Story: Han Yu-na (Park Ju-hyun) versucht sich als Streamerin und Influencerin. Ihre anfänglichen Videos lassen noch eine Richtung vermissen, aber schon bald hat sie dank der Geschichte um ihren Vater, der sich das Leben genommen hat, und einem Live-Stream-Fehler, da sie gekocht und den Stream nicht wirklich beendet hat, bevor sie ihr misslungenes Essen wieder ausspuckte, eine stetig wachsende Zuschauerzahl aufgebaut. Einige Zeit später hat sie Hunderttausende Abonnenten und wird von Firmen gut bezahlt, wenn sie ihre Produkte vorstellt. Momentan wird sie noch von ihrem alten Produzenten (Choi Yoon-seok) vertreten, aber als sie auf einer Party einer Kosmetikfirma ihren Live-Stream machen soll und dort dann hintergangen wird, weil ihre Rivalin letztlich doch den Zuschlag bekommt, entscheidet sie sich, einen neuen Produzenten bei der Konkurrenz MBS zu suchen. Erschöpft setzt sie sich ins Auto auf dem Parkplatz und schläft ein. Als sie wieder aufwacht, ist sie gefesselt und befindet sich im Kofferraum ihres Wagens. Sie kann ihre Fesseln lösen und realisiert, dass das Auto fährt. Da klingelt ein Telefon und ihr Entführer erklärt ihr, dass er eine Million Dollar will, sonst würde er sie in dem Wagen auf einem Schrottplatz, auf dem man keine Fragen stellt, verschrotten. Yu-na hat nicht so viel Geld, doch der Entführer schlägt ihr vor, sich ihr Handy zu nehmen und innerhalb einer Stunde den noch fehlenden Betrag in einem Live-Stream zu verdienen. Yu-na hat keine andere Wahl, als dem Wunsch nachzukommen, während sie gleichzeitig versucht, die Polizei über ihre Lage zu informieren.
Review: Nachdem sich in kurzer Abfolge einige Filme aus Südkorea um das Thema Influencer gedreht haben, wirkt "Drive" fast so, als wäre er mittlerweile etwas zu viel des Guten. Natürlich geht aus auch diesmal um die Scheinwelt der Streamer und Social Media-Profis, die als Aufhänger für einen vermeintlich packenden Thriller herhalten muss. Dazu gibt es dann noch als Basis einen eher klassischen Plot der Entführung in einem Kofferraum. Nur muss die entführte Person sich eben mit dem Handy und ihren Streaming-Zuschauern aus ihrer unangenehmen Lage befreien. Mit seinen gerade mal 90 Minuten und seinem hohen Tempo scheint der Thriller auch alle Bedingungen zu erfüllen, mitnehmend zu sein. Das Problem ist nur, dass der Film handwerklich zwar solide gemacht ist und immer in den genau richtigen Abschnitten eine neue Wende verbaut, uns aber mit einer Protagonistin konfrontiert, mit der wir nur schwer mitfiebern können. Grund dafür ist, dass sie bereits zu Beginn als ziemlich ausgefuchste Influencerin vorgestellt wird, die nicht nur andere ausbootet, sondern sogar hintergeht, solange es ihrer eigenen Agenda und Marke nutzt.
Positiv kann natürlich angemerkt werden, dass Yu-na sehr wohl weiß, was sie will und wie sie es bekommen kann. Manipulation ist dabei für sie kein moralisches Problem. Im weiteren Verlauf des Films möchte der Entführer dann, dass sie ihren Zuschauern ihr wahres Ich zeigt. Da wird natürlich sofort klar, dass Yu-na in ihrer Vergangenheit etwas gemacht haben muss, was ihr den Hass des Entführers eingebracht hat. Was das genau ist, braucht selbstverständlich seine Zeit, bis es ans Tageslicht kommt. Wie viel Macht Influencer mit hoher Reichweite haben, sollte heutzutage klar sein, und auch welchen Schaden sie in ihrer Bubble und auch darüber hinaus anrichten können. Wie soll man also mit Yu-na sympathisieren, wenn sie schon zu Anfang als abgebrüht und kalt gezeigt wird und dazu noch in den Raum gestellt wird, dass sie jemandem enorm geschadet hat? Park Ju-hyun ("Extracurricular") leistet zwar ganz vernünftige Arbeit, aber da das Drehbuch nicht weiß, wohin es mit Yu-na möchte, kann auch sie keine Wunder leisten. Wir haben emotional immer eine gewissen Distanz zu ihr, weil sie eben auch die Schattenseiten des Influencer-Daseins verkörpert.
Man könnte zudem meinen, dass der enge Raum des Kofferraums eine gewisse Art von Klaustrophobie erzeugen würde. Da wir uns aber immer wieder auch außerhalb dieses minimalen Raums aufhalten, beispielsweise wenn es um die Ermittlungen der Polizei geht, und der Kofferraum überdies zuweilen lächerlich groß wirkt, kommt kein Horror durch Beklemmung auf. Des Weiteren findet sich im Kofferraum immer wieder etwas Neues, was die Geschichte irgendwie vorantreibt. Oft bekommt das sogar unfreiwillig komische Züge. Irgendwann muss man sich fragen, wie Yu-na schon so lange im Kofferraum eingesperrt sein kann, ohne wirklich zu wissen, was sich in ihrer näheren Umgebung befindet. Dann ist da noch ihr langjähriger Produzent, den sie hintergeht, indem sie hinter dessen Rücken einen Vertrag mit jemand anderem abschließt. Wir kommen irgendwann an den Punkt, dass wir eher mit dem Entführer sympathisieren. Das Problem ist hier nur, dass wir gar nichts über ihn wissen und eine spätere Wendung eigentlich auch nur mehr zerstört, als dass es dem Film guttut. Plötzlich steht eine andere Person im Vordergrund, auch wenn der aufmerksame Zuschauer vielleicht schon darüber im Bilde war, dass dies am Ende so kommen würde.
Die Polizei ist übrigens auch bald in den Fall involviert, da man irgendwie die schlimmsten Plotlöcher vermeiden wollte (warum ruft sie nicht die Polizei an, wieso kann sie sich nicht aus dem Kofferraum befreien etc.). Allerdings glaubt diese schon bald nicht mehr daran, dass es sich um einen echten Fall handelt. Es wird nämlich oft mit dem Umstand gespielt, dass Yu-na das Ganze nur inszeniert hat, um einen besonders erfolgreichen Stream auf die Beine zu stellen und viel Geld einzusammeln. Zuzutrauen wäre es ihr, wie wir auch von verschiedenen Seiten mitbekommen. Kim Yeo-jin ("Vegetarian") spielt die Polizistin, die als einzige der Streamerin glaubt. Im Endeffekt führt das durchaus zu ein paar spannenden Szenen und sogar einer recht actiongeladenen, in der auf dem Highway rückwärts gefahren wird. Aber allzu viel Action darf man wiederum auch nicht erwarten. Mitnehmend ist der Film dann, wenn man sich mit der Geschichte und einigen der ziemlich dämlichen Umstände, die den Plot überhaupt erst weiterlaufen lassen, arrangieren kann.
Ein paar nette Aspekte gibt es allerdings. Die Zuschauer bekommen die Macht über Yu-na und der stete Druck, den der Entführer aufbaut, sorgt dafür, dass sich Yu-na fragen muss, inwieweit sie bereit ist, sich zu verkaufen, um das zu bekommen, was sie möchte. Das wirkt gleich auf zwei Ebenen, da die Zuschauer des Streams ja nicht wissen, ob Yu-na nur eine Show abzieht oder es sich um eine echte Entführung handelt. Die Protagonistin muss sich wiederum die Frage stellen, ob es das alles wert war, was sie in diese Situation gebracht hat, und ihren moralischen Kompass sowie den Grad ihrer Menschlichkeit hinterfragen. Wie schon in beispielsweise "Following" streift das philosophische und existenzielle Fragen, nur um an diesen doch vorbeizuarbeiten. Letztlich soll es sich bei "Drive" nur um einen packenden Thriller handeln. Auch wenn die Geschichte mit dem Influencer-Aspekt ins 21. Jahrhundert geholt wurde, ist es manchmal erstaunlich, wie sehr er an klassische Thriller dieser Art erinnert. Wer also einen unterhaltsamen Thriller sucht und kein Problem damit hat, am Ende vielleicht doch etwas enttäuscht zu werden, wird seinen Spaß haben.