uns etwas Halt gibt und uns emotional etwas näher an der Geschichte bleiben lässt. Er hat sich etwas Gutes und Positives trotz all der grausamen Dinge, die er in seinem Beruf sieht, bewahren können und das lässt ihn zusammen mit seiner Liebe für Mangas sympathisch wirken. Er ist es auch, der die Geschichte immer wieder vorantreibt, doch dieses Los fällt dem Detective nicht immer zu, da auch Zufälle eine große Rolle in "Character" spielen. In jenen Momenten droht die Geschichte auseinanderzureißen, da die Erzählstränge in einige Richtungen gleichzeitig gehen wollen, obwohl die Geschichte an sich nicht wirklich komplex ist. Die Vergangenheit des Killers wird zudem viel zu spät in den Film gebracht und die Verbindung, die zwischen Zeichner und Killer besteht - schließlich glaubt der Killer, er würde mit Yamashiro zusammen ein Kunstwerk schaffen -, wird auch nicht angemessen beleuchtet.
Ein großes Versäumnis ist aber die Frage der Schuld, die hier irgendwie nie wirklich im Raum steht. Der Zeichner hat die Polizei nicht darüber informiert, dass sie nicht den richtigen Mörder gefangen hat, und dazu hat er dessen Gesicht gesehen. Das bedeutet, dass mit jedem weiteren Mord auch an Yamashiros Händen Blut klebt. Das interessiert nur kaum jemanden, da sogar der Detective den Künstler dazu ermutigt, weiter zu zeichnen, obwohl Yamashiro damit die Grundlage weiterer Morde schafft. Hier hätte man auf moralischer Ebene viel arbeiten können und Yamashiro durch seinen inneren Kampf viel plastischer darstellen können. Daneben gibt es noch eine Wende, die sehr vorhersehbar ist. Während "Character" aber leider gerade auf der Charakter-Ebene versagt, kann er bezüglich seiner Atmosphäre ordentlich punkten. Nicht nur die für einen düsteren Thriller typischen Bilder, sondern auch der Grad an Gewalt und Blut dürfte Genre-Fans zufriedenstellen. Da wir immer wieder die Leichen von Familien sehen, Kinder eingeschlossen, reiht sich der Streifen klar in die Reihe solcher Streifen ein, bei denen man keinen empfindlichen Magen haben darf.
Regisseur Akira Nagai konnte zuvor bereits mit Romantikdramen wie "After the Rain" sein Talent unter Beweis stellen, doch mit "Character" geht er in eine ganz andere Richtung und weiß dennoch zu überzeugen. Irgendwie fühlt sich der Film vertraut im Sinne eines "Sieben" an, hat aber immer wieder ein paar schöne Ideen, wie der coole Anspann, der Yamashiros Schock hervorragend einfängt. Daneben wird auch das Manga-Motiv schön eingefangen, denn die Zeichnungen, die für den Film angefertigt wurden sind großartig und stellen überzeugend Yamashiros Talent dar. Das Ende kann außerdem noch einmal eine gute Portion Spannung bieten. Killer und Künstler werden in einer Szene gespiegelt bzw. ihre Plätze vertauscht, womit ein faszinierender Aspekt aufgegriffen wird, von dem man das Gefühl hat, er hätte der Kern des Films werden sollen. Leider ist er nur nie wirklich von den Drehbuchautoren greifbar gemacht worden. Damit ist "Character" auch ein enttäuschender Thriller, selbst wenn er ansonsten genau das Richtige für Fans des Genres darstellt.