Story: Shamato (Mitsuru Fukikoshi) betreibt einen Laden, in dem er Fische verkauft. Seine Tochter Mitsuko (Hikari Kajiwara) ist von einem
unbändigen Hass gegen ihn erfüllt, weil er kurz nach dem Tod ihrer Mutter neu geheiratet hat. Ihre Stiefmutter Taeko (Megumi Kagurazaka) ist
von Gewissensbissen geplagt, weil sie glaubt, dass sie für das rebellische Verhalten der Tochter verantwortlich ist. Shamato kümmert sich nicht wirklich um
diese Probleme, doch eines Tages wird seine Tochter beim Ladendiebstahl erwischt. Murata (Denden), der ebenfalls einen Fischladen betreibt, kann jedoch dafür
sorgen, dass Mitsuko keine Probleme deswegen bekommt. Er lädt Shamato und seine Familie sogar in seinen Laden ein und macht das Angebot, Mitsuko bei sich
arbeiten zu lassen. Muratas Frau (Asuka Kurosawa) leistet ebenfalls ihren Beitrag, die Eltern davon zu überzeugen, dass dies eine gut Möglichkeit ist,
Mitsuko zu resozialisieren. Letztlich sorgt es aber dafür, dass Mitsuko sich immer mehr von ihren Eltern entfremdet. Außerdem hat Murata ein grauenhaftes
Geheimnis, von dem Shamato schon bald ein Teil wird...
Kritik: Nach "Love Exposure" führt Sion Sono seine "Hass"-Trilogie in die nächste Runde. "Cold Fish" dreht
sich dabei um einen Familienvater, der sich stets dem Willen der anderen fügt und dessen Welt langsam auseinanderfällt, weil er sich nicht durchzusetzen
vermag. Gleichzeitig ist es ein Drama über eine defekte Familie und eine humoristische Untersuchung eines Serienmörders. Der Film kann dabei recht blutig
sein, verliert aber nie seinen charaktererforschenden Blick auf die Geschehnisse und verkommt daher nie zu einem billigen Gore-Fest. Die dargestellten
Individuen sind alle auf ihre Weise zerstörte Seelen, die kaum Aussicht auf Heilung haben, doch wie es mit Sions Filmen häufig ist, kann man nie genau
vorhersagen, wie alles ausgehen wird.
Nicht selten steht bei Regisseur Sion die Familie im Vordergrund. Der Zerfall dieser und eine eventuelle Wiederannäherung erinnert daher eher an
"Noriko's Dinner Table" als an "Love Exposure". Im Speziellen geht es aber um ein Individuum, den schüchternen und
formbaren Shamato. Das bedeutet, dass wir diesmal die Ereignisse im Film fast ausschließlich aus seiner Sicht sehen. Der Arbeiter, der nie gerlernt
hat, kritisch zu denken, ist nichts Außergewöhnliches in einem Drama aus Japan, aber die Situationen, in die Shamato deshalb gerät, sind es in jedem Fall.
Mit einer gehörigen Prise schwarzem Humor ist Shamato plötzlich Komplize in einem Mord und hilft dabei, eine Leiche zu entsorgen. Nicht nur er, sondern auch
der Zuschauer fragt sich da, wie genau man jetzt eigentlich hier gelandet ist!
Den unerwarteten Ereignissen wohnt etwas Surreales inne, das eben genau dem Gefühl gleicht, das man hat, wenn man in der Realität mit einer extremen
Situation konfrontiert wird. Shamato ist so schockiert und fassungslos über das, was er sieht, dass er noch leichter zu lenken ist und wie eine Marionette
nach Muratas Anweisungen handelt. Schnell hat man die Parallelen hergestellt. Weder gegen den Serienmörder noch gegen seine Familie kann sich Shamato
durchsetzen. Das führt in einen immer tieferen Abgrund und die Gefahr, dass es einfach Klick macht und Shamato selbst wahnsinnig wird, ist wie elektrische
Spannung in der Luft zu jeder Zeit wahrzunehmen. Der Weg, der in den Wahnsinn führt, ist schließlich auch ein Thema, das der Regisseur in seinen Werken
mehrfach aufgegriffen hat. Die Frage ist, ob es auch eine Chance auf Heilung gibt.
Mitsuru Fukikoshi ("The Twilight Samurai") gibt eine überzeugende Darstellung ab, doch auf schauspielerischer Ebene
gewinnt Denden ("Cure") als extrovertierter Serienmörder mit der Fähigkeit, jeden Mord als etwas ganz Natürliches darzustellen, das
Herz des Zuschauers. Da Sion Sono diesmal besonders verstärkt lange Aufnahmen ohne Schnitte verwendet, braucht es auch einen hervorragenden Darsteller
wie ihn. Ohne ihn und ein paar anderen guten Nebendastellern hätte der Film sonst noch kühler gewirkt. Aber die emotionale Distanziertheit bleibt dennoch
ein Problem, das mal mehr, mal weniger stark in den Filmen des Regisseurs ausgeprägt ist. Hier ist es etwas mehr. Leider wirkt somit auch das ansonsten
gelungene Ende nur auf oberflächlicher Ebene.
Wie nicht anders zu erwarten, gibt es auch diesmal ein paar erotische Szenen, aber wirklich ausgeprägt ist das Ausmaß an Blut und Körperteilen auf dem Bildschirm. Da der Akt des Tötens nie sonderlich brutal ist, aber das Zerstückeln der Leichen gezeigt wird, und das zuweilen mit viel schwarzem Humor, sind diese Szenen wesentlich erträglicher anzusehen, als man erwarten würde. Sion Sono will kein Publikum erreichen, das auf Blut und Gedärme im Film steht - er wird dieses dennoch für sich gewinnen können -, sondern er will schockieren und damit seine Themen wie Familie oder die Verwandlung eines zu ausgeprägt friedliebenden Menschen in einen potenziellen Serienmörder beleuchten, während er alles mit einem gewissen Weltschmerz unterlegt. Die Charaktere sind zwar leider etwas zu farblos und das Drama zu kühl, aber einen guten Film hat Sion Sono dennoch wieder abgeliefert.