Story: Jang Hae-joon (Park Hae-il) ist frustriert, weil er schon seit einer Weile an einem ungelösten Mordfall arbeitet. Seine Ehefrau (Lee Jung-hyun) sieht er auch selten, weil sie in einer anderen Stadt arbeitet, und so leidet er mittlerweile sogar an Schlafstörungen. Da kommt ihm sein neuester Fall gerade recht. Ein Mann scheint von einem Berg gestürzt zu sein und Hae-joon vermutet, dass es sich um einen Mord handelt. Als er die Frau des Opfers, Song Seo-rae (Tang Wei), trifft, ist er jedoch sofort wie vom Blitz getroffen. Die Frau, die eigentlich aus China kommt, übt eine besondere Anziehungskraft auf ihn aus. Gleichzeitig könnte sie sehr gut die Mörderin ihres Ehemanns sein. Ihr Ehemann war dafür verantwortlich, dass sie überhaupt eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen hat, und es scheint, dass er sie misshandelt hat. Ein Motiv gibt es also und daher bleibt Hae-joon der Verdächtigen auf den Fersen und beschattet sie. Seine weiteren Untersuchungen decken auf, dass sie in China ihre Mutter getötet und deshalb aus dem Land geflohen ist. Allerdings stellt sich heraus, dass es sich dabei eher um Sterbehilfe gehandelt hat. Hae-joon will sich von seinen Gefühlen nicht blenden lassen und die Wahrheit in dem Mordfall ans Licht bringen. Es sieht so aus, als hätte Seo-rae tatsächlich einige Geheimnisse. Sie scheint aber überdies die Gefühle des Detectives zu erwidern. Für Hae-joon und seinen Beruf erweisen sich seine Gefühle aber als das reinste Gift...
Kritik: Mittlerweile denke ich, dass es vielleicht etwas unfair ist, jedes Mal einen riesigen Wow-Effekt bei Park Chan-wooks Werken zu erwarten. Auch wenn ich mich diesmal, ebenso angesichts einiger eher enttäuschender Werke, in meinen Erwartungen etwas gezügelt habe, lässt "Decision to Leave" für mich am Ende doch wieder dieses letzte gewisse Etwas vermissen. Dabei hat der Streifen ganz eindeutig eine ganz besondere Note, die gefallen kann, und zudem besteht kein Zweifel daran, dass Park in die oberste Riege der Regisseure gehört. Besonders gefallen kann der etwas verspieltere Ton, denn auch wenn Park schon immer ein Händchen für absurde Szenen und damit auch ein Auge für Humor bewiesen hat, zeichneten sich seine Werke zumeist durch einen ernsten Ton und hohen Spannungsgehalt aus. Diesmal bleibt die Spannung hoch, aber es wird zumindest in der ersten Hälfte überraschend unbeschwert. Außerdem geht es hauptsächlich um die Liebe.
Genau genommen, ist Liebe aber schon immer die treibende Kraft in Parks Werken gewesen, da diese auch in "Sympathy for Lady Vengeance" der Motor des Rache-Plots war. Mit "The Handmaiden" hat sich der Regisseur noch etwas intensiver in diese Richtung begeben, von daher scheint "Decision to Leave" nur die logische Weiterführung der Thematik zu sein. Einen Romantikstreifen muss man hier aber nicht erwarten und auch keinen Beinahe-Erotik-Thriller, der Darstellerin Tang Wei in "Lust, Caution" bereits Probleme in China eingebracht hatte. Denn auch wenn sich der Detective ohne Zweifel Hals über Kopf in die Einwanderin verliebt hat, und dank einiger schön eingefangener Szenen die Anziehungskraft der Frau auf ihn hervorragend eingefangen wurde, bleibt der Streifen auch ein Thriller, bei dem man sich stets fragen muss, ob So-rae nicht ein übles Spiel mit dem Detective treibt und am Ende doch die Femme fatale ist, die andere bereits in ihr sehen.
Überbordend dramatisch ist der Film aber nicht. Die Charaktere sind ziemlich differenziert geschrieben. So verlässt der Detective nicht einfach seine Ehefrau, nur weil er Gefühle für eine andere Frau hegt, gleichzeitig ist er professionell genug, zumindest oberflächlich einen gewissen Abstand zu So-rae zu wahren, die eventuell doch ihren Mann umgebracht haben könnte. Natürlich wird seine Professionalität dadurch um einiges relativiert, dass er die Frau beschattet, was eigentlich einem staatlich legitimen Stalking gleichkommt... Und So-rae gefällt das sogar, da sie ohnehin Interesse an dem Polizisten hat. Inwieweit sie das nur vorspielt, sehr wohl wissend, dass sie auf Schritt und Tritt beobachtet wird, macht allerdings den großen Reiz des Streifens aus. Nichts ist hier sicher, Gefühle könnten ausgenutzt werden und Detective Hae-joon ist sich dessen auch bewusst. Es ändert nur nichts an seiner großen Sehnsucht.
Kommunikation ist in der Geschichte auch ein interessantes Thema. So-rae kann Koreanisch, das für den Alltag ohne Probleme ausreicht, aber wenn es um den Fall geht und komplizierte Fakten auf den Tisch gelegt werden, muss Hae-joons Partner einfachen Wortschatz verwenden, oder die Verdächtige muss eine Übersetzer-App verwenden, um sich zu verständigen. Diese Barriere innerhalb der Kommunikation wird oft genug eingebracht, sodass man sich ihrer Wichtigkeit für den Film bewusst wird. Natürlich überwindet die Liebe diese Grenze scheinbar leichtfüßig, doch kennen sich Hae-joon und So-rae wirklich? Verstehen sie sich ernsthaft? Jene Barriere trägt auch zum Reibungspunkt innerhalb der Geschichte bei, ob So-rae nun eine Mörderin ist oder nicht. Tang Wei hat bereits 2010 in "Late Autumn" in einem koreanischen Film die Hauptrolle übernommen und ist mit dem Regisseur jenes Dramas verheiratet, weshalb es nicht wirklich verwundern sollte, dass ihr Koreanisch ziemlich gut ist. Aber auch als Darstellerin weiß sie mit ihrer passiv warmen Art zu überzeugen und der Protagonistin etwas Rätselhaftes zu verleihen.
In der zweiten Hälfte des Films werden in gewisser Weise nach einer Wendung die Ereignisse aus der ersten neu aufgegriffen und gespiegelt. Der Film ist dann wieder etwas ernster und während zuvor das Bittersüße der Liebe im Vordergrund stand, ist es jetzt vielmehr der Schmerz. Unglücklicherweise bleibt das alles aber etwas seicht und auch das Ende ist eine Enttäuschung, da es eher an Art-House-Kino erinnert. Park Chan-wook ist ein Regisseur, der mit seinen Extremen punkten kann, davon fehlt hier aber jede Spur. Seine Bilder sind jedoch über alle Kritik erhaben. Immer wieder spielt er mit Perspektiven und zeigt uns die Geschehnisse aus der Sicht von Gegenständen. Dazu gesellt sich ein hervorragender Soundtrack, etwas, was bereits Parks beste Werke um einiges aufwerten konnte. "Decision to Leave" ist einer jener Streifen, die von den meisten Festivalkritikern ohne wirklich kritische Beleuchtung in den Himmel gelobt werden, an sich aber zu Parks schwächeren und irgendwie auch unspektakulären Filmen gehört. Gleichzeitig bleibt Park ein großartiger Regisseur und kann in seinem Romantik-Thriller einen besonderen Ton anstimmen, der gefällt. Eine Empfehlung ist das allemal wert.